Seit Juni 2021 arbeite ich nun schon im Büro der ALEXANDER von HUMBOLDT II. Auch wenn ich privat gar nichts mit dem Segeln am Hut habe, war klar, dass ich irgendwann mal einen Törn auf der Alex-2 mitfahren würde. Im Juni 2022 war es dann so weit und ich ging als eine von vielen Trainees an Bord.
Start und Ende in Travemünde
Für 8 Tage wollte ich gemeinsam mit 51 weiteren Trainees und einer Stammbesatzung von 25 Personen durch die Ostsee segeln. Da wir zu der Zeit noch mitten in der Pandemie steckten, wurde beim an Bord kommen erst mal ein Coronatest durchgeführt. Nachdem dieser negativ war, wurde mir eine Koje in einer 4er-Kammer zugeteilt. Natürlich hatte ich die ALEXANDER von HUMBOLDT II zuvor schon mal besichtigt und kannte daher das Schiff schon von innen. Doch mich in der Kammer häuslich einzurichten, war dann etwas ganz Neues. Als ich die Koje gesehen habe, habe ich mich direkt auf die erste Nacht gefreut. Denn die Koje und der kleine Vorhang sahen so richtig gemütlich.
Die 4-8 Wache
Neben der Koje wurde ich natürlich auch einer Wache zugeteilt. Ich bekam die 4-8 Wache. Dies bedeutete, dass ich während des Törns täglich von 04:00 bis 08:00 Uhr und von 16:00 bis 20:00 Uhr Decksdienst hatte. Die weiteren Wachen an Bord sind die 8-12 und 0-4 Wachen. Nach dem Beziehen meiner Kammer hat sich meine Wache zum ersten Treffen versammelt. Hier habe ich meinen Wachführer, den Toppsmatrosen, den Matrosen und die beiden Leichtmatrosen sowie alle anderen Trainees meiner Wache kennengelernt. Mit diesen ca. 20 Personen sollte ich nun die meiste Zeit meiner Reise verbringen. Nachdem wir uns alle etwas miteinander vertraut gemacht haben, haben wir auch schon direkt abgelegt. Wir fuhren ein kleines Stück aus dem Hafen heraus und legten uns für die Nacht auf Reede (ein Ankerplatz vor dem Hafen). Der Törn ging also los. In der Zeit bis zum Abendessen bekamen wir eine ausführliche Schiffsführung und eine Sicherheitseinweisung. Uns wurden die Notsignale erklärt, wir haben die Schwimmwesten angelegt, sind die Notausgänge hochgestiegen und haben uns an unserer Musterstation versammelt. Nach diesem ganzen Wissen hatten wir alle großen Appetit. Unser Bäcker hatte frische Brote und Brötchen gebacken, super lecker! Den Abend haben wir an Deck bei einem tollen Sonnenuntergang ausklingen lassen.
Ankerwache
Am nächsten Morgen wurden alle Wachen zur gleichen Zeit geweckt. Da wir noch auf Reede lagen, hatten wir nur eine Ankerwache für die Nacht. Für die Ankerwache konnten wir uns freiwillig eintragen. Die Wache übernimmt dann immer ein Trainee mit einem Matrosen oder Leichtmatrosen für 2 Stunden. Nach 2 Stunden wird der eine Trainee durch einen zweiten abgelöst. Nach vier Stunden ist die nächste Wache dran, also die 8-12 Wache. Die Aufgaben während der Ankerwache sind zu überprüfen, ob sich die Position des Ankers verändert und Feuerwache gehen, das heißt im Schiff zu überprüfen, ob irgendwo ein Feuer ausgebrochen ist. Die Ankerwache eignet sich auch hervorragend, um mitten in der Nacht nette Gespräche zu führen.
