Hand aufs Herz! Wie lange könnt ihr auf den Luxus verzichten, zu jeder Tages- und Nachtzeit, frisches Trinkwasser aus dem Wasserhahn zu erhalten? Ertappt ihr euch jetzt dabei, dass manchmal schon der Weg vom Wohnzimmer zur Küche zu lästig erscheint? Grund genug also, dem Wasserturm Geestemünde zu seinem diesjährigen 130. Geburtstag zu „gratulieren“. Ich versuche etwas, über seine Entstehung zu erfahren.
Wie alles begann
Im 19. Jahrhundert nimmt die Bevölkerungsdichte im heutigen Stadtteil Geestemünde schnell zu. Und obwohl das heutige Bremerhaven eine Hafenstadt ist und am Wasser liegt, ist Trinkwasser zu dieser Zeit rar. Beim Grundwasser handelt es sich um Brackwasser. Brackwasser ist See- oder Meehrwasser mit einem Salzgehalt von 0,1 – 1 %. Erst 1863 verfügt Geestemünde über eine Wasserleitung. Das neun Kilometer entfernte Bexhövede speist diese Leitung.
Nicht genug für alle
Geestemünde befindet sich im Aufschwung. Die Bevölkerung wächst schnell. Die ersten Werften und die Eisenbahnverbindung nach Bremen werden errichtet. Brunnenbohrungen, um Trinkwasser zu erhalten, misslingen. Die Wasserleitung vom Wasserwerk Bexhövede reicht nicht mehr aus. Die Menschen können nicht mehr alle mit dem lebensnotwendigen Nass versorgt werden. Außerdem ist es mühselig, Wasser von der Ausgabestelle zu holen. Auch die hygienischen Umstände leiden darunter.
Know-how war nötig für den Wasserturm Geestemünde
Heute gehören Wassertürme zu jedem Stadtbild. Aber damals waren sie modernste Neuerungen. Nur Spezialisten haben das notwendige Know-how, um solch ein Bauwerk zu planen, zu berechnen und bauen zu lassen. Und so wird der Aachener Ingenieur Otto Intze mit dem Bau beauftragt. Der Wasserbauer Intze ist unter anderem bauleitender Ingenieur des Hafen- und Straßenbaus in Hamburg. Neben industriellen Zweckbauten gehören erdbedensicheren Bauten, Stahlhochbauten und Großraumwasserwirtschaft zu seinen Werken. Seine Studien sind bedeutend für den Wasserbau. Im Rheinland und in Nordrhein Westfalen baut er allein 30 Wasserspeicher – Talsperren folgen. Auch am Bau des Mittellandkanals ist er beteiligt. Intze erkennt früh die enormen Vorteile von Wasserhochbehältern. Dank ihnen kann die öffentliche Wasserversorgung in den Städten gewährleistet werden. Er ist eine echte Koryphäe auf diesen Gebieten!
Ein Wasserturm muss her!
1891 wird auf dem topagrafisch höchsten Punkt Geestemündes der Wasserturm errichtet. Intze versieht ihn mit dem Wassertank Intze-Typ II, der eine höhere Stabilität zum Intze-Typ I gibt und über größeres Volumen verfügt. Die Bauweisen der Intze-Behälter zeichnen sich dadruch aus, dass der Auflagenring einen kleineren Durchmesser als die Behälterweite haben. So entstehen die für diese Typen schmaleren Türme mit den ausladeden Kopfteil. Die Tagesleistung des Geestemünder Wasserturms beträgt seinerzeit 500 Kubikmeter. Damit werden 20.000 Bewohner und Gewerbetreibende versorgt.
Wasserturm Geestemünde – beschädigt, aber nicht gefallen
Der zweite Weltkrieg geht auch an diesem Bauwerk nicht vorrüber. Schwer beschädigt, wird er wieder instand gesetzt. Statt der ursprünglichen Kuppel reckt sich nun ein Flachdach dem Himmel entgegen. 1976 drohte dem marode gewordenen Turm der Abriss. Zwischenzeitlich das Wahrzeichen Geestemündes, wird der Turm jedoch saniert und die Kuppel wieder hergestellt.
Eine neue Bestimmung für den Wasserturm Geestemünde
Lange Jahre verrichtet der Wasserturm verlässlich seine Arbeit. 2003 wird der Turm nochmals komplett überholt. Jetzt wird er seiner neuen Bestimmung übergeben. Der Platz vor dem Turm, der Konrad-Adenauer-Platz, oder wie wir Bremerhavener lieber sagen – der Neumarkt – wurde umgestaltet. Hier zum Fuße des Turms lockte mittwochs und samstags der beliebte Wochenmarkt mit seinen frischen Produkten. Der Wasserturm erhielt einen gläsernen Anbau. Im Inneren und auf der Terrasse lädt ein Café zum Schauen, Schlemmen und Verweilen ein. Von hier hat man einen herrlichen Blick auf den Neumarkt und das rege Treiben dort. Damals wie heute ein beliebter Treffpunkt zum Fuße des jetzt unter Denkmalschutz stehenden Turms.
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