Schiffe gehören zur DNA Bremerhavens wie die Weser und die außergewöhnlichen touristischen Attraktionen wie Klimahaus und Auswandererhaus. Logisch also, dass Schiffe anzuschauen (kieken) eine der Lieblingsbeschäftigungen von Einheimischen und Gästen der Seestadt ist. Ich hatte neulich die Möglichkeit, bei der Probetour zu unserer neuen Führung „Schiffe kieken“ dabeisein zu dürfen und konnte erleben, wie der Feinschliff funktioniert. Kommt, wir machen die Tour schon mal zusammen, bevor sie am 3. April ihre Premiere feiert.
Drei Mal „Open Ship“
In unseren Hafenbecken in der Stadtmitte liegen richtig schmucke historische Segelschiffe. Stattliche Stahlschiffe sind angetäut und auch ein großartiger Dreimaster ist von Land zu bestaunen. Die neue Führung „Schiffe kieken“ geht aber noch einen Schritt weiter: In der Saison immer sonntags nimmt euch eine Gästeführer*in für zwei Stunden mit an Bord dreier wirklich spannender Schiffe im Alten und Neuen Hafen. Besucht werden der Hochsee-Bergungsschlepper „Seefalke“, der Dampfeisbrecher „Wal“ und mit der „Schulschiff Deutschland“ sogar ein echtes maritimes Denkmal. Zu den vielen historischen „Pötten“ entlang des Weges wird natürlich auch allerhand Wissenswertes vermittelt.
„Seefalke“ rettet und versinkt
Wir treffen uns vor der „Seefalke“, einem Hochsee-Bergungsschlepper. Hans Bayer, waschechter Bayer und seit rund elf Jahren Gästeführer in Bremerhaven, versammelt seine Guide-Kolleg*innen, Marc Reichelt (Leiter Service und Vertrieb), Diana Rohrbach (Natur Pur) und mich für die ersten Ausführungen. „Länge, Breite, Tiefgang, Baujahr – diese Zahlen reichen“, befindet er, und wir stimmen zu. Interessanter sind doch viel mehr Erklärungen zu dem, was zu sehen ist – und Anekdoten. Diese zum Beispiel:
Die „Seefalke“ wurde die 1924 in Dienst gestellt und in ihrer aktiven Zeit gleich zwei Mal versenkt – um nicht in die Hände des Weltkriegs-Gegners zu fallen. Man stelle sich das vor: Das Schiff hat im Laufe seiner Dienstjahre unzählige Schiffe und Schiffsleute bei schwerer See aus der Seenor gerettet und wird dann selbst in aller Stille auf den Grund des Meeres gelegt, um so selbst gerettet zu werden. Und das gleich doppelt.
Das Schiff hat Geld verdient
Mir gefällt aber auch die Vorstellung, dass die so behäbig aussehende „Seefalke“ ein echter „Money Maker“ war. Denn der Schlepper hatte keinen Fahrplan, sondern lag irgendwo in Nordsee, Ostsee oder auch im Atlantik „auf der Lauer“, Kapitän und Besatzung mit dem Ohr immer am Funkgerät, um Notsignale abzuhören. Kam einer rein, ging es los zur Bergung. War die „Seefalke“ als erstes Schiff an der Notstelle, warf man den Haken rüber und hoffte, dass dieser akzeptiert wurde. Wenn dem so war, war das Bergungs-Geschäft abgeschlossen und kein anderes Schiff konnte es übernehmen. Das ist deswegen so wichtig, weil sich am Ende der guten Tat der Lohn für Kapitän und Besatzung am Wert von gerettem Schiff und Ladung bemaß.
