Einmal im Rampenlicht stehen, auf der großen Bühne – den Brettern, die die Welt bedeuten – im Scheinwerferlicht umjubelt werden, 15 Minuten Ruhm… den Traum vom Theater hatten wahrscheinlich viele in ihrer Jugend. Einige Bremerhavenerinnen und Bremerhavener haben ihn wahr gemacht: Sie stehen bei Blues Brothers als Statisten nicht nur mit auf der Bühne, sie tanzen und singen im Action-Chor – gemeinsam mit den Profis. Ein paar von ihnen haben sogar solistische Parts in der großen Rhythm’n’Blues-Show, die am 17. Februar 2018 Premiere im Großen Haus des Stadttheaters feierte. Um euch einen Einblick in das bunte Treiben hinter der Bühne zu geben habe ich mich bei der zweiten Vorstellung hinter den Kulissen umgesehen. Dabei habe ich die Statisten vom Einsingen bis zum Abschminken begleitet und mich mit Leonie Meyer (16) und Paetrick Stroinski (23) unterhalten. Die beiden erzählten mir, wie sie zum Theater gekommen sind.
Statistenkarriere
Als Leonie ihr Schulpraktikum am Stadttheater gemacht hat, wurde Theaterpädagogin Katharina Dürr auf ihre Stimme aufmerksam. Sie überredete sie, an der kulturBAR teilzunehmen. Bei dem Format der offenen Bühne können junge Künstlerinnen und Künstler aus der Region erste Bühnenerfahrungen sammeln.
Parallel dazu hatte sie ihr erstes Casting am Stadttheater und spielte daraufhin in einer Filmsequenz mit, der bei dem musikalischen Schauspiel Édith Piaf auf der Bühne zu sehen war. Auch der Schauspieler Harald Horváth wurde durch die kulturBAR auf sie aufmerksam. Er engagierte sie daraufhin als Sängerin für seine Inszenierung Der Traum eines lächerlichen Menschen. Leonie singt außerdem im Chor der Musikschule Langen. Beim Adventskonzert im Dezember 2017 hatte sie ihren ersten Auftritt auf der großen Bühne des Stadttheaters. Nun wirkt sie bei Blues Brothers im Action-Chor mit.
Lampenfieber
Vor der zweiten Vorstellung von Blues Brothers war Leonie ziemlich aufgeregt. Durch eine Doppelbesetzung war dies nämlich ihre persönliche Premiere. Im Nachhinein sagt Leonie aber – ganz Profi –, dass die Nervosität auf der Bühne sofort abgeklungen ist. „Es war wie in den Proben – man blendet das Publikum komplett aus. Wie eine Wand!“
Als Vierte Wand wird im Theater das Publikum bezeichnet, wenn dieses im Spiel ausgeblendet wird. Mit direkter Ansprache der Zuschauer durchbricht man diese Wand. Oft können die Darstellerinnen und Darsteller das Publikum aber auch gar nicht sehen. Das starke Scheinwerferlicht, das sie gerichtet ist, blendet aus der Bühnen-Perspektive alles aus. Das hilft zumindest etwas gegen die Aufregung – die auch bei einigen Profis nie ganz weg geht. Diese Anspannung hilft als Kick jedoch, die Konzentration vor jeder Vorstellung aufrecht zu erhalten. Einige machen Yoga, einige Stimmübungen, um sich auf die Vorstellung vorzubereiten.
Gabriele Brüsch, die als Gesangscoach die Produktion Blues Brothers begleitet hat, versammelt den Action-Chor vor jeder Vorstellung zum Einsingen auf die Probebühne.
Dadurch fühlt sich vor allem Paetrick sehr sicher und bestens auf seinen großen Auftritt vorbereitet. Er hätte zuvor nicht von sich behauptet, wirklich singen zu können. Er hat sich vor allem wegen der vielen Tanz-Szenen beim Casting angemeldet. Nun ist er aber ganz erstaunt und begeistert, was Gabriele Brüsch aus ihnen allen rausgeholt hat und wie sich der Statistenchor im Laufe der Proben professionalisiert hat.
Professionelles Hobby
Paerick hat bereits bei Die verkaufte Braut (2013) und West Side Story (2014) als Statist mitgewirkt. Nach einigen tänzerischen Einsätzen hatte er dann 2017 bei Zorro – Das Musical auch eine Kampf-Szene, die der Fecht-Choreograph Jean-Loup Fourure mit ihm einstudierte.
Tanzen ist schon lange sein Hobby, das er ehrgeizig pflegt und das auch einige Zeit in Anspruch nimmt. Er verbrachte während der Blues Brothers-Proben fast jeden Abend im Theater. Diese Produktion forderte besonders viel Disziplin von allen Statisten. Sie waren während der gesamten Zeit fast immer für die Proben eingeteilt, da sie auch im Stück fast durchgehend mit auf der Bühne tanzen oder singen. Die Choreographin Andrea Danae Kingston, die für Blues Brothers als Gast in Bremerhaven engagiert wurde, arbeitete intensiv mit ihnen – wie mit Profis. Paetrick kennt sie schon aus seinen vorherigen Produktionen.
Bock auf die Bühne
Es war schon eine „extrem stressige Zeit“, sagt Paetrick, der nebenbei in diesem Jahr seine Ausbildung als Automobilkaufmann abschließt. „Aber das macht man mit, weil man Bock auf die Bühne hat!“
Eine Aufwandsentschädigung gibt es natürlich schon, aber da haben Paetrick wie auch Leonie durch ihre Erfahrung bereits einen realistischen Blick auf den großen Traum vom Rampenlicht bekommen. „Zum Geld verdienen macht man das sicher nicht“, sind sie sich einig, „sondern weil man dafür brennt“. Einen gewissen Konkurrenzdruck nehmen sie jedoch auch unter den Statisten wahr. „Wir sind alle fair geblieben“, erzählt Paetrick mit einem verschmitzten Lächeln, „aber man merkt schon, dass jeder in der ersten Reihe stehen will.“
Blut geleckt
Die langen Proben und die langen Phasen des Wartens haben auch die Kinder-Statisten nicht abgeschreckt. Sie haben ihren großen Auftritt jeweils zu Beginn des ersten und zweiten Teils. Ivo und Lea erwische ich zum Beispiel in ihrer Garderobe, wo sie gerade ganz vorbildlich die Zeit zwischen ihren Auftritten mit dem Abfragen von Vokabeln überbrücken. [Ich schwöre, diese Szene ist nicht gestellt!] Das hilft ihnen, sich ein bißchen von der Aufregung abzulenken.
Nach der Vorstellung hat sich der Adrenalin-Kick, der Nervenkitzel und die Anspannung in Leonies, Paetricks, Ivos und Leas Gesichtern in glückliche Erlösung verwandelt. Sie strahlen mich an und sind sich einig: Blues Brothers ist eine einmalige Erfahrung für alle! Während man sonst als Statist eher für stumme Rollen im Hintergrund eingesetzt wird, hatten hier alle die Chance, mit kleineren Solo-Parts mal gesanglich, mal tänzerisch oder darstellerisch zu glänzen. Der Spaß, den sie dabei auf der Bühne haben, überträgt sich automatisch auch auf das Publikum, wie ich nicht erst zum Schlussapplaus miterlebt habe. Bei den eingängigen Soulnummern ist kaum ein Zuschauer still auf seinem Platz sitzen geblieben!
Bereit für die Bühne?
Wenn auch ihr euch bereit für die große Bühne fühlt, dann meldet euch einfach bei der Statisterie-Leiterin Sabrina Lehmann und lasst euch in die Statistenkartei aufnehmen. Oder ihr wendet euch an den Chordirektor Mario Orlando El Fakih Hernández, wenn ihr im Extrachor oder Kinderchor singen wollt.
Jetzt Statist werden!
Als Grundvoraussetzung müsst ihr natürlich ein gewisses Talent mitbringen, und auch den Mut, euch und euer Können auf der Bühne einem großen Publikum zu präsentieren. Ein bisschen Lampenfieber gehört schon dazu – aber vor allem natürlich die Lust auf das ganze Theater!
Leonie, Paetrick, Ivo, Lea, Marten und den Rest der Crew könnt ihr in Blues Brothers noch bis zum Ende der Spielzeit auf der Bühne des Großen Hauses im Stadttheater Bremerhaven erleben.
Alle Termine und Infos findet ihr unter www.stadttheaterbremerhaven.de.
Erwin Späth
Ich habe mit großem interesse ihren schönen Artikel über die Statisterie gelesen.Mir lief es,da ich nun auch schon vom Januar 1959 fast 60 Jahre als Statist ,Requisiteur,Bewegungschor und Verfolger im Theater dabei bin, wie ein Film ab.Man kann sagen,es ist wie eine Sucht.Nun bin ich immer noch dabei und hatte mit 80 Jahren 2016 in Antigone,mal wieder ein paar Sätze zu sagen.Ich habe viel erlebt und grosartige Künstler kennengelern.Hoffe,das mir dieser Jungbrunnen noch etwas erhalten bleibt!Herzliche Grüße von Erwin Späth
Hilka Baumann
Vielen Dank, das freut mich!
Ja, Theater ist wie eine Sucht… 🙂