Vor kurzem war ich zum ersten Mal in meiner neuen Wahlheimat Bremerhaven im Theater. Ein Besuch der besonderen Art, denn angelockt hatten mich nicht etwa Romeo und Julia oder das Ballett die Bremer Stadtmusikanten, sondern der Instawalk „Hinter dem Vorhang“. Bereits zum zweiten Mal fand er statt und mit mir waren 13 weitere Teilnehmer von der Partie. Alle auf der Jagd nach tollen Motiven und einem exklusiven Einblick hinter die Kulissen.
Auf dem Theatervorplatz nimmt Hilka Baumann, Leiterin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit des Stadttheaters, uns in Empfang. Sie wird uns durch das Haus führen und weist zu allererst darauf hin, dass wir uns besser nicht verlieren, da die Gefahr, nicht rauszufinden doch sehr groß sei.
Hilka erklärt, dass das Stadttheater Bremerhaven insgesamt vier Spielstätten bespielt und ein verhältnismäßig junges Theater mit gerade einmal 117 Jahren Geschichte ist. Mit Blick auf das Gebäude erzählt sie, dass ein Großteil im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, weshalb heute nur noch die Fassade dem ursprünglichen Entwurf entspricht. Wir verlassen den Theatervorplatz und gehen hinein. Hier wartet schon das erste Highlight des Instawalks. Vom Balkon im Theatersaal haben wir einen exklusiven Einblick in die Licht-Proben für das neue Musiktheater Der Liebestrank (L’elisir d’amore). Fotografieren ist allerdings streng verboten, denn bis zur Premiere am 28. April wird hier alles unter Verschluss gehalten. Spannende Einblicke und die einmalige Chance schon vor der Premiere das Bühnenbild betrachten zu können.
Ein Guckloch im Zuschauerraum
Wir stapfen weiter hinter die Kulissen zu den heiligen Hallen- der Bühne. Wie das geht obwohl Proben laufen? Naja, die Bühne eines Theaters ist viel größer als man zunächst denkt.
Eine Bühne besteht aus verschiedenen Bereichen. Die Hauptbühne, die sich anschließende Hinterbühne, die Seitenbühnen links und rechts und der Orchestergraben. Im Großen Haus des Stadttheaters bietet die Bühne insgesamt eine Fläche von 754 Quadratmetern die für Auf- und Abbau, Spiel und Musik dienen.
An Motiven für Instagram mangelt es uns wahrlich nicht. Allerlei Kulissen, Accessoires und Requisiten stehen hier bereit. Hilka macht uns durch wertvolle Hinweise und Erklärungen auf bislang von uns unbeachtete Motive aufmerksam.
Eine der modernsten Theaterbühnen Europas
Aber der Bühnenraum ist nicht das einzige Große. Im dunklen hinteren Teil des Raumes entdecke ich eine Tür- sechs Meter hoch. Was für ein Gigant! Als ein Bühnentechniker so freundlich ist und uns das Licht anmacht, erstrahlt sie in ihrer ganzen Pracht. Logisch, um die riesigen Bühnenbilder und Kulissen auf die Bühne zu schaffen, müssen die Türen groß genug sein.
Die Bühne des Stadttheaters Bremerhavens ist eine sehr moderne. Warum? Weil neben der Größe auch allerlei technische Spielereien verbaut sind. So gibt es unter anderem diverse Hubpodien, Prospekt-, Punkt- und Panoramazüge, einen höhenverstellbaren Orchestergraben und eine komplexe Lichtanlage, sowie einen Drehscheibenwagen. Diese technischen Installationen erlauben den Bühnentechnikern, in Windeseile Kulissen umzubauen und Szenenwechsel durchzuführen.
Der Instawalk führt uns weiter in die handwerklichen Abteilungen des Theaters. Die Schreinerei und die Schlosserei öffnen ihre Tore, auch diese wieder sechs Meter hoch. Im Magazin verstecken sich noch diverse alte Kulissenteile, wie ein Potpourri aus Treppen nebst einem Mörtelmischbehälter der mit rot bemalten Puppen gefüllt ist. Skurril dieser Anblick.
Schreinerei und Schlosserei sind voll ausgestattete Werkstätten. In der Schlosserei ist sogar ein System unter der Decke installiert, um schwere Teile durch den Raum zu bewegen. Im Kulissenbau des Theaters gilt dabei stets die Devise der Gradwanderung zwischen Haltbarkeit und Leichtbauweise. Zudem wird wiederverwendet was geht. So werden die einzelnen Kulissenteile für jedes relevante Stück, in dem sie eingesetzt werden, mit einem schwarzen Filzstift beschriftet. Ist das Stück abgespielt wird geschaut, ob die Kulissenteile für andere Stücke wiederverwendet werden können. Ist dem so, streicht man schlichtweg die vorherige Beschriftung durch und schreibt die Neue darunter.
Hilka nimmt uns jetzt mit in einen Innenhof und von da aus, auf die andere Seite einer angrenzenden Gasse, in ein weiteres Gebäude.
