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Franziska Holstein. Kunst entsteht durch Farbe

Farben über Farben. Schicht um Schicht. Ein Reichtum an Möglichkeiten auf Papier. Die Malerin Franziska Holstein stellt ihre Papierarbeiten in der Bremerhavener Kunsthalle noch bis […]

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12. Sep. 2019
4 min Lesezeit
Blick auf die Aufstellungswand der Kunsthalle Bremerhaven

Farben über Farben. Schicht um Schicht. Ein Reichtum an Möglichkeiten auf Papier. Die Malerin Franziska Holstein stellt ihre Papierarbeiten in der Bremerhavener Kunsthalle noch bis zum 3. November 2019 aus. Die Arbeiten der gebürtigen Leipzigerin und ehemaligen Meisterschülerin von Neo Rauch sind farbig, intensiv und teilweise seriell. Auf ein Stück Papier trägt die Künstlerin solange verschiedene Farbvarianten auf, bis es von Bild-Schichten überlagert und nicht mehr sichtbar ist. Jedes Blatt erzählt von seiner ganz eigenen Geschichte.

Das Sehen von Farbe

Ich schaue ein Bild an und sehe eigentlich Hunderte. Eine fantastische Vorstellung nicht wahr?! Bei Franziska Holstein ist es Bild-Realität. Unter jedem ihrer Arbeiten verbergen sich viele andere Möglichkeiten eines Bildes. Hinter jeder Farbschicht schlummert eine andere Farb-Geschichte, die nicht mehr laut erzählt werden kann. Die nur noch, wenn sie Glück hat, am Rande des Bildes durscheint und flüstert. In vielen Arbeiten gewährt die Künstlerin dennoch einen kleinen Blick ins Vergangene, ins Dahinterliegende. Aber nur soviel wie sie möchte. Manchmal sind es ihre Fingerspuren oder auch die Abdrücke von Malhilfsmitteln. Allerdings hinterlässt jede Schicht, egal wie tief sie verborgen ist, auf der letzten Farb-Schicht ihre Spuren, weil die Geschichte das immer macht.

Bildausschnitt: Franziska Holstein, o.T. (24), 17 Arbeiten aus der Serie, Acryl auf Papier, 2019.
Jede aufgetragene Schicht erzählt seine eigene Geschichte, stellt ein Prozess dar und drückt ein Gefühl aus. Unter anderem die Entscheidung der Künstlerin, dass diese Farbvariante nicht die Endgültige ist. (c) Kim Rothe

Diesen Prozess vollführt die Künstlerin nicht nur auf der sichtbaren Vorderseite, sondern auch auf der Rückseite ihrer Arbeiten. Schicht um Schicht wird Acrylfarbe aufgetragen, bis die Entscheidung getroffen ist, dass diese Arbeit bleibt. Für mich erscheinen die Acrylbilder von Franziska Holstein dadurch noch persönlicher. Die Rückseite erfährt dieselbe Intensität wie die sichtbare Seite und wird dadurch ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit. Beiden Seiten des Blattes sind untrennbar mitten einander verbunden, es gibt keine Kehrseite. Und das ist mal ein gutes Gefühl.

Bildausschnitt: Franziska Holstein, o.T. (24), 17 Arbeiten der Serie, Acryl auf Papier, 2019.
Nur die Künstlerin kennt das Verborgene, sie hat es geschaffen und als einzige gesehen. Uns dem Betrachter, lässt sie das Dahinter nur erahnen oder spüren. (c) Kim Rothe

Die Serie von Farben

Die Farb-Wand vor der ich stehe ist gigantisch und nimmt mein ganzes Blickfeld ein. Sie ist ca. 10m lang und 4,50m hoch und besteht aus 102 gerahmten Einzelwerken. Es ist beeindruckend was die Fülle an Farbe bewirkt. Jeder weiß, dass FarbenGefühle hervorrufen und beeinflussen können. Aber bei dieser Farb-Gewalt weiß ich nicht, was ich fühlen kann oder soll. Ich bin vollkommen überrumpelt, weil ich die Dimension und die Vielfalt nicht erwartet habe. Die Vielfalt an Farben! Tatsächlich habe ich mich gewundert, wie viele Farben es doch gibt und wie sie im Einklang miteinander stehen können: schwarz neben pink, pink wird zu braun, braun wird zu orange und später zu gelb. Auch wenn die Arbeiten von Franziska Holstein die allgemeine Farbenlehre neu zu interpretieren scheint, sind sie stimmig und frage ich mich nach der Unendlichkeit von Farbe. Und nebenbei halte ich unwillkürlich Ausblick auf meine Lieblings-Farb-Variante.

Ausschnitt: Franziska Holstein, o.T. (108), 102 Arbeiten der Serie, Acryl auf Papier, 2019.
(c) Kim Rothe

Wenn Franziska Holstein an diesen großen Serien arbeitet, dann arbeitet sie an mehreren Bildern gleichzeitig. Sie bewegt sich von einem Bild zum anderen. So auch für die Serie in der Kunsthalle Bremerhaven. Dabei hängen sie nicht nur in einer Serie oder in einer Gruppe, sondern sie folgen einem System. Jede Bildgeschichte muss im Einklang zu dem benachbarten, darüber- oder darunter hängenden Bild sein. Eine fortlaufende Geschichte, die einen bestimmten Tonus verfolgt.

Das Fühlen von Farbe

Ich tat mich schwer. Ich tat mich wirklich schwer, die Bilder von Franziska Holstein nicht zu berühren. So gerne würde ich ganz vorsichtig über die Bildoberfläche streichen. Über die Überlagerungen, die Auswölbungen, ihre Fingerabdrücke. Ich konnte natürlich standhalten. Nur musste ich mit meiner Kamera von diesen unterschiedlichen Oberflächen unzählige Nahaufnahmen machen, um zumindest diese Eindrücke nicht zu vergessen.

Bildausschnitt: Franziska Holstein, o.T. (24), 17 Arbeiten der Serie, Acryl auf Papier, 2019.
(c) Kim Rothe

Über das Gefühl von Schwere konnte ich allerdings nicht so leicht hinwegkommen. Die Acrylfarb-Schichten sind so massiv, dass man sie nicht nur sehen, sondern auch förmlich fühlen kann. Die Tragweite der Farb-Geschichten hat ihr Gewicht.

[bre_note] 8. September bis 3. November 2019
Franziska Holstein in der Kunsthalle Bremerhaven
Öffnungszeiten und mehr unter: www.kunsthalle-bremerhaven.de [/bre_note]

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Kim Rothe

Assistentin der Geschäftsführung, Hotels Adena und Amaris.

Ohne das leise Poltern des Hafens fühle ich mich nicht heimisch. Meistens sind es die Kleinigkeiten, die eine Stadt und das Leben in ihr ausmachen.

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