Happy Birthday Figurentheater!
Das Figurentheater in Bremerhaven von Ulrike Andersen wird 20 Jahre alt.
Figurentheater Bremerhaven? Gab´s da nicht schon mal einen Blogbeitrag? Ja, genau im Januar 2018 war Tanja Albert schon einmal bei Ulrike Andersen im Figurentheater Bremerhaven zu Besuch. Hier ist ihr Bericht. Heute kommt´s trotzdem nochmal auf den Tisch, denn 20 Jahre sind für dieses winzige Theater eine große Hausnummer.
Auf meinem Schreibtisch steht eine Einladungskarte. Sie hat ein DIN A6 Format und vorne ist das Logo vom Figurentheater Bremerhaven aufgedruckt. Aber ein bisschen was ist anders, denn der lustig grinsende Kopf trägt eine goldene Krone.
Seit zwanzig Jahren findet sich in der alten Fischpackhalle V im Fischereihafen das Figurentheater Bremerhaven von Ulrike Andersen. Sie zeigt Stücke für Kinder und für Erwachsene.Ihre Kinderstücke sind viel geliebt und oft gespielt – das Weihnachtsstück spielt sie tatsächlich jedes Jahr täglich vier Wochen am Stück.
Aber Figurentheater ist nicht nur Kinderspiel und leichte Unterhaltung.
Ulrike Andersen ist es ein großes Anliegen, Figurentheater als erwachsenes Theater zu präsentieren. Ihre Stücke für Erwachsene sind zauberhaft poetisch, tiefsinnig, zynisch, böse und skurril. Vor allem aber sind sie künstlerisch hoch ästhetisch und meisterhaft gespielt. Niemand denkt dabei an Kasperle und genau darum geht es Ulrike Andersen. Mit dieser ausgezeichneten Mischung gibt es das Figurentheater Bremerhaven nun tatsächlich schon 20 Jahre in Bremerhaven.
Es ist Geburstag, hurra!
Es ist Geburtstag, also wird gefeiert und ein Jubiläumsprogramm wartet. Es ist ein Geburtstag, also sind Gäste eingeladen und natürlich die Familie.
Familie Flöz ist in der Stadt und das zum allerersten Mal.
Die Familie heißt Flöz und reist aus Berlin an. Als Geschenk haben sie ihr zauberhaftes Stück „Teatro Delusio“ im Gepäck. Am 25. Februar 2019 spielten sie auf Einladung des Kulturamts Bremerhaven im Stadttheater unserer Stadt.
Familie Flöz – das, was nach Alte-Tanten-Besuch und staubigen Keksen klingt, ist in Wirklichkeit ein grandioses Maskenensemble aus Berlin. Mit ihren zauberhaft poetischen, meist nonverbalen Stücken touren sie durch 34 Länder und unzählige Städte – und heute endlich, Bremerhaven.
Teatro Delusio – und genau das sehen wir: Eine Hinterbühne und die drei Bühnenarbeiter Bob, Bernd und Ivan… im Schatten der Scheinwerfer, auf den Brettern hinter den Brettern, die die Welt bedeuten. Mit Licht und Illusion, grandiosen Kostümen und Musik werden wir entführt in die Flöz´sche Welt: eine Welt aus berührender Poesie, wahnwitziger Komik und liebevoll skurrilen Figuren.
Wir sehen Sehnsüchte, Ängste, Häme, Reue, Traurigkeit, Freude, Stolz, Liebe und Glück – ein Kaleidoskop menschlicher Emotionen, meisterhaft beobachtet und neu erzählt. Wir sehen 30 Figuren und den kompletten Trubel der Hinterbühne und ich kann es kaum fassen, dass da am Ende nur drei Männer stehen und sich verbeugen.
Maskentheater – und doch könnte ich schwören, dass gesprochen wurde, könnte ich Stein und Bein schwören, dass die Maskengesichter lebendig waren. Nach anderthalb Stunden erwache ich aus einem blitzrasanten, tief berührenden, wahnsinnig lustigen Theaterwirbel und finde mich mitten in einem Publikum wieder, welches im Parkett und auf den Rängen steht, klatscht und johlt und jubelt. Familie Flöz hat gezaubert.
Selten war Familienbesuch so kurzweilig, schade, dass es schon vorbei ist, hoffentlich kommen sie bald zurück.
Aber noch ist die Jubiläumswoche nicht vorbei:
Der Tyrann auf der Werkbank
Aus Belgien kommt das TOF THEATRE und bringen Dans l´Atelier mit.
Eine unfertige Figur nimmt ihr Schicksal in die eigenen Hände – aber sind es wirklich die eigenen? Der Kopf ist noch nicht fertig und wo sind eigentlich die Augen? Uns erwarten achtzehn Minuten existentieller Kampf einer starken Persönlichkeit mit den Elementen und den Bedingungen, die sie umgeben. Material, Bühne, Objekte, ja die Puppenspieler selbst müssen gemeistert und beherrscht werden, wenn nötig auch mit Gewalt.
Ein alltägliches Übel in der Zunft der Figurenspieler*innen oder alles eine Frage der Technik?
Ohne Blutvergießen, dafür mit umso mehr zerfetztem Polystyrol und Karton, ist das Stück ein wilder und urkomischer Kampf ums Überleben. Puppentheater? Viel eher ein Thriller mit Objekten für Erwachsene.
Das TOF THEATER spielt am Samstag, 2. März auf dem Jubiläumsempfang im Figurentheater und gibt darüber hinaus noch drei weitere Vorstellungen am Sonntag, 3. März.
Wann ist´s Zeit?
War es denn nun eigentlich wirklich der 2. März 1999 als Ulrike Andersen das Figurentheater eröffnete? Beim kulturellen Neujahrsempfang wird sie genau diese Frage auch von Kulturdezernent Michael Frost gefragt und sie antwortet: „Es gibt kein richtiges Datum für das Jubiläum, denn damals hätte ich nicht damit gerechnet, dass in zwanzig Jahren mal jemand danach fragt.“
Genau, denn alles was Ulrike Andersen vor zwanzig Jahren gesucht hat, was ein Raum zum Proben, ein Lager und eine kleine Werkstatt.
Aber wie wird man eigentlich Figurenspielerin?
Die Einladungen der Gastspiele sind nicht ganz zufällig, ist nämlich auch Ulrike Andersen vor schon über 30 Jahren über Kurse an der VHS zum Maskenspiel gekommen. Das Maskenspiel als eine besondere Form des Figurentheaters ist somit nicht nur der Anfang unserer Jubiläumswoche sondern auch der Beginn von Ulrike Andersens Figurenspiel-Leidenschaft. Von 1994 -1998 studiert Ulrike Andersen dann an der Hochschule für Musik und darstellendes Spiel in Stuttgart „Figurenspiel“.
Seitdem ist der Figurenbau und das -spiel aus ihrem Leben nicht mehr wegzudenken und so manch eine Figur hat sie schon – wie der aufmüpfige Emporkömmling des TOF THEATRE – in Atem gehalten.
Bei ihrer Rückkehr nach Bremerhaven 1998 sucht sie nun Räume und findet die alte Packhalle V. Die ehemalige Fischpackhalle wird nach und nach ein kleines Theater – in den alten Kontorräumen ist Platz für eine Wohnung. Auch die Werkstatt findet ihren Ort – eine Schmutzwerkstatt und ein Lager und eine Werkstatt für sauberes Arbeiten.
„In meinem Theater bin ich alles!“ sagt Ulrike Andersen einmal – sie baut Figuren und Bühnenbild, sie schreibt, inszeniert und entwickelt ihre eigenen Stücke, sie führt Regie und spielt natürlich selbst, reist auf Tour oder als Gastspielerin durchs Land, sie managed die Presse, die Öffentlichkeitsarbeit und die Finanzen, betreut die Kasse, kauft Getränke ein und räumt schließlich alles wieder auf.
So vergeht die Zeit, so ziehen zwanzig Jahre ins Land.
Jetzt gibts Sekt!
Der Jubiläumssamstag startet mit einem Empfang für geladene Gäste, langjährige Unterstützer*innen und Freund*innen.
Es wird Sekt geben und Lobesworte. Das TOF THEATER spielt Dans l´Atelier und zeigt damit einen kleinen Ausschnitt aus dem Alltag der Figurenspieler*innen. Außerdem wird das ganze Jubiläumswochenende von einer Ausstellung im benachbarten Fotostudio von Martina Buchholz begleitet. Dort haben sich allerhand Figuren aus dem Hause Andersen eingefunden und repräsentieren in Begleitung einer Fotoshow eindrücklich und ausdrücklich die Arbeit aus 20 Jahren Figurentheater.
Aber auch wer am Jubiläumswochenende keinen Platz mehr im kleinsten Theater der Stadt gefunden hat, sei geraten, einen Blick in den aktuellen Spielplan zu werfen. Dort finden sich in nächster Zeit sowohl Kinderstücke, als auch „unter.wasser – a farewell party“ – ein Stück für Erwachsene.
Ein bisschen Lob gab´s schon vorweg
Bevor am Montag die Familie Flöz im Stadttheater zu spielen begann, hat Kulturamtleiterin Dorothee Starke im Namen des Kulturamtes Bremerhaven das Publikum begrüßt und Ulrike Andersen für ihre Arbeit gedankt. Noch bevor das Stück begonnen hatte, dankt auch das Publikum des Stadttheaters mit einem riesigen Applaus Ulrike Andersen, die in der 1. Reihe auf dem Balkon steht. Ein bisschen gerührt und ziemlich stolz nimmt sie den Applaus vom großen Bruder mit nach Haus in ihr kleinstes Theater der Stadt.
Wir sagen Danke und gratulieren aufs Herzlichste!
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