Den Dingen zuhören. Evan Robarts. Kunsthalle Bremerhaven
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Den Dingen zuhören. Evan Robarts. Kunsthalle Bremerhaven

Die Kunsthalle Bremerhaven zeigt in ihren Räumlichkeiten in der Karlsburg Arbeiten des amerikanischen Künstlers Evan Robarts. Sie ist die einzige Einzelausstellung in Deutschland und lässt […]

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21. Nov. 2019
4 min Lesezeit

Die Kunsthalle Bremerhaven zeigt in ihren Räumlichkeiten in der Karlsburg Arbeiten des amerikanischen Künstlers Evan Robarts. Sie ist die einzige Einzelausstellung in Deutschland und lässt tief in die Welt der verloren geglaubten Gegenstände blicken. Der in New York lebende Künstler ist für seine Ausstellung Direct Reflections extra aus Amerika angereist und beweist uns, dass uns die Welt viel zu sagen hat, wenn wir nur richtig zuhören und hinsehen.

Das Leben der Dinge

Dabei geht es um keine Kommunikation mit Personen, sondern mit Dingen die uns umgeben, Gegenstände, die durch unseren Gebrauch ein Teil von uns geworden sind. Wir haben ihnen Leben eingehaucht, indem wir ihnen neben ihrer Funktion auch eine individuelle Bedeutung zugewiesen haben. Wie oft sagen wir: wenn diese Wände sprechen könnten?! Aber haben wir ihnen wirklich jemals so viel Aufmerksamkeit und Zeit geschenkt, dass wir sie hören könnten? Evan Robarts hört zu und demonstriert uns, dass Zuhören keine passive Handlung ist.

Evan Robarts, 147 North 4th Street, 2017, Bodenbelag (gefunden), Aluminiumprofile, 
210,8 x 210,8 x 7,6 cm. (c) Kim Rothe

Zuhören ist eine Kunst

Evan Robarts Zuhören ist kein Stillhalten. In seinen Streifzügen durch sein Viertel in Brooklyn, dem ein stetiger Wandel unterliegt, sammelt Evan Robarts Gegenstände ein und nimmt sie mit in sein Atelier. Mit den abgelegten Gegenständen, es können liegengelassene Bälle oder auch Reste von einem Vinylboden sein, setzt er sich lange und konzentriert auseinander. Dabei findet kein direkter Austausch von Informationen statt. Das Zuhören ist vielmehr ein Wahrnehmen; ohne zu bewerten und frei von Erwartungen zu sein.

Sprachrohr der Gegenstände

Offen zu sein für das, was uns das Gegenüber bietet, stellt sich für mich oft schwierig dar. Vor allem, weil ich oft nicht die Geduld für solch eine Auseinandersetzung aufbringen kann. Wie oft habe ich mich schon dabei ertappt, dass ich mehr mit meinen zeitgleich ablaufenden inneren Kommentaren und Bewertungen beschäftigt bin, als dass ich mich wirklich mit ungeteilter Konzentration auf das einlasse, was mir mein Gegenüber mitzuteilen hat. Und das ist das Problem, weil ich durch diese Haltung viel von meinem Gegenüber verpasse. Dabei möchte ich gar nicht meine Gedanken über die des anderen stellen, aber ich möchte richtig antworten oder demjenigen gleich eine Lösung anbieten können.

Evan Robarts, Skulptur, Ausschnitt: Gitter, Plastikbälle (gefunden), ca. 170 x 200 x 110 cm.
(c) Kim Rothe

Aber genau diese Einstellung unterscheidet mich von dem Künstler Evan Robarts: die unvoreingenommene Haltung gegenüber Personen oder auch Gegenständen. Dadurch offenbaren sich ihm Facetten und Eigenschaften, die für mich bzw. nicht für jeden unmittelbar sichtbar sind. Und das ist gerade das Spannende daran.

Evan Robarts, Mount Sinai, 2018, Maschendrahtzaun, Plastikbälle (gefunden),
220,98 x 142,24 x 18,4 cm. (c) Kim Rothe

Sichtbar sind aber die die schrundigen Materialitäten, die vom Alltag gezeichnete Oberfläche der Gegenstände. Evan Robarts lässt diese auf sich wirken und führt sie in seinem künstlerischen Schaffen zu etwas Neuem zusammen. So wie die Arbeit Molecule no. 3 aus dem Jahr 2018. Ein gefundener Basketball, rund wie wir ihn kennen, eingekapselt in ein kantiges Glaskonstrukt. Ein Stück Kindheit, Teil eines Spiels, dass verloren oder gewonnen wurde, verwahrt in einem luftdichten Raum aus Glas.

Viel mehr wahrnehmen

In diesem kleinen Bericht habe ich einige tollen Arbeiten bewusst nicht erwähnt. Darunter auch das zentrale Werk von Evan Robarts. Ein Konstrukt, dass er eigens für die Kunsthalle hergestellt hat und welches sich über zwei Wände und mehrere Etagen erstreckt. 12 Tage hat es gedauert dieses malerische und architektonische Konstrukt zu erschaffen. Ihr könnt wirklich gespannt sein. Euch erwartet viel.

Installation im Eingangsbereich. Evan Robarts, 131 Lewis Avenue, 2017, Stahlgerüst, Farbe, 152,4 x 152,4 x 10,2 cm. (c) Kim Rothe

Warum ich diese Werke nicht ausführlich erwähne? Aus gutem Grund: es gibt Werke, die lassen sich schlecht in Worte fassen. Zumal ich in dieser Ausstellung wieder einmal vor Augen geführt bekommen habe, dass eine unvoreingenommene Haltung stets von Vorteil ist. Daher besucht die Ausstellung und seid offen für das Neue.

[bre_note] 16. November 2019 bis 5. Januar 2020
Evan Robarts. Direct Reflections in der Kunsthalle Bremerhaven
Öffnungszeiten und mehr unter: www.kunsthalle-bremerhaven.de [/bre_note]

Ausstellung, Evan Robarts, Direct Reflections vom 16. November 2019 bis zum 5. Januar 2020. (c) Kim Rothe
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Kim Rothe

Assistentin der Geschäftsführung, Hotels Adena und Amaris.

Ohne das leise Poltern des Hafens fühle ich mich nicht heimisch. Meistens sind es die Kleinigkeiten, die eine Stadt und das Leben in ihr ausmachen.

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