Mottenfallen im Theater
Versteckt unter dem Einzelhandel der Stadt betreten wir einen Keller. Warum denn nun in den Keller? Und warum hängen hier eigentlich Mottenfallen im Theater? Antwort auf die Fragen ist, dass wir uns jetzt im Fundus des Stadttheaters befinden. Der Lagerraum für unzählbare Kleidungsstücke, von Lederhosen über opulenten Federschmuck, von der Polizeiuniform zum Thunfischkostüm, von A wie Arbeiter bis Z wie Zirkusdirektor – hier bleibt kein Wunsch offen. Ein Sammelsurium aus zwanzig- bis dreißigtausend Kleidungsstücken versteckt sich hier in der Unterwelt Bremerhavens. Doch damit nicht genug, Schuhe, Hüte und Accessoires sind in diesem Lagerraum außen vor, sie werden in extra Räumen gesammelt.
Fein säuberlich geordnet nach Farben oder aber auch nach Themen, können die Kostümbildner aus dem Vollen schöpfen, um die Darsteller richtig in Szene zu setzen. Auch allerlei Kuriositäten sind zu finden, so wird der Fundus auch durch Tierkostüme ergänzt. Stolz thront der Kopf einer Kuh auf einem ausladenden Reifrock für Ballkleider und schmückt sich mit einem feuerfarbenen Umhang.
Auf mindestens 40 Reihen verteilt, führen uns schmale Gänge entlang der Kleiderstangen. Bis unter die Decke reichen diese. Leiter oder Kleiderharken säumen die Gänge, zum Ausruhen oder Ablegen von Kleidungsstücken steht hier und da auch Mal ein Stuhl. Man sollte meinen, dass eine solch umfangreiche Ankleide die Möglichkeit bietet, sich überall im Spiegel zu betrachten. Aber weit gefehlt! Im ganzen Raum steht nur ein einziger Spiegel.
Bühnenkunst im Malersaal
Im Malersaal geht es dann weiter. Beim Betreten des Raumes stockt erst einmal der Atem. Denn auf einer Seite des turnhallen großen Raumes hängen zahlreiche Kunstwerke von unsagbarer Schönheit und Raffinesse. Landschaftsbilder, Detailbilder, Portraits. Alle auf Leinwänden von mindestens fünf Quadratmeter Größe. Ein imposantes Bild und Zeugnis des hervorragenden Handwerks, das hier geleistet wird. Nachdem wir unsere Blicke von den großen Leinwänden abwenden, sehen wir auch zahlreiche kleinteiligere Arbeiten. Zum Beispiel die Modelle der Bühnenbilder. Sie stehen in allen Ecken und Enden des Raumes verteilt und zeigen uns, wie die Bühnen bei vergangenen Aufführungen aussahen. Wunderbare Instagram-Foto-Motive. Neben den Malerarbeiten werden im Malersaal übrigens auch Plastiken und Bildhauereien angefertigt oder schlichtweg Kulissenteile gestrichen.
Wir ziehen weiter und gehen in die Maske. Zum ersten Mal ein kleiner Raum, seit wir die riesigen Hallen des Theaters betreten haben. Hier bedarf es perfekter Planung um alle Darsteller fertig zu schminken. Begonnen wird Stunden vor der Aufführung. Zuerst mit den Statisten bis letztlich die Hauptdarsteller dran sind.
In den Gängen auf unserem weiteren Weg stehen Kleiderstangen mit Kostümen, es geht vorbei an den Umkleiden, Garderoben und Waschräumen der Darsteller. Büroräume, Technikräume und Verwaltung liegen ebenfalls entlang unseres Weges. Mir fällt auf, dass ich jegliche Orientierung verloren habe. Zahlreiche Treppen und Gänge liegen hinter mir, selbst das Gebäude habe ich zwischenzeitlich zwei Mal gewechselt. Hilka hat Recht, ohne sie wären wir hilflos verloren. Neben mir sagt jemand, „Nun stell dir vor du wärst hier Praktikant und sollst einen Botengang machen – Viel Glück fällt mir dazu nur ein“– und wir lachen herzlich.
Und plötzlich brüllt einer im Nebenraum
Unser Weg führt uns zu den Proberäumen, der einzige Raum den wir betreten können ist der Ballettsaal. Denn alle anderen Säle sind gerade belegt. Es ist 20 Uhr und trotzdem wird zu so später Stunde noch geprobt. Plötzlich brüllt es nebenan. Die Proben sind also in vollem Gange. Hilka erzählt, wie der Arbeitsalltag der Darsteller, Tänzer, Musiker und Regisseure Techniker so aussieht. Der achtstündige Arbeitstag wird in der Regel in zwei Blöcke morgens und abends aufgeteilt. Bei Bedarf wird hier und da auch einmal länger gearbeitet, oder auch zwischen den Blöcken. Als Entschädigung für die viele Wochenend- und Abendarbeit gibt es aber die Theaterferien. Jeden Sommer sechs Wochen lang. „Und Heiligabend ist auch frei“- betont Hilka.
Über abermals einige Treppen und durch verschiedene Flure führt sie uns zurück zum Eingang. Unser Instawalk ist zu Ende. Es war unglaublich spannend und hat mir die Augen für eine sehr interessante Welt geöffnet. Tolle Fotos und Motive habe ich auch gesammelt- viel gelernt habe ich obendrein. Alles in allem war es eine super Erfahrung.
… und hier einige Fotos der Instawalker. Besucht sie gerne auf ihren Instagram Kanälen.
Bildergalerie
Schreibe einen Kommentar