Gut bekannt ist mittlerweile das Format des Poetry Slams. Ganz ähnlich und doch ganz anders kommt ein Diary Slam daher. Denn, wenn beim Poetry Slam die Werke, Gedanken und Gedichte oft frisch aufs Papier geflossen sind, stellt der Diary Slam Texte in den Vordergrund, die niemals für die erste Reihe und schon gar nicht für eine Bühne gedacht waren – und genau darin liegt eine Menge Spaß.

In alten Kisten auf dem Dachboden, im Elternhaus unter einer losen Teppichecke oder ganz hinten in der vollgestopften Schreibtischschublade finden wir sie: die Gedanken, die keinen was angehen, das Drama in der 7B und die erste Liebe, die die Welt stillstehen lies. In Bremerhaven startet im April der 2. Diary Slam und hier lest Ihr, was Euch an so einem Abend erwartet.
„Cringe-Night“
Um diese Rohdiamanten auf die Bühne zu holen, muss gut gewählt werden. Nicht umsonst lief der erste Diary Slam 2005 in New York unter dem Titel „Cringe Night“. Die Grenze zwischen lustig und peinlich ist schmal, aber zum Glück greift ja niemand blind in die Erinnerungskiste. Es wird sorgsam ausgesucht, was auf die Bühne kommt. Unsere Praktikantin Jana Herfort kannte das Format aus Hamburg (Diary Slam – die Tagebuch-Lesebühne). Sie setzte es im letzten Jahr kurzerhand auch hier in Bremerhaven um. Ähnlich wie ein Poetry Slam oder andere Open-Stage-Formate, findet auch ein Diary Slam in der Regel in einem Club oder einer Bar statt.

Anders ist jedoch, dass der Diary Slam mit dem arbeiten muss, was bereits vorhanden ist. Es ist nicht möglich, für die Veranstaltung noch eben neue Texte zu produzieren. Also wird gekramt, gewühlt und unter die Bodenvertäfelung geschaut. Der Diary Slam ist eine Schatzsuche und damit auch die Präsentation ganz unterschiedlicher Perlen und Schätzchen.
Von Amphibien und Manuel
Im letzten Jahr fand dann der erste Bremerhavener Diary Slam im Shiva (so heißt das Rock-Center jetzt) statt. Die anwesenden 100 Gäste tauchten direkt mit dem ersten Satz aus einem Brief-Buch in die Freundschaft von T. und K. ein. Darin schreibt die eine sehr fasziniert von Partys (wichtig: detaillierte Aufzählungen der konsumierten Alkoholika) und den Jungs der Nachbarklasse, während die andere Amphibien im Gartenteich beobachtet – wo geht das hin?
Danach folgen wir der nächsten Leserin durch ihre glühende, ewig andauernde, alles umfassende Liebe zu Manuel…oder Dennis? Naja, bald gehen die Backstreet Boys auf Tour und sie hat gerade die neue CD.

Die vier Leserinnen, die nacheinander ihre Texte dem Publikum präsentieren, können sich selber manchmal vor Lachen kaum halten, geschweige denn weiter lesen. Sie bereiteten dem Publikum und sich selbst einen grandiosen Abend. Die Weisheiten und Pläne, die Träume, Überzeugungen und Geheimnisse ihrer Teenie-Ichs sind so anrührend, lustig, unbedarft und überraschend, dass das Publikum johlt, kreischt und mit Lachtränen in den Augen mächtig Applaus klatscht.
So geht Diary Slam:
Nun geht es in die zweite Runde. Für den 10. April 24 um 19:30h im SHIVA suchen wir Beiträge aus Tage- und Briefbüchern. Es sind aber auch Liebesbriefe, Gedichte oder Songtexte erlaubt.
Damit alles seine Richtigkeit hat, kommen hier ein paar Regeln zur Teilnahme. Dabei steht gar nicht der Wettkampfgedanke im Fokus. Wir wollen, dass sich die mutigen Menschen auf der Bühne wohl fühlen – mit der Situation, ihren Texten und der Reaktion des Publikums:
- Die Einträge sollten von Euch selbst verfasst worden sein. Sind da Beiträge von anderen Menschen dabei (z.B. Brief-Bücher), dann bittet – nach Möglichkeit- die beteiligten Personen vorher um Erlaubnis.
- Überlegt, ob die Texte verständlich, interessant, berührend und/oder unterhaltsam für ein Publikum sind. Wir selber lesen die Texte nicht vorher, deshalb sollte jede*r Leser:in selber gut entscheiden.
- Wie alt die Texte sind, ist nicht festgelegt. Wichtig ist, dass es ausreichend persönliche Distanz zu den Texten gibt und sie nicht in Hinblick auf die Veranstaltung entstanden sind.
- Die Möglichkeit eines Ghost-Readers besteht ebenfalls. Das heißt, wenn jemand nicht selbst vorlesen mag, kann das auch ein:e Stellvertreter:in tun.
- Jede*r bekommt circa zehn Minuten Vorlesezeit für die erste Runde. Es darf außerdem eine Zugabe von drei bis fünf Minuten vorbereitet werden.
- Wir haben uns gegen ein Gewinner*innenpodest entschieden. Wir finden, dass die Beiträge viel zu unterschiedlich sind und jeder für sich ein Goldschätzchen ist. Deshalb sind wir einfach dankbar für diejenigen, die sich mit ihren Schwärmereien, Teenie-Wahrheiten und gebrochenen Herzen auf unsere Bühne trauen.

Wenn Ihr jetzt Lust habt, direkt mal zu schauen, wo denn Eure Tagebücher eigentlich gelandet sind, dann haben wir mit diesem Beitrag alles richtig gemacht. Wenn Ihr dann noch die grandiosen Inhalte mit uns teilen möchtet, dann meldet Euch fix unter kulturbuero@magistrat.bremerhaven.de an.
Wer erst einmal im Publikum dabei sein möchte, ist herzlich ins SHIVA eingeladen. Der Eintritt ist frei, am 10.4.24 um 19:30h geht es los.
Wir freuen uns auf Euch!