„Liebe oder Last?! Baustelle Denkmal“, so heißt die preisgekrönte Wanderausstellung, die bis zum 1. April 2024 im Historischen Museum Bremerhaven zu sehen ist. Entwickelt wurde sie von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD).
Das Schöne an meinem Job ist, dass ich jeden Tag etwas Neues lernen kann. Oder, besser gesagt, etwas Altes, wie mein Museumsdirektor gerne augenzwinkernd korrigiert. Schließlich sind wir ja ein „historisches“ Museum. In unserer aktuellen Wanderausstellung gilt irgendwie beides: Es gibt viel Neues über reichlich Altes zu entdecken. Es geht um Denkmalschutz. Ein Reizthema, das polarisiert, wie kaum ein anderes.
Denkmale sind Zeugen der Geschichte, zeigen wissenschaftliche Errungenschaften und künstlerische Leistung auf.“

Denkmal, die Ausstellung stiftet an
Doch warum halten wir nicht alle Denkmalschutz für wichtig? Die Ausstellung stiftet Euch an, dieser Fragen nachzugehen. Die mit mehreren Design-Awards ausgezeichnete Installation hat sechs Stationen und trägt den Namen: „Liebe oder Last?!“ im Titel – ein Gegensatzpaar, das sofort Neugierde weckt. In jeder der sechs Stationen finden sich Gegensätze. Sie bestehen aus echten Baugerüsten, die blau lackiert wurden und bestimmte Bauten, wie ein Tor, eine Kirche oder einen Turm symbolisieren. Durch die Konstruktionsform öffnet sich wie intuitiv das Verständnis dafür, dass Denkmale Baustellen sind und immer bleiben werden. Zur leichteren Orientierung gibt es einen Audioguide. Einmal aufs Mobiltelefon geladen kann es sofort losgehen. Alles weitere erklärt sich selbst. Die Stiftung Deutscher Denkmalschutz bietet aber auch regelmäßig kostenlose Führungen an, die durch Ortskurator*innen aus Bremen und Cuxhaven durchgeführt werden.

Auge in Auge mit dem Holzbock
Welche Schädlinge und Außeneinflüsse gefährden ein Denkmal eigentlich? Und wie schädlich ist der Mensch, der Denkmale durch Kriege, wirtschaftliche Entscheidungen und Neugestaltung zerstört? An der zweiten Station erfahre ich, dass das Lübecker Holstentor und die Ruine der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin um Haaresbreite der Stadtplanung zum Opfer gefallen wären. Beim Holstentor konnte der Abriss gar nur mit einer einzigen Stimme Mehrheit verhindert werden – kaum zu glauben, oder? Andere Bauwerke, wie die Dresdner Sophienkirche, hatten leider nicht so viel Glück. Sie fielen der Planwirtschaft des Arbeiter- und Bauernstaates zum Opfer. Die Form der Darreichung von Informationen wechselt ständig. Dadurch bleibt es spannend. Mal gibt es eine besondere Art der Präsentation, mal werden Aktionen eingefordert. Hier schaue ich einem Holzbock ins Auge, dort habe ich das fragwürdige Vergnügen Denkmale sprengen zu dürfen. Mit Erfolg – es bleibt etwas hängen.
Denkmal und Schutz – es ist kompliziert
Wie müssen Denkmale eigentlich handwerklich gepflegt werden, um ihre Grundsubstanz erhalten zu können? Welche Werkzeuge werden dafür gebraucht? Denkmale sind Spurenträger sind und gehe direkt mit einer Lupe auf Spurensuche – tolle Idee. Das „Mitmach-Gen“ wird angesprochen und begeistert bestimmt nicht nur Kinder oder Jugendliche. Jetzt erfahre ich auch endlich, wie ein Denkmal eigentlich zu einem Denkmal wird. Sage und schreibe, sechzehn Gesetze für sechzehn Bundesländer gibt es dazu und nur drei davon gelten länderübergreifend, der Rest ist Föderalismus pur. Denkmalschutz ist Kulturhoheit der Bundesländer. Verrückt – ganz schön viele Bäume im Paragrafenwald, denke ich mir.