Anschließend individuell auf die „Seefalke“
All das erzählt uns Hans Bayer und wir lauschen andächtig, während wir das Schiff näher anschauen. Wir sehen die riesige Winde, nehmen die mächtigen Trossen in die Hand und erklettern die Brücke. Das wird auch bei der „Schiffe kieken“-Tour möglich sein und rund 20 Minuten dauern. Um noch mehr Hintergrundwissen zu bekommen, schauen wir auf unserer Probetour aber auch das an, was es später erstmal nicht zu sehen gibt: das Schiffsinnere. Die Mannschaftskabinen sind vergleichbar angenehm ausgestattet, die Kombüse ausreichend groß für Zwei und die Messe mit drehbaren Ledersesseln (natürlich festgeschraubt) fast schon gemütlich. Aber keine Sorge: Nach der Tour „Schiffe kieken“ könnt ihr an Bord zurückkehren und ebenfalls unter Deck steigen. Das ist im Tourpreis inbegriffen.
Wenn ihr jetzt neugierig auf den spannenden Bergungsschlepper geworden seid: Das Deutsche Schifffahrtsmuseum bietet online ein Infoblatt an, dass ihr hier herunterladen könnt. Und wer ganz viel wissen will, kann sich den Audioguide anhören, den es hier gibt.
Schiffe säumen unseren Weg
Nach der Besichtigung der „Seefalke“ ziehen wir gemütlich über den Deich zum Neuen Hafen. Hans Bayer und seine Kolleg*innen tauschen sich aus, was man während dieser Zeit erzählen kann, zu sehen gibt es ja so viel. Noch am Alten Hafen ein Schiff mit Betonrumpf zum Beispiel. Auf der Weser dann die Arbeitsschiffe und im Neuen Hafen die Restaurantschiffe sowie die historischen Segler der „Schiffergilde“, die von den Frauen und Männern liebevoll gepflegt werden. Zielsicher steuert uns Hans Bayer aber zur „Wal“.
Exklusiv auf den Eisbrecher „Wal“
Ich liebe den Anblick des bulligen Schiffskörpers. Seine Aufgabe war es über lange Jahre, den Nord-Ostsee-Kanal eisfrei zu halten. Die ersten 15 Meter des Schiffes sind massiv verstärkt und war Eis zu brechen, so hat sich das Schiff auf die Eisfläche geschoben und es allein durch seine Gewichtsmasse zerkleinert. Der Name passt prima, finde ich.
Aber das ist noch nicht alles, was die „Wal“ so besonders macht. Denn das Schiff ist ein echtes Dampfschiff. 1938 in Stettin gebaut, ist eine Dreifach-Expansionsdampfmaschine mit 1200 PS mit Stephenson-Kulissensteuerung eingebaut. Woher ich das weiß? Habe ich hier nachgelesen. Denn so faszinierend die Technik auch ist (man könnte wohl Stunden unter Deck zubringen), bei der Führung „Schiffe kieken“ stehen andere Qualitäten im Vordergrund. Die Brücke zum Beispiel, in der es so viel zu sehen und zu erklären gibt.
Auch für den Dampf-Eisbrecher sind rund 20 Minuten für die Führung an Bord angesetzt. Das ist nicht viel, macht aber Lust auf mehr. Und wer das möchte, der bekommt es auch: auf Törns, die die „Wal“ rund ums Jahr unternimmt. Schaut einfach auf der Website nach den „Wal-Reisen“. Üblicherweise ist das Schiff übrigens nicht zu besuchen, denn die ehrenamtlichen Kümmerer können regelmäßige Öffnungszeiten nicht gewährleisten. Wenn ihr also an Bord wollt, dann nur im Rahmen von „Schiffe kieken“, bei einem Törn und einem unserer maritimen Feste.
„Schulschiff Deutschland“ bei „Schiffe kieken“
In echt geht die Führung „Schiffe kieken“ dann noch auf dem beeindruckenden Dreimaster „Schulschiff Deutschland“ weiter. Das Schiff ist als maritimes Denkmal zu erleben, das über und unter Deck ausreichend inspiziert werden kann. Doch da die Guides sich auf dem Segelschiff Kenntnis-sicher fühlen, verzichten wir im Rahmen der Probetour auf den Besuch. Wenn ihr mehr wissen wollte, dann lest gern den Blogbeitrag aus Oktober 2021 oder/und hört den dazugehörigen Podcast.
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