Eine kleine Reise in die Vergangenheit von Bremerhaven und Geestemünde bietet die Sonderausstellung „Kapitäne und Holzfabrikanten – Die Geestemünder Unternehmerfamilie Kohn 1830-1867“ im Historischen Museum Bremerhaven. Historische Fotografien, Gemälde, Holzstiche, Pläne und Dokumente laden ein, sich auf die Spuren einer spannenden Familien- und Firmengeschichte zu begeben. Dabei lässt sich auch die ein oder andere unbekannte Ansicht von Geestemünde entdecken.
Vergangene und vergessene Zeiten
Prachtvolle Villen in der Borriesstraße, große Lagerhallen voller Holzstapel und Rauch aus den Fabriken am Querkanal – kaum vorzustellen, dass Geestemünde mal ganz anders ausgesehen hat. Als wissenschaftliche Volontärin am Historischen Museum Bremerhaven habe ich mich in den letzten Monaten intensiv mit der Familie Kohn und ihrer Holzhandlung „Pundt & Kohn“ beschäftigt, um eine Sonderausstellung für die Zeit zwischen den großen Sommerausstellungen zu erarbeiten. Am Anfang kannte ich nur einige Gemälde und Fotografien aus dem Nachlass der Familie. Diese wurden dem Museum 2017 von der Tochter des letzten Firmeninhabers von „Pundt & Kohn“ gestiftet.
Nach und nach kamen dann weitere Dokumente und Abbildungen dazu. Beim Wälzen verschiedener Bauakten im Stadtarchiv, beim Durchforsten alter Zeitungen und beim Abgleich historischer Fotografien setzte sich die Geschichte der Familie Kohn und des Holzhandels in Geestemünde wie ein Puzzle zusammen.
Vom Kapitän zum Holzhändler
Die Sonderausstellung fängt mit der Geschichte von Franz Johann Syabbe Kohn (1828-1877) an. Er war Kapitän und fuhr viele Auswanderer von Bremerhaven nach Nordamerika. Ein Gemälde des Marinemalers Carl Justus Harmen Fedeler (1799-1858) zeigt sein Schiff, die „JOHANN“, unter vollen Segeln. Es wird vom Deutschen Schifffahrtsmuseum als Leihgabe zur Verfügung gestellt.
Angesichts der Konkurrenz durch die Dampfschifffahrt wurde Kapitän Kohn allerdings sesshaft. Gemeinsam mit einem Kapitänskollegen gründete er 1863 die Holzhandlung „Pundt & Kohn“. Sie befand sich in der heutigen Bussestraße und damit ganz nah an dem Saal, in dem jetzt ihre Geschichte zu sehen ist.
Eine Holzfabrik für den Erfolg
Kapitän Kohns Sohn Franz Kohn (1857-1909) baute Ende des 19. Jahrhunderts eine Holzfabrik. Mit eigener Holzverarbeitung wurde das Familienunternehmen zu einer der bedeutendsten Holzfirmen an der Unterweser. Da die Holzfabrik gemeinsam mit dem Kaufmann Johannes Backhaus gebaut wurde, hieß sie „Backhaus & Co.“. Doch im Allgemeinen sprach jeder vom Säge- und Hobelwerk der Firma „Pundt & Kohn“ und so ging das Wissen über die verschiedenen Namen über die Zeit verloren. Auf der Suche nach Abbildungen der Fabrik entdeckte ich in unserer Sammlung dann ein Gruppenbild, das die Mitarbeiter von „Backhaus & Co.“ zeigt. Da der Zusammenhang mit der Familie Kohn bis zu den Recherchen für die Sonderausstellung unbekannt war, wusste bisher auch niemand, um welche Firma es hier geht. In der Ausstellung hat das Bild nun seinen Kontext wiedergefunden.
Franz Kohn war aber nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern seit 1898 auch Senator im Geestemünder Magistrat. Dort betreute er den Bau verschiedener Schulgebäude in Geestemünde. Die Straße „Hülsen“ wurzelt sogar in einer Wohnsiedlung für seine Arbeiter, die der sozial engagierte Politiker und Geschäftsmann ab 1893 südlich des Geestemünder Friedhofs bauen ließ.
Krisen, Kriege und die Kunst
Seine Söhne Gerhard Kohn (1883-1962) und Hans Kohn (1887-1967) sollten dann die letzte Generation sein, die die Firma „Pundt & Kohn“ leitete. Die Weltkriege und die wirtschaftlichen Krisen der 1920er und 1930er Jahre waren große Herausforderungen, die es zu meistern galt. 1937 benannte sich die Familie in „Kohnert“ um, da sie wegen ihres jüdisch klingenden Nachnamens im nationalsozialistischen Regime diffamiert wurde.
Der Bombenangriff auf Wesermünde am 18. September 1944 zerstörte über 70 Prozent der Stadt und fast alle Gebäude der Firma. Das versetzte „Pundt & Kohnert“ einen schweren Schlag. Hans Kohnert wandte sich seiner ursprünglichen Leidenschaft, der Malerei, zu und schuf Gemälde, die im Kontrast zu den Trümmerlandschaften in Wesermünde eine menschenleere und friedliche Natur zeigen.
Fazit
Insgesamt ergibt sich eine bewegte Familien- und Firmengeschichte, die über 100 Jahre lang eng mit der Entwicklung von Bremerhaven und Geestemünde verbunden war. Auf den Spuren von Kapitänen und Holzfabrikanten habe ich viele interessante Dinge entdeckt. Die Zusammenstellung alter Ansichten von Geestemünde und Bremerhaven mit Gemälden und Holzstichen bedeutender Künstler sowie Fotografien und Dokumenten der Familien- und Firmengeschichte ist eine besondere Mischung. Da lohnt sich, wie ich finde, der Besuch des Historischen Museums Bremerhaven auch in den kalten Wintermonaten und das nicht nur für Geestemünder/-innen!
Die Geestemünder Unternehmerfamilie Kohn 1830-1967
Historisches Museum Bremerhaven
An der Geeste 27570 Bremerhaven
Dienstag – Sonntag 10-17 Uhr, Eintritt frei
Weitere Infos zur Ausstellung und die Termine der ExtraTouren sind auf www.historisches-museum-bremerhaven.de zu finden.
Text: Evelyn Friesen, M.A.
Fotos: Historisches Museum Bremerhaven
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