Denkmal: Zeuge der Geschichte
Das Feld ist schwierig. Vermutlich würde wohl niemand auf die Idee kommen, Michelangelos Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle zu übermalen. Aber gilt das Gleiche auch für das älteste erhaltene Graffiti an einem Reststück der Berliner Mauer? Hier gibt es Antworten: Denkmale müssen nicht alt und auch nicht zwingend Bauwerke sein, lese ich. Auch, dass der Eigentümer und nicht etwa die öffentliche Hand dafür aufkommen muss, um sie zu erhalten – auch wenn es natürlich Fördermöglichkeiten gibt. Mit 700.000 Denkmalen ist Deutschland auch nicht Spitzenreiter im internationalen Vergleich, wie ich immer dachte. Das sind gerade drei Prozent des Gesamtgebäudebestandes des ganzen Landes. Nach Meinungen vieler Expert*innen gibt es in Deutschland etwa zehnmal so viel erhaltenswerte Substanz. Denkmale sind Zeugen der Geschichte, zeigen wissenschaftliche Errungenschaften und künstlerische Leistung auf. Der Satz sagt eigentlich alles aus.

Zeitkapseln des eigenen Lebens
Mit Schiebereglern kann ich nun an imposanten Denkmalen wie der Porta Nigra oder dem Aachener Dom Zeitsprünge machen. Erstaunlich, wie sehr sich die Bauwerke über viele Jahrhunderte hinweg verändert haben und wie viel Glück wir hatten, dass sie bis heute überlebt haben. Ich denke an Denkmale hier in Bremerhaven, die wir verloren haben und merke, dass mich das traurig macht – Liebeskummer? Vielleicht – an der Hafenbrücke haben wir als Kinder gerne geangelt. An der Geestemole mit Mädchen getroffen und auf der „Seute Deern“ habe ich sogar geheiratet. Ich vermisse diese Orte, jetzt, wo sie nicht mehr da sind. Ich fange an, im Kopf eine Liste zu erstellen, wo ich überall noch hin möchte. In Köln, Rouen und Nantes war ich schon, Salisbury auch. Notre-Dame de Paris habe ich verpasst. 2024 soll sie wiedereröffnet werden. Aachen und Trier stehen neu auf der Liste. Ich glaube, ich brauche Urlaub!
Lieblingsdenkmal oder echte Liebe?
Jetzt soll ich zwölf verschiedene Denkmale aus unserer Region in bestimmte Kategorien einordnen. Einzigartig, spannend, oder vertraut? Welche sind für mich Lieblingsdenkmale oder unwichtig? Der Leuchtturm Roter Sand steht schon auf dem Feld Lieblingsdenkmal. Das Schulschiff Deutschland gleich daneben. Unwichtig finde ich keines. Auf einem Aussichtsturm schaue ich durch ein Fernrohr und sehe berühmte Städte -allerdings ihre Denkmale. Es ist erstaunlich. Ich erkenne keine einzige auf Anhieb. Durch den Einwurf von zwei Euro (Spende) tauchen die Denkmale wieder auf. Sofort erkenne ich Lübeck, Hamburg, München, Dresden. Denkmalschutz kostet Geld – bringt aber auch etwas. Für mich ist das okay. Für mich ist Denkmal Liebe.

Warum Denkmalschutz ins Museum?
Warum eigentlich eine Ausstellung zum Denkmalschutz im Museum? Das klingt doch irgendwie „doppelt gemoppelt“, oder nicht? Ein Museum ist doch randvoll mit Denkmalen. Trotzdem ist es eine tolle Idee, denn das Historische Museum ist gemeinsam mit der unteren Denkmalschutzbehörde seit Längerem darum bemüht, Besucher*innen Kenntnisse in Architektur und Stadtplanung zu vermitteln. Wenn das gelingt, können Menschen Geschichte auch im Stadtbild erkennen und lesen. Aus dem gleichen Grund bietet das Historischen Museum im Rahmen von Ausstellungen immer wieder Rundgänge und Fahrradtouren an. Geschichte wird eben immer dann lebendig, wenn wir sie am Ort ihres Geschehens erzählen können.
Text: Marco Butzkus
[bre_box title=“Wer ist die Deutsche Stiftung Denkmalschutz?“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ title_color=“#FFFFFF“ radius=“5″ id=“StiftungDenkmalschutz“]Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist die größte private Initiative für Denkmalschutz in Deutschland. Sie setzt sich kreativ, fachlich fundiert und unabhängig für den Erhalt bedrohter Denkmale ein. Ihre vielfältigen Aktivitäten reichen von pädagogischen Schul- und Jugendprogrammen bis hin zu bundesweiten Aktionstagen wie dem „Tag des offenen Denkmals ®“. Insgesamt konnte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dank der aktiven Mithilfe von über 200.000 Förderern bereits rund 6.500 Denkmale mit mehr als einer halben Milliarde Euro in ganz Deutschland unterstützen. Sie finanziert ihre Arbeit vor allem durch private Zuwendungen und Spenden. [/bre_box]