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Wie lagert man eigentlich ein Museum?

Das Museum befindet sich im Umbau. Doch wo sind die Objekte, die vor Kurzem noch im Museum waren? Wie lagert man sie? Ich habe mich auf die Suche begeben.

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13. Juli 2020
6 min Lesezeit
Schiffsmodelle lagern in selbstgebauten Kisten in Hochregalen. Einige Modelle sind so groß, dass sie nicht in Kisten passen.

„Das Museum befindet sich im Umbau.“ Dieser Satz begleitet mich seit meinem ersten Tag am DSM. Doch was bedeutet das? Und wo sind all die Objekte, die bis vor einiger Zeit noch im Museum ausgestellt waren? Wie lagert man sie? Ich habe mich auf die Suche begeben.

Als ich im vergangenen Jahr am Museum angefangen habe, war die Dauerausstellung bereits für den Umbau geschlossen und wenig später konnte die Sanierung beginnen. Ich kenne die alte Ausstellung noch aus meinen Studienzeiten und weiß, welche Schätze sich in den Räumen befunden haben. Es ist irgendwie verrückt, zu sehen, wie leer die Räume sind, aber es ist auch faszinierend, sich vorzustellen, dass dort in einiger Zeit eine komplett neue Ausstellung stehen wird.

Das U-Boot SEEHUND lernt mithilfe eines Krans fliegen.
Das U-Boot SEEHUND lernt mithilfe eines Krans fliegen. © Mareike Heger

Ein U-Boot lernt fliegen

Als im Herbst vergangenen Jahres auch das letzte Großobjekt aus dem Gebäude „geflogen“ ist, habe ich realisiert, mit welchem Aufwand ein solcher Umbau verbunden ist. Und wenn ich „geflogen“ sage, dann meine ich das auch so. Unser Kleinst-U-Boot namens SEEHUND musste aus der ersten Etage in das Erdgeschoss befördert werden. Mittels Kran und vieler Hände dauerte es einen ganzen Tag, bis das U-Boot buchstäblich in der Luft hing und umgelagert wurde. Erst anschließend und nachdem es in Folie gehüllt war, war das Gebäude für die Schadstoffsanierung bereit. Doch wo sind all die anderen Exponate geblieben? Wie und wo lagert die Menge an Objekten?

Sie lagern in einem Interimsdepot im Fischereihafen. Eine große Halle beherbergt alles, was noch vor einiger Zeit in den Ausstellungen stand, aber auch weitere Sammlungsbestände, die nicht oder nur zeitweise, zum Beispiel in Sonderausstellungen, zu sehen sind. Hinzu kommt das, was Museumsleute gern Flachware nennen: Also Archivalien wie Fotos, Briefe, Tagebücher, Seekarten und andere Dokumente aus Papier. Alles, was gerade nicht im Museum ausgestellt wird, soll künftig in einem Forschungsdepot Platz finden, das sich nur wenige Meter vom jetzigen Interimsdepot entfernt befindet. Im November vergangenen Jahres haben wir die die Grundsteinlegung gefeiert und vor ein paar Tagen das Richtfest. Corona-bedingt im kleinsten Kreis der Bauarbeiter und übrigen Projektbeteiligten. Im kommenden Jahr werden die Schätze des Museums in dieses Gebäude einziehen. Doch bis dahin möchte ich nicht warten und nehme Euch heute mit in unser Interimsdepot.

Kleinstmodelle werden fein säuberlich in Schubladen gelagert. Jede Schublade ist entsprechend beschriftet.
Kleinstmodelle werden fein säuberlich in Schubladen gelagert. Jede Schublade ist entsprechend beschriftet. © Mareike Heger

Ein Blick in die heiligen Hallen

Durch eine schwere Tür betrete ich die „heiligen“ Hallen. Meterhohe Regale sind bis an die Decke mit verschlossenen Holzkisten gefüllt. Es ist kühl. Der blecherne Hall eines kleinen Radios mischt sich mit dem leisen Surren verschiedener Lüfter. An den Wänden stehen, in Folie gehüllt, Großexponate. Von Schiffen über Maschinen hin zu Fahrzeugen, erkenne ich schemenhaft das ein oder andere Objekt wieder. Ich spaziere durch die Regale, entdecke Buddelschiffe und Gemälde. Eine Regalfront ist ausschließlich mit Holzkisten gefüllt. Von Annika Opitz, die sich um das Sammlungsmanagement am Haus kümmert, weiß ich, dass ihr Team und die Werkstatt jede Kiste in liebevoller Handarbeit auf Maß gebaut haben. Im Inneren ruhen tausende Schiffsmodelle.

Um alle Objekte und Kleinteile vom Museum in das Interimsdepot zu bringen, waren verschiedene Schritte notwendig. Neben der handwerklichen Herausforderung galt es auch, alles genau zu erfassen. Ein Team hat jedes Einzelteil erfasst und nummeriert. Bei einem Blick durch die Regale entdecke ich die vielen Ziffern auf den Kisