Das Wort „Spielzeug“ lässt uns sofort an unsere Kindheit denken. Zu Recht, denn Spielen ist enorm wichtig für Kinder, damit sie sich gesund entwickeln können. Aber auch Erwachsene profitieren vom Spielen. Sei es durch Stressabbau, durch die Förderung der körperlichen oder geistigen Fitness, durch die Förderung der sozialen Kompetenzen, oder des eigenen Selbstbewusstseins. Das gilt für den Homo sapiens genauso, wie für unsere Zootiere.
Über den Einsatz von Spielzeug als Tierbeschäftigung (auch „Enrichment“ genannt) habe ich euch bereits in meinem Blogbeitrag über die Keas berichtet. Sehr intelligent, wie unsere Keas, sind auch unsere Kaiserschnurrbarttamarine. Die Tierbeschäftigung nimmt bei ihnen daher ebenfalls einen wichtigen Stellenwert ein.
Eine verspielte Familie
Heute bin ich mit unserem Auszubildenden zur Tierpflege im dritten Lehrjahr, Enrico, am Gehege der Kaiserschnurrbarttamarine verabredet. Der Schnurrbart unserer niedlichen Tamarine erinnert an den deutschen Kaiser Wilhelm II und war namensgebend für diese Krallenaffenart. Ob Kaiser Wilhelm II auch so verspielt war wie unsere Kaiserschnurrbarttamarine? Unser Pärchen Cusco und Bacuri, die seit 2022 zusammenleben, haben vergangenes Jahr im Juli Zwillinge bekommen: Ein Weibchen, Zuri, und ein Männchen, Kayo. Die beiden spielen liebend gerne Fangen miteinander. Wie kleine Akrobaten jagen sie sich auch kopfüber die Baumstämme hoch und runter. Das können sie, weil sie als Krallenäffchen an ihren Fingern Krallen statt Fingernägel haben. Mit den Krallen können sie sich hervorragend an glatten Baumstämmen festhalten. Wie z.B. auch bei Eichhörnchen ist das eine ideale Anpassung an das Leben in den Bäumen.
Gekauftes oder selbstgebautes Spielzeug?
Enrico zeigt mir eine ganze Auswahl an verschiedenen Spielzeugen, die aktuell bei den Kaiserschnurrbarttamarinen im Einsatz sind. Ich erkenne sofort einen Schnüffelteppich, der aus dem Haustierbedarf stammt und auch gerne bei Hunden und Katzen zum Einsatz kommt. Auch einen handelsüblichen „Feedtree“, der gerne an Kaninchenbesitzer verkauft wird, kann ich entdecken. Neben den im Handel gekauften Spielzeugen zeigt mir Enrico aber auch jede Menge anderer Spielgeräte, die von den Tierpflegenden selbst gebaut wurden. Enrico lacht und sagt, dass es durchaus vorkommt, dass die Tierpflegenden sich beim Bauen länger mit dem Spielzeug beschäftigen als die Tiere. Ihre Ideen zum Bau von Spielzeugen tauschen die Tierpflegenden gerne über soziale Medien oder auf Fachtagungen aus.
Die Wahl des passenden Spielzeugs
Welches Spielzeug kommt heute zum Einsatz? Die Wahl ist gar nicht so einfach, denn jedes Spielgerät hat seine Stärken und Schwächen. Die Schachtelbox ist zum Beispiel etwas für „Adrenalin-Junkies“. Nur die mutigsten Kaiserschnurrbarttamarine trauen sich, in die dunklen Löcher zu greifen. Das selbst gebaute Windrad aus PET-Flaschen erfordert viel motorisches Geschick: Nur wenn das Rad in der richtigen Geschwindigkeit gedreht wird, fallen die Leckerlies heraus. Der Fallturm ist dagegen ein echtes Denksport-Spiel. Es ist gar nicht so einfach, das richtige Holzbrettchen zu ziehen, um an die Leckereien zu kommen. Nur wer konzentriert an der Sache bleibt, wird am Ende belohnt.
Enrico klärt mich auf, dass eigentlich alle Tierpflegenden ihr Lieblingsspielzeug haben, welches sie ihren Schützlingen anbieten. Er mag das Futterrohr besonders gerne.
Eine gute Note für Enricos Lieblingsspielzeug
Enrico zeigt mir, wie er das Futterrohr mit leckeren Rosinen und Reiswaffeln füllt. Die Kaiserschnurrbarttamarine müssen dann gleich mit ihren kleinen Fingerchen versuchen, die Leckereien durch die Löcher aus dem Rohr herauszufischen. Enrico variiert den Schwierigkeitsgrad gerne über die Größe der Futterstückchen und verrät mir, dass er dieses Spielzeug so gerne mag, da es die feinmotorischen Fähigkeiten der Krallenäffchen fördert. Anders als beispielsweise bei unseren Eisbären, ist der Geruchssinn bei den Kaiserschnurrbarttamarinen weniger stark ausgeprägt als der Tastsinn. Daher bietet Enrico den Äffchen gerne eine Beschäftigung, die das Tasten und Fühlen anregt. Außerdem ist es eins der Spielzeuge, die sich Alltag sehr bewährt haben. Die Spielzeuge werden von den Tierpflegenden mit Schulnoten von 1-6 bewertet und das Ergebnis in einem Protokoll festgehalten. Genau wie bei Kindern sollte das Spielzeug nicht unterfordernd oder überfordernd sein, es sollte bei den Schützlingen gut ankommen und die Kaiserschnurrbarttamarine sollten sich möglichst lange damit beschäftigen.
Spielzeug-Prüfung bestanden!
Ich habe das Gefühl, dass das Futterrohr auch heute mit „sehr gut“ abschneidet. Die Aufregung und Neugierde ist groß als Enrico mit dem Rohr das Innengehege betritt. Vier Augenpaare beäugen Enrico von allen Seiten. Ein Äffchen springt ihm sogar vor Freude auf die Schulter. Kaum hat Enrico das Futterrohr an einen Ast gehängt, wird es auch schon von allen Krallenäffchen angenommen. Es wird um den besten Platz gestritten und sich in Teamwork geübt. Ich schaue begeistert zu und kann mich kaum satt sehen. Ich muss auf jeden Fall nach Feierabend noch einmal bei den Äffchen vorbei, um zu sehen, ob sie alle Futterstückchen herausbekommen haben.
Kommt, traut euch und spielt!
Jeden Tag ein anderes Spielzeug. Welch ein Traum für jedes Kind. Unsere Kaiserschnurrbarttamarine bekommen tatsächlich in der Regel jeden Nachmittag ein neues, oder ein seit einigen Wochen nicht mehr genutztes Spielzeug, ins Gehege gestellt. Die Tierpflegenden positionieren dieses meist in der Nähe der Besucherscheiben, so dass ihr die Tiere hervorragend beobachten könnt. Kommt vorbei und bringt ein bisschen Zeit mit, denn das längere Beobachten lohnt sich und wer weiß… vielleicht bekommt ihr sogar Lust selbst mal wieder ausgiebig zu spielen.
Schreibe einen Kommentar