Anker auf unter Segeln
Nach dem allgemeinen Wecken haben wir uns an Deck mit unserer Wache getroffen. Wir haben unsere Sicherheitsgurte bekommen, die wir immer während unserer Wache tragen mussten. Das erste Segelmanöver, was dann anstand, hieß „Anker auf unter Segeln“. Dies bedeutet, dass wir nicht wie gewöhnlich den Anker hieven und mit Maschine losfahren, um dann die Segel zu setzen, sondern, dass erst ein paar Segel gesetzt werden und dann der Anker gehievt wird. Die Schwierigkeit ist dabei, dass die Rahn richtig gebrasst sein müssen, damit der Wind optimal genutzt werden kann. Für dieses Manöver hieß es all hands on deck. Was bedeutet, dass alle Wachen gemeinsam ein Segelmanöver fahren. Natürlich ist da an Deck ein kleines Chaos ausgebrochen, weil wir Trainees ja noch gar nicht so recht wussten, wo wir hinlaufen sollen und an welchem Seil (Tampen) wir ziehen müssen. Doch unser Toppsmatrose hat uns super angeleitet. Somit war das Manöver ein Erfolg und wir konnten lossegeln. Es ist schon ein tolles Gefühl, wenn man durch seine eigene Kraft dazu beiträgt, das Schiff in Bewegung zu setzen. Durch dieses buchstäbliche Ziehen am gleichen Strang entwickelt sich an Bord direkt ein toller Teamgeist und Zusammenhalt.
Das erste Klettern im Rigg
Nach unserem ersten erfolgreichen Segelmanöver bekamen wir unsere Einweisung ins Rigg. Für die Decksbesatzung der ALEXANDER von HUMBOLDT II ist die Riggtauglichkeit eine Grundvoraussetzung. Für alle Trainees ist das Klettern in den Wanten freiwillig. Uns wurde erklärt, welche Verhaltensregeln im Rigg gelten und wie wir auf unsere Sicherheit achten. Und dann ging es auch schon los. Alle die, die wollten durften auf die erste Plattform (Saling) klettern. Von unten sieht das ja immer alles gar nicht so hoch aus, doch als ich die ersten Meter ins Rigg geklettert war, wurde mir dann doch etwas mulmig. Ganz besonders anstrengend und aufregend war der Aufstieg von den Wanten auf die erste Saling. Denn die Strickleiter ist an dieser Stelle etwas schräg und ich musste mich leicht zurückfallen lassen. Natürlich saß an dieser Stelle einer unserer Leichtmatrosen und hat mich ruhig und professionell angeleitet. Doch da dies alles neu für mich war, habe ich mich ziemlich verkrampft, was mir total viel Kraft und Energie geraubt hat. Ich war super stolz und froh, als ich auf der Saling wieder festen Boden unter mir hatte. Aber im gleichen Moment dachte ich: “Oh je, ich muss den gleichen Weg ja wieder zurück!“ Ich habe mich bestimmt eine halbe Stunde auf der Saling aufgehalten. Die Aussicht von da oben, obwohl es noch gar nicht so weit oben ist, ist einzigartig und wunderschön. Es gab auch einige Trainees in meiner Wache, die schon direkt höher oder auf die Rah (Balken, an dem die Segel befestigt sind), geklettert sind. Das war mir aber doch eine Nummer zu viel. Nach einer halben Stunde habe ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und bin mit leicht wackeligen Beinen wieder runtergeklettert. Puh, geschafft!
Ein Lob an die Kombüse
Nach der Einweisung ins Rigg hatten wir etwas Pause und konnten die Seeluft genießen. Um 12:00 Uhr gab es Mittagessen. Unsere Köchin hat Spaghetti Bolognese für uns gezaubert. Richtig lecker. Allgemein möchte ich an dieser Stelle einmal betonen, wie lecker und abwechslungsreich das Essen auf meinem Törn war! Unsere Köchin und unser Bäcker haben wirklich richtig abgeliefert. Jeden Morgen frisch gebackene Brötchen, ein leckeres Mittagessen, frisch gebackener Kuchen am Nachmittag (und das jeden Tag) und Toast Hawaii oder Ähnliches am Abend. Gutes Essen sorgt ja bekanntlich für eine gute Stimmung und das konnte ich auf meinem Törn ganz besonders spüren.
Ruder gehen
Um 16:00 Uhr war es dann so weit, unsere erste offizielle Wache ging los. Zum Wachwechsel treffen sich die abziehende und die ablösende Wache auf dem Oberdeck. Hier gibt es dann ein kleines Ritual, bei dem die abziehende Wache der ablösenden Wache eine „Gude Wach“ und die ablösende Wache der abziehenden Wache eine „Gude Ruh“ wünscht. Nach der Wachablösung haben wir uns alle auf dem Achterdeck (ganz hinten auf dem Schiff) versammelt und besprochen, was heute anliegt. Zunächst wurden je vier Trainees für eine Stunde zwei bestimmten Aufgaben zugeteilt: Rudergänger und Ausguck gehen. Während der Wache muss immer eine Person am Ruder (Steuerrad) stehen, um die Alex-2 zu steuern. Wer am Ruder steht, stellt daher sicher, dass das Schiff auf dem richtigen Kurs bleibt. Damit niemand müde wird und damit alle Trainees mal an der Reihe sind, wird nach einer Stunde gewechselt. Der Trainee am Steuer wird dabei von einem sogenannten Steuerberater, also einem Crewmitglied, unterstützt. Dieses erklärt dem Trainee, wo der Kurs und die Stellung des Ruderblatts angezeigt wird und wie der Kurs, der einem vom Steuermann angesagt wird, gehalten wird. Auch ich stand schnell am Ruder. Es ist ein ziemlich cooles Gefühl, das Schiff steuern zu dürfen und das direkt am zweiten Tag.
Ausguck gehen
Die zweite Aufgabe, Ausguck gehen, ist ebenfalls eine Aufgabe, die die Trainees während der Wache für je eine Stunde übernehmen. Auch hier wird einem natürlich vorab erklärt, was zu tun ist. Beim Ausguck gehen ist es wichtig, den Horizont zu beobachten und dem Steuermann kleine Dinge wie z.B. Segelboote, schwimmende Container oder Fischernetze zu melden, die auf unserem Radar nicht zu erkennen sind. Um dem Steuermann die richtige Position des Gegenstands oder des Schiffs mitteilen zu können, wird der Horizont in 8 Teile genannt Striche aufgeteilt. So kann sich der Trainee die Position besser merken und der Steuermann den Gegenstand leichter am Horizont finden.
Segel setzen als Trainees
Neben Ruder und Ausguck gehen gibt es natürlich noch die wichtigste Aufgabe: Segel setzen und einholen. In unserer ersten Wache haben wir erst mal eine kleine Einführung bekommen. Wie heißen die Segel, wie heißen bestimmte Tampen, wie funktioniert das Segelsetzen grundsätzlich, wie funktioniert das Brassen (das heißt die Stellung der Rahn zu verändern) und vieles mehr. Ich habe zwar versucht, mir alles zu merken, doch auch nach mehreren Tagen bin ich oft mit einem Fragezeichen im Kopf losgelaufen, wenn unser Toppsi Kommandos angesagt hat. Das Gute dabei war, dass unsere Matrosen und Leichtmatrosen natürlich wussten, was zu tun ist und ich mich in solchen Fällen immer an sie halten konnte. Wenn ich mich gerade mal nicht gefragt habe, was ich hier eigentlich gerade mache, sondern genau wusste, an welchem Tampen ich nun ziehen muss, war das echt ein richtig gutes Gefühl. Dass ich wirklich richtig dazu beigetragen habe, dass die Alex-2 während dieser Tage dahin segelt, wo sie hinsegeln sollte, ist schon echt verrückt.
Mein Fazit
Auch wenn ich vor meinem Törn etwas aufgeregt war, weil ich nicht wusste, ob das Segeln etwas für mich ist, so denke ich jetzt doch richtig gerne daran zurück und freue mich schon auf meinen nächsten Törn. Zum Abschluss möchte ich noch einmal erwähnen, dass die Stammbesatzung meiner Wache eine ganz besondere war. Unser Toppsmatrose hat uns alles super ruhig erklärt und auch wenn wir eine Frage 10-mal gestellt haben, immer wieder einen neuen Anlauf genommen. Unsere Matrosen und Leichtmatrosen haben unseren Toppsi super unterstützt, hatten auch morgens um 04:00 Uhr schon ein Lächeln im Gesicht und haben die Ruhe bewahrt, wenn eine Situation mal brenzlich wurde. Es war einfach toll für mich zu sehen, mit wie viel Leidenschaft und Engagement unsere Stammbesatzung dabei ist!
Hast du vielleicht auch mal Lust, unsere grüne Lady und unsere Stammbesatzung in Aktion zu sehen? Dann schau doch mal in unseren Törnplan! Für weitere Blogs rund um die Alex-2 klicke hier.
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