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Eine 45-minütige Kunstpause

Es ist Mittwoch, kurz vor vier. Ich habe Feierabend und brauche dringend eine Pause von meinem beruflichen Alltag, eine Kunstpause. Das Kunstmuseum Bremerhaven führt seine […]

Eine Frau hält sich ihren Rollkragen vor das halbe Gesicht und blickt in die Kamera.
23. Aug. 2018
4 min Lesezeit
Dunkle Klinkerfassade mit sechs großen Fensterscheiben, auf denen in roten, riesigen Buchstaben steht: KUNST mehr nicht.

Es ist Mittwoch, kurz vor vier. Ich habe Feierabend und brauche dringend eine Pause von meinem beruflichen Alltag, eine Kunstpause. Das Kunstmuseum Bremerhaven führt seine Besucher jeden Mittwoch um 16 Uhr kostenfrei durch seine aktuelle Dauerausstellung. Und heute auch mich. Jede Führung steht unter einem bestimmten Motto, widmet sich einem Themengebiet oder geht einer Fragestellung nach. Es werden dabei einzelne Werke hervorgehoben, betrachtet und besprochen. Die Mitarbeiter wechseln in zeitlichen Abständen und somit erhält der Besucher nicht nur einen Überblick der Sammlung, sondern erfährt auch viele Details hinter den Arbeiten.

Meine Pause beginnt

Der Treffpunkt ist im Foyer des Kunstmuseums. Wir sind heute eine kleine Gruppe von vier Teilnehmern. Was überhaupt nicht schlimm ist, da in solchen Runden oft die ehrlichsten Fragen auf den Tisch kommen und somit ein reger Austausch stattfinden kann.

Die heutige Führung widmet sich dem Thema „Auf den zweiten Blick“ und wird von der Mitarbeiterin Susanne Schwieger vorgestellt. Der Grund für den Titel ist so simpel wie naheliegend. Wer ist nicht schon einmal zügig an einem Kunstwerk vorbeigelaufen, weil sich nicht sofort der „Sinn“ der Arbeit offenbarte. Frau Schwieger wird uns in den nächsten 45 Minuten beweisen, dass gerade solche Arbeiten über einen spannenden Hintergrund verfügen. Und dass es auch dieser „Un-Sinn“ ist, der die Kunst lebendig macht. Meine Neugier ist geweckt.

Frau Schwieger führt unsere kleine Gruppe in das 3. Obergeschoss des Kunstmuseums und bleibt vor zwei nebeneinander liegenden Farbflächen stehen.

Mehr als nur zwei nebeneinander liegende Farbflächen?! (c) Kim Rothe

Der erste Blick: Industriespanplatten liegen auf dem grauen Betonboden des Museums, die in zwei unterschiedlichen Farben lackiert wurden. Die eine Fläche ist Blau, die andere Rosa. Der Farbauftrag ist auffällig sauber und glatt. Der zweite Blick: Beim Verweilen vor dem Werk und dessen genaueren Betrachtung, bemerke ich, dass sich meine Sicht verändert hat. In den glatten Oberflächen spiegelt sich ein Raum wider, den ich vorher anders wahrgenommen habe.

Der Ausstellungsraum spiegelt sich in dem Werk von Adrian Schiess aus dem Jahr 1977 wider. (c) Kim Rothe

Der Betrachter erblickt die Decke der Ausstellung, die umliegenden Wände, die benachbarten Kunstwerke und auch die anderen Besucher, die sich in dem Raum bewegen. Wenn auch verschwommen und farblich akzentuiert. Ich habe das Gefühl, dass ich in eine Art Fenster schaue und sich mir dadurch ein neuer Raum erschließt. In der Gruppe entsteht eine rege Diskussion über die veränderte Wahrnehmung, die kunstgeschichtliche Einordnung des Werkes und über die Idee, „Bilder“ auf den Boden zu legen.

In diesem Moment wird uns allen klar, weshalb Frau Schwieger für ihre Führung den Titel „Auf den zweiten Blick“ wählte. Auf den zweiten Blick lässt sich in einem Werk vielmehr erkennen als zunächst gedacht. Durch die Neugier auf eine andere Betrachtungsweise wird ein Kunstwerk erst lebendig.

Und dann steht da noch eine Toilette in der Ausstellung. Der Besucher erkennt sie nicht sofort, da sie in einen konstruierten Raum integriert ist.

Gregor Schneiders „Toilette“. Ein kurzer Blick durch den Türspalt. (c) Kim Rothe

Wir erfahren, dass es sich um die Toilette des Kabinetts für aktuelle Kunst handelt. Nein, sie ist keine exakte Nachbildung. Sie ist es tatsächlich. Sie wurde von dem Künstler Gregor Schneider vor einigen Jahren dort abgebaut. Mit allen Details. Die Titelbeschreibung an der gegenüberliegenden Wand des „Stillen Örtchens“ erklärt diesen Umstand nicht, aber Frau Schwieger.

Ich werde nicht erzählen, welche Idee der Künstler damit verfolgte, welche Gründe er dafür hatte und wie diese Toilette mit vollständigem! Innenraum in diese Ausstellung gelangt ist. Wie ein einfaches Klo aus einem kleinen Kunstraum berühmt und zu einem Kunstwerk wird, kann nur jemand erzählen, der dabei war. Diese wunderbar unterhaltsamen Geschichten können nur die Mitarbeiter des Kunstmuseums wissen und die freuen sich, euch diese zu erzählen.

 

[bre_box title=“Auf einen Blick: Die Kunstpause im Kunstmuseum Bremerhaven“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ radius=“5″]Wann: Mittwochs um 16 Uhr

Wo: Treffpunkt im Foyer des Kunstmuseum Bremerhaven

Themen: Susanne Schwieger – „Auf den zweiten Blick“

Nora Schwabe – „Landschaftsmalerei“

Rainer Steinmetz – „Zwischen Objekt und Bild“

Lisa Thiele – „Überall nur Kunst“

Dr. Kai Kähler – „Schwarz, Weiß, Tor“

Mehr: www.kunstverein-bremerhaven.de [/bre_box]

Eine Frau hält sich ihren Rollkragen vor das halbe Gesicht und blickt in die Kamera.
Kim Rothe

Assistentin der Geschäftsführung, Hotels Adena und Amaris.

Ohne das leise Poltern des Hafens fühle ich mich nicht heimisch. Meistens sind es die Kleinigkeiten, die eine Stadt und das Leben in ihr ausmachen.

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