„Ein Kino – im Museum?“ Das Erstaunen in diesem Satz höre ich jedes Mal heraus, wenn ich vom Roxy-Kino im Deutschen Auswandererhaus erzähle. Dass das Filmtheater Teil der Ausstellung ist, wissen die wenigsten von denen, die noch nicht hier waren. Und noch weniger, dass alle Filme, die dort laufen, Eigenproduktionen des Migrationsmuseums sind!
Auf Drehreise
Im Sommer hatte ich das Glück, einen Teil der Dreharbeiten für unsere neuste (Kurz-)Dokumentation „Wrocław/Breslau“ begleiten zu dürfen. Dabei habe ich umfassende Einblicke bekommen, wie so ein Film entsteht – von der Vorplanung, Durchführung der Dreharbeiten, Nachbereitung bis hin zur Premiere. Eine intensive Zeit! Vor allem für Filmemacher Martín Granata und meine Kollegin Marie Grünter, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin am Deutschen Auswandererhaus. Sie hat den Film federführend betreut.
Die fünfte Eigenproduktion des DAH
Der Forschungsschwerpunkt Osteuropa von Marie Grünter war ausschlaggebend für die inhaltliche Ausrichtung des Projekts: Nach „WELCOME HOME – Amerika: Das Land der Träume und der unbegrenzten Möglichkeiten“ (2005), „TANGO – TRÄNEN – TRÄUME – 24h Buenos Aires“, „DOWN UNDER – Eine Reise zu Deutsch-Australiern“ (2013)“ und „DEUTSCH-TÜRKISCHE LIEBE“ (2015) werden in der fünften Produktion des Deutschen Auswandererhauses die Stadt Wrocław und die Menschen porträtiert, die in sie gezogen sind oder sie verlassen haben. Von den Gründen, die sie dort hin oder von dort weg brachten und der deutsch-polnischen Geschichte der Stadt erfahren wir aus vielen verschiedenen Perspektiven.
Von Bremerhaven nach Wrocław
Zum Beispiel von Siegfried Welters, dem Witwer der ehemaligen Bremerhavener Stadtverordnetenvorsteherin Brigitte Lückert. Er erinnert sich an ihren gemeinsamen Besuch in Lückerts Geburtsstadt Wrocław und wie wichtig es für seine Generation war, zu einer Aussöhnung mit Polen zu kommen.
Maria Bober erzählt uns von ihrer Arbeit als Krankenschwester, die sie in Wrocław begann und glücklicherweise in Bremerhaven weiterführen konnte. Der Bremer Architekt Andrzej Holka schwelgt beim Betrachten seiner Fotos in Erinnerungen an die Jazzfestivals, die er in seiner Jugend in Wrocław besuchte.
Gut vernetzt
Wie gut, dass meine Kollegin Marie bereits während ihres Studiums einige Monate in Wrocław gelebt hat, und so vorab aus der Ferne alle Protagonist:innen für den Film anfragen und Interviewtermine planen konnte. Wie gut sie die Stadt tatsächlich kennt, wird mir klar, als ich mich mit ihr und unserem Team aus Kameramann/Regisseur, Kameraassistenz, (je nach Ort wechselnden) Tontechnikern und Interviewassistenz im Juli 2023 auf die Reise Richtung Polen begebe.
Nach den ersten Drehs mit Privatpersonen in Bremerhaven, Bremen, Potsdam, Frankfurt (Oder) und Słubice, sprachen wir in Wrocław unter anderem auch mit ihrem ehemaligen Professor, dem Historiker Krzysztof Ruchniewicz, Direktor und Lehrstuhlinhaber für Zeitgeschichte am Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien in Wrocław. Dann führte uns Bente Kahan von der Jüdischen Gemeinde Wrocław durch die „Synagoge zum Weißen Storch“. Mit der von ihr gegründeten Stiftung wurde der Wiederaufbau des Gebäudes unterstützt.
Wiederentdeckte Erinnerungen
Besonders spannend für mich war der Termin mit Izolda Topp-Wójtowicz im Panorama von Racławice. Vor vielen Jahren bin ich bereits einmal im Schulaustausch dort gewesen. Dieses riesige Kunstwerk und seine Geschichte haben mich schon damals sehr beeindruckt.
Das bunte Treiben auf den Straßen, das Flair der Altstadt – die Stadt zog mich ganz in ihren Bann! Mit unserem Filmteam erkundeten wir Orte, von denen uns Interviewpartner:innen in Deutschland erzählten, entdeckten Spuren von deutscher Geschichte an Häuserwänden, in vielen Ecken der Stadt. Und wir waren alle der gleichen Meinung: gern hätten wir noch mehr (Frei-)Zeit in dieser Stadt verbracht!
Ab in den Schnitt
Zusammengekommen sind nach monatelanger Planung und den intensiven Dreharbeiten knapp 60 Stunden Interviewmaterial, Landschafts- und Stadtaufnahmen sowie Drohnenbilder. Für Martín Granata und Marie Grünter war es in der Nachbearbeitung ein harter Schnitt, denn von dem ganzen Videomaterial hat es im Verhältnis gesehen natürlich nur ein winziger Bruchteil in den Film geschafft. Gerade weil ich nur einen Teil der Interviews begleitet habe – und davon aufgrund von Sprachbarrieren auch nur einen Teil verstehen konnte – bin ich sehr gespannt auf das finale Ergebnis. Da die Interviews auf Deutsch, Polnisch und Englisch geführt wurden, gibt es im Film aber immer die entsprechenden Untertitel mit den jeweils anderen zwei Sprachen dazu.
Auf ins Roxy-Kino!
Mein heutiger Arbeitstag startet also nicht wie gewohnt im Büro, sondern ich begebe mich zuallererst ins Museum, um mir den fertigen Film anzuschauen. Die nun (inklusive Archivmaterial) knapp 17-minütige Kurzdokumentation könnt ihr ab sofort bei einem Besuch unserer Ausstellung im Roxy-Kino im Deutschen Auswandererhaus sehen!
Im Trailer bekommt ihr einen ersten Eindruck:
Text: Hilka Baumann, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Das Deutsche Auswandererhaus hat Montag bis Sonntag von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Auch feiertags freuen wir uns auf euren Besuch. Nur am 24. Dezember hat unsere Ausstellung ganztägig geschlossen und am 31. Dezember 2023 schließen wir bereits um 16 Uhr. Der letzter Einlass ist jeweils eine Stunde vor Ende der Öffnungszeit.
Mehr Infos findet ihr unter www.dah-bremerhaven.de
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