Eisbären-Nachwuchs im Zoo am Meer und dann auch noch Zwillinge! Die erste Zeit nach der Geburt beobachteten wir Valeska und ihren Nachwuchs rund um die Uhr über die Kameras. Die Entwicklung verlief vorbildlich, beide Jungtiere nahmen scheinbar Stunden um Stunde an Gewicht zu.
Dann kam der Tag, an dem die beiden Zwillinge anfingen zu laufen. Mit Mutter Valeska verließen sie die Wurfbox und erkundeten ihre Umgebung. Zeit für das Zooteam, den nächsten großen Schritt zu planen: Die Geschlechtsbestimmung und die erste medizinische Behandlung. Am 25. Februar 2020 sollte es gleich morgens um 7.00 Uhr soweit sein. Und ich bin mit dabei! Insgeheim habe ich gedacht, dass ich die Gelegenheit nutzen werde, um einmal in meinem Leben einen echten Eisbären anzufassen. Das Fell der kleinen Eisbären soll noch ganz flauschig sein, das der „großen“ Eisbären fühlt sich hingegen eher „drahtig“ an. Aber es kam alles anders …
Bevor es losgeht erfolgt eine Einweisung
Treffen im Aufenthaltsraum der Tierpfleger. Frank, einer unserer Eisbären-Pfleger, schildert kurz den Ablauf und beantwortet Fragen. Die Tierpfleger sind zwar nicht zum ersten Mal dabei, trotzdem ist es mit jedem Eisbären-Nachwuchs aufregend – und mit Zwillingen erst Recht. Diejenigen, die mit den Jungtieren in Berührung kommen, ziehen sich aus hygienischen Gründen einen weißen Schutzanzug über. Bis auf Thomas, der bleibt ganz in grün … steht ihm einfach besser!
Warten vor der Überwachungs-Kamera
Frank und Thomas treffen noch weitere Vorbereitungen. Ihr Plan: Valeska von ihren Jungtieren mittels eines Schiebers (Tür) zu trennen. Um das zu erreichen, soll sie durch Rufen und den Geruch von Futter gelockt werden. Die restliche Mannschaft starrt gebannt auf den Monitor und verfolgt, ob Valeska auf Frank hört und sich in einen bestimmten Teil der Anlage bewegt. Und tatsächlich, es klappt!
Mit geübten Handgriffen geht es an die Zwillinge
Sobald die Schieber geschlossen sind, muss alles ganz schnell gehen. Natürlich merkt Valeska sofort, dass sie von ihren Jungtieren getrennt wurde und „schlägt Alarm“. Mit einem sicheren Griff werden die Eisbären-Zwillinge nacheinander von Thomas und Frank aus dem Gehege genommen. Die beiden wehren sich nach Leibeskräften! Als erstes kommt Frank mit einem der Zwillinge auf dem Arm um die Ecke. Automatisch hält man den Atem an. Was für eine Begegnung! Ich kann es gar nicht beschreiben, aber ich bin mir sofort sicher, dieses Ereignis werde ich nie wieder vergessen! Dieses Gefühl habe ich nicht alleine, Katja raunt mir zu: „Ich bin total am Zittern“, so aufgeregt und angespannt ist sie.
Jetzt aber schnell: Medizinische Behandlung und Geschlechtsbestimmung
Frank übergibt den ersten Zwilling an Marina, die auf der Waage wartet, um das Gewicht zu ermitteln. Anschließend geht’s ab zum Doc. Bei Bastian sitzt jeder Handgriff, obwohl der kleine Bär es ihm ziemlich schwer macht. Trotzdem schafft er es, mit einem Holzspachtel die Wurmkur zu verabreichen, den Picks für die Impfung zu setzen und das Geschlecht zu bestimmen. Es ist ein Mädchen! Der erste Zwilling hat es überstanden und wird wieder zurück in das Gehege gebracht. Nun geht das Prozedere von vorne los, nur das jetzt Thomas das zweite Jungtier bringt und an Katja, die auf der Waage wartet, übergibt.
Das Ergebnis steht fest: Es sind zwei Mädels!
Bei der Geschlechtsbestimmung des zweiten Jungtiers schauen Bastian und Pam sich an und sind sich zu 50% einig: es sind zwei Mädels! Beide lachen, denn natürlich sind sie sich zu 100% sicher. Im Vorfeld konnte man nur spekulieren, aber irgendwie waren wir fest davon überzeugt, dass die Zwillinge ein Mädchen und ein Junge sind. Unser Bauchgefühl hat uns also getrügt.
Mutter und Kinder sind wieder vereint.
Nachdem beide Tiere wieder im Gehege sind, werden die beiden Schieber geöffnet und Mutter und Kinder sind vereint. Ich spüre förmlich auf beiden Seiten die Erleichterung. Trotzdem war Valeska deutlich ruhiger (auch während der Trennung, obwohl sie laut gebrüllt hat), als bei den Geschlechtsbestimmungen ihrer Jungtiere Lale und Lili im Jahr 2014 und 2016 . Ob es die Erfahrung ist, das Vertrauen in ihre Pfleger oder beides zusammen, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen. Das ganze Team ist erleichtert und stolz, dass alles so gut gelaufen ist.
Zeit nutzen, um noch einmal gründlich sauber zu machen.
Zeit zur Entspannung ist jedoch noch nicht da, denn Frank hat einen weiteren Schieber geschlossen, um den Teil der Anlage zu reinigen, der über ein kleines Planschbecken verfügt. Der wird ab jetzt genutzt, damit der Nachwuchs den Umgang mit Wasser kennenlernt. Alle Pfleger arbeiten wieder Hand in Hand zusammen, so dass Valeska und die Zwillinge die Anlage nach nur 10 Minuten wieder komplett für sich haben.
Wieder zur Ruhe finden
Einen kurzen Moment später kommt Valeska vorsichtig nach vorne ans Gitter, lässt sich von Katja mit einem Stück Fleisch versorgen und scheint sogleich versöhnlich gestimmt. Die Zwillinge tapern ganz vorsichtig hinterher, sind jedoch noch zurückhaltender. Das wird sich im Laufe des Tages auch wieder einspielen, ganz sicher. Und so ist es auch. Immer wieder werfen wir über die Kameras einen Blick zu den Dreien. Sie sind entspannt, schlafen, trinken und erkunden das Gehege.
Was für ein Erlebnis! Glaubt mir, einem Eisbären so nah zu sein und die Besonderheit dieser beeindruckenden Tiere zu spüren, ist einmalig. Selbst für diejenigen, die es schon so oft miterlebt haben, scheint es immer wieder „das erste Mal“ zu sein. Vielleicht bin ich beim nächsten Mal ja auch wieder mit dabei.
Hans Engels
Danke für den tollen Bericht. Es gibt kaum etwas spannenderes !
Nicole Tönjes
Vielen Dank für das Feedback. Für mich war es auch ein sehr spannendes Erlebnis.