Heute Morgen klingelt mein Wecker eine Stunde früher als gewöhnlich. Ich versuche mich leise ins Bad zu schleichen, aber vergeblich: „Mama, was machst Du? Es ist mitten in der Nacht!“ Meine Tochter ist wach geworden und versteht die Welt nicht mehr. Ich erinnere sie daran, dass ich ihr gestern erzählt habe, dass ich heute viel früher als sonst im Zoo sein muss, weil ich beim Frühstück der Eisbären dabei sein darf. Mein Herz hüpft – vor Freude und natürlich auch vor Aufregung.
Zubereitung des Frühstücks in der Küche
Als ich – ohne Frühstück, aber nach einem leckeren heißen Kaffee – wenig später in der Futterküche eintreffe, bereiten unsere Tierpflegenden Larissa und Thomas gerade das Frühstück für die Eisbären vor. Statt Brötchen oder Porridge, das für gewöhnlich mein Frühstück ist, gibt es besonders fettes Rindfleisch und Fisch. Mmh lecker! Larissa streut zwei helle Pulver über das Fleisch und den Fisch. Zuerst Futterkalk. Fleischfresserkalk bekommen alle Fleischfresser im Zoo. Wer von euch ein Haustier hat – egal ob Katze, Hund oder Huhn – kennt Futterkalk sicherlich, da es in der herkömmlichen Tiernahrung ebenfalls enthalten ist. Das enthaltene Calcium spielt in der Ernährung eine sehr wichtige Rolle. Es ist beispielsweise essenziell für stabile Knochen und Zähne und spielt bei vielen Stoffwechselvorgängen eine wichtige Rolle. In der Wildbahn fressen Eisbären fast ausschließlich Robben. Deren Mineral- und Nährstoffzusammensetzung unterscheidet sich natürlich von unserem Futter, so dass Larissa noch ein weiteres Pulver über das Fleisch und den Fisch streut: Polar Bears Supplement. Ein Zusatzfutter, das speziell für Eisbären entwickelt wurde, und ebenfalls Mineralien und viele wichtige Vitamine (vor allem Vitamin A und Vitamin E) enthält.
Frühstück fertig! Alle Eisbären bitte an den Frühstückstisch!
Weil es bei uns zu Hause immer eine Weile gedauert hat, bis alle Familienmitglieder endlich am Tisch saßen, habe wir irgendwann den Essensgong eingeführt. So gut wie der bei uns zu Hause funktioniert, so gut funktioniert das Geräusch des sich öffnenden Schiebers bei unseren drei Eisbären. Kaum hat Thomas den Schieber geöffnet, stürmen alle drei Eisbären die Treppe von der Außenanlage hinunter in den Stall. Alle sind aufgeregt. Die Eisbären, weil es gleich etwas Leckeres zum Frühstück gibt, Thomas und Larissa, weil sie nun zunächst Elsa markieren müssen und dann die Eisbären getrennt in ihren Boxen füttern wollen. Und ich, weil es ein unglaubliches Erlebnis ist, diese beeindruckenden, riesengroßen, einmaligen und wunderschönen Tiere so hautnah – nur durch eine Gitterwand getrennt – zu erleben.
Die richtigen Manieren beim Frühstück
Wie man sich am Tisch benimmt, müssen früher oder später alle Kinder lernen. So auch Elsa. Sie musste schmerzlich erfahren, dass sie ihrer Mutter nichts wegfressen darf. Valeska ist nicht mehr bereit, ihr Futter mit ihr zu teilen. Ein erster Schritt des Abnabelungsprozesses. Elsa war schon immer etwas eigenständiger als Anna, die weiterhin noch gerne von Valeska bemuttert wird. In der Regel bleiben Eisbärenjungtiere 2 bis 2,5 Jahre bei ihrer Mutter. Dann vermittelt die Mutter ihnen deutlich, dass es nun Zeit ist, eigene Wege zu gehen. Dass unser Trio im Zoo am Meer noch so harmonisch zusammenlebt, obwohl die Zwillinge bereits 3 Jahre alt sind, liegt zum einen daran, dass unser Männchen Lloyd kürzlich nach Karlsruhe umgezogen ist und Valeska daher kein Drang zur erneuten Paarung hat. Zum anderen haben sich die Zwillinge von Geburt an viel mit sich selbst beschäftigt und ihrer Mutter Valeska genügend Auszeiten vom fordernden Mutterdasein gelassen.
Jede Eisbärin hat ihren festen Platz
Während unser Eisbären-Trio also früher immer gemeinsam gefüttert wurde, bekommen sie nun ihr Frühstück in getrennten Boxen des Stalls. Das müssen die Eisbären aber natürlich erst einmal lernen. Anna wird von Thomas in der ersten Box gefüttert, Elsa in der mittleren Box und Valeska bekommt ihr Frühstück von Larissa in der äußersten Box. Die Schieber zwischen den Boxen bleiben zurzeit noch offen, so dass die Eisbären sich frei bewegen können. Ziel ist es nach einer weiteren Trainingszeit die Schieber zu schließen, damit alle Tiere in Ruhe fressen können. Während Valeska sich gleich entspannt auf ihren festen Platz legt und ihr Frühstück genießt, laufen Anna und Elsa immer wieder durcheinander. So sind Kinder eben…
Wie werden die Zwillinge auseinandergehalten?
Da es nicht so einfach ist, Anna und Elsa während der Fütterung auseinanderzuhalten, die Eisbären aber wirklich nur an ihrem festen Platz ihr Frühstück bekommen sollen, markiert Larissa Elsa mit Hilfe einer blauen Sprühdose (Blauspray) am Ohr. Larissa klärt mich auf, dass Elsa im Vergleich zu Anna einen schmaleren Kopf hat. Um die beiden zu unterscheiden, muss sie aber wirklich sehr genau hinsehen. Damit sie nicht jedes Mal neu überlegen muss, hilft ihr die blaue Markierung am Ohr.
Welch „süßer“ Frühstücks-Duft!
Ich hocke mit ausreichendem Sicherheitsabstand hinter Larissa auf dem Boden, beobachte die Fütterung und sauge alle Eindrücke in mir auf. Ich gehöre zu den wenigen glücklichen Menschen, die diese wundervollen Tiere jeden Tag sehen können. Das ist etwas Besonderes. Aber dieses Erlebnis – das Frühstück mit unseren drei Eisbären – das ist noch einmal etwas ganz Anderes. Ohne Glasscheibe, die mich normalerweise auf der Außenanlage von den Eisbären trennt, kann ich das Schmatzen der Bären und sogar ihren Atem hören. Ich denke, ich kann den Atem sogar auch fühlen, obwohl mein sicherer Abstand zum Gitter riesig ist.
Die Eisbären recken ihre Nasen in die Luft, schnuppern nach ihrem Frühstück und wittern natürlich auch mich. Meinen fremden Geruch haben sie selbstverständlich sofort gemerkt. Eisbären haben die beste Nase aller Säugetiere und können bis zu 30 Kilometer weit riechen. In der kargen Arktis ist das überlebenswichtig, um einen gestrandeten Walkadaver oder eine Robbe unterm Eis zu orten.
Die Eisbären fressen den Tierpflegenden aus der Hand
Anna schaut mir direkt in die Augen, und ich kann ihre Neugier regelrecht spüren. Wie beeindruckend das ist, dass diese Bärin, die vor kurzer Zeit noch so ein kleines niedliches Fellbündel war, nun schon zu so einem anmutigen und gefährlichen Raubtier herangewachsen ist. Wahnsinn, mit welcher Ruhe und Vorsichtigkeit sie und auch Elsa und Valeska unseren beiden Tierpflegenden im wahrsten Sinne des Wortes „aus der Hand fressen“. Die Fütterung aus der Hand ermöglicht es Larissa und Thomas ihren täglichen Gesundheitscheck bei den Tieren durchzuführen. Das Ziel ist es außerdem, dass zukünftig mit allen drei Tieren ein medizinisches Training durchgeführt werden kann, so wie wir es mit Lloyd gemacht haben. Wie das geht und warum das medizinische Training so wichtig ist, hat euch Nicole bereits im Blogbeitrag „Training für lernwillige Eisbären“ berichtet.
Das tollste Frühstück der Welt
Als wir nach dem Frühstück den Stall gemeinsam verlassen sagt Thomas – wie so oft: „Es sind die tollsten Bären der Welt.“ Ich muss sagen, dass ich dem nichts hinzuzufügen habe. Ich bin sehr dankbar für mein heutiges Erlebnis! Und jetzt freue ich mich sehr auf mein eigenes Frühstück.