Zugegeben, es liegt schon etwas verborgen. Ich hätte nicht vermutet, dass sich hier im Fischereihafen so ein Kleinod versteckt. Noch dazu in der ersten Etage eines früheren Fischbetriebs. Doch keine Sorge, nach Fisch riecht es hier schon lange nicht mehr. Stattdessen lässt sich im Figurentheater Bremerhaven ganz ungeniert Theaterluft schnuppern.
Das kleine Theater
Ulrike Andersen – die Chefin selbst – sitzt an einem kleinen, alten Tisch und kontrolliert die Theaterkarten. Heute wimmelt es nur so im Zuschauerraum, denn zwei Kindergärten sind zu Gast, um „Die kleine Raupe“ zu sehen. Für viele der 28 Kinder ist es der erste Theaterbesuch. Ulrike Andersen spricht die Kinder direkt an und erklärt ihnen, dass sie während des Theaterbesuchs leise sein und auf ihren Plätzen sitzen bleiben müssen. Für die kleinen Besucher ist das im Moment kein Problem, denn sie warten gespannt, was als nächstes geschieht.
Die Show beginnt
Das Licht im Zuschauerraum geht aus und die Spots gehen an. Die Bühne ist recht übersichtlich. Ein mit einem schwarzen Tuch abgedeckter Tisch, an dem rechts ein großes Blatt aus Stoff angebracht ist, eine Wäscheleine dahinter, drei Obstkisten links daneben und Ulrike Andersen. Das ist alles.
Und schon geht es los. Aus einem Ei schlüpft die kleine Raupe. Sie wird an zwei dünnen Stäben von Ulrike Andersen geführt. Sie ist es auch, die der Raupe ihre Stimme verleiht. Die immer hungrige Raupe frisst sich durch mehrere Obstsorten und wächst und wächst. Die Figurenspielerin tauscht so geschickt die kleine Raupe gegen eine größere aus, dass der Wechsel kaum sichtbar wird. Die Kinder und auch die begleitenden Erwachsenen sind fasziniert und muksmäuschen still. Am Ende des 45-minütigen Stücks – länger sollte eine Aufführung für Kinder nicht dauern – verwandelt sich die Raupe in einen wunderschönen Schmetterling und flattert davon. Auch die kleinen und großen Besucher ziehen mit viel Geraschel und Gewusel ihre Jacken an und verlassen das Theater. Doch vorher wird noch der Spielplan eingesteckt, denn alle sind begeistert und wollen wiederkommen.
Unter ihren Händen entstehen kleine Wesen
Ich darf jetzt mit der Frau, die die Figuren entwirft, erschafft, kleidet und ihnen Leben einhaucht, die Werkstätten besuchen. Die sind praktischerweise gleich neben der Bühne. Das ist auch erforderlich, denn zwischen zwei Aufführungen liegen manchmal nur eineinviertel Stunden, und in dieser Zeit müssen die Requisiten wieder repariert und vervollständigt werden. Bei dem Stück der kleinen Raupe sind das beispielsweise das Ei, aus dem sie schlüpft, und Obst, Käse und Kuchen, durch das sie sich frisst.
Figuren vergangener Stücke
Im ersten Raum warten neben unzähligen Kartons mit Stoffen und Materialien auch einige „Schauspieler“. Hier sind Faden- und tschechische Stabmarionetten, kleine Puppen und Masken untergebracht. Alles Akteure vergangener Aufführungen, die hier ihr zu Hause haben. Hier herrscht eine besondere Stimmung, denn ich habe das Gefühl, dass die Figuren alle darauf warten, ihre Geschichte zu erzählen. Ich erwarte fast, dass sie zum Leben erwachen und anfangen zu spielen.
Die Werkstätten
Der nächste Raum ist die erste Werkstatt, die „saubere“. Hier werden Figurenkörper und Kostüme genäht. Eine Tür weiter, steht eine große Werkbank mit verschiedenstem Werkzeug darauf und drum herum. Ulrike Andresen gießt oder modelliert hier die Köpfe, Hände und Füße der Figuren und bohrt, hämmert und feilt dafür auch eifrig. Das macht neugierig, und ich würde am liebsten am Entstehen einer Figur mitwirken.
Gemeinsam wird ein neues Stück erschaffen
Je nach Stück dauert die Herstellung der Figuren etwa vier Wochen. Auch die Erarbeitung von Regie und Musik nimmt noch mal einige Zeit in Anspruch. Ulrike Andersen kann neben jahrelanger Erfahrung auf die erprobte Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, Regisseuren, Musikern und Tänzern zurückgreifen. Aber neben all der Ideenentwicklung, Konzeption, Umsetzung ist auch noch viel Planung notwendig. Spielpläne müssen erstellt, die Homepage www.figurentheater-bremerhaven.de aktualisiert, die Vorverkaufsstellen mit Material beliefert werden und und und. Die One-Woman-Show Ulrike Andersen wird hierbei von ihrem Mann unterstützt. Aber auch so ist noch viel Arbeit vorhanden.
Der Spielplan 2018
2018 können sich die kleinen Gäste auf „Frida und das Wut“ und „Die Elfe und das Sonnenei“ freuen. Doch wer vermutet, dass es sich hier um ein Figurentheater nur für Kinder handelt, hat sich getäuscht. Für die Erwachsenen steht „Die Kartoffelkomödie“ im Programm. Doch damit nicht genug! Die Figurenspielerin belässt es nicht nur bei der einfachen Aufführung. Bei der „Kartoffelkomödie“ lädt sie die Besucher hinterher ein, gemeinsam Pellkartoffeln zu genießen.
Ich komme wieder
Wer im Figurentheater Bremerhaven einmal ein Stück gesehen hat, wird sicher genauso begeistert sein wie ich! Auch wenn der Zuschauerraum klein und die Bühne spartanisch wirken, merkt man bei allem, was hier geschieht, die Leidenschaft und das Können Ulrike Andersens.
Wer ist die Mutter der Figuren?
Die gebürtige Bremerin studierte Figurentheater an der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Vor fast 20 Jahren – Ende 1998 öffnete das Figurentheater Bremerhaven dann im Fischereihafen, An der Packhalle V, Abteilung 10, seine Tore und spielt sich seitdem in die Herzen der kleinen und großen Besucher.
Und ob all das noch nicht genug wäre, ist das Figurentheater auch noch als Tourneebühne im In- und Ausland unterwegs.
Doris Neumann
Liebe Tanja Albert,
…. wieder ein toller Artikel.
Mit deinem handwerklichen Geschick, kann ich mir eine Beteiligung an neuen Figuren sehr gut vorstellen.
Ich habe das Theater bereits mehrmals besucht und kann es wirklich weiter empfehlen. Ich freue mich schon auf einen nächsten Besuch mit einem meiner Enkelkinder. LG Nm
Tanja Albert
Liebe Doris Neumann,
danke für die lieben Worte und das Lob! Es stimmt, in der Werkstatt konnte ich mich kaum zurückhalten und hätte gern am liebsten gleich selbst mit Hand angelegt bei solch einer erfahrenen Künstlerin. Und auch ich bin von den Aufführungen für Kinder und Erwachsene begeistert. Wer weiß, vielleicht laufen wir uns dort ja mal über den Weg.
Bis dahin viele Grüße
Tanja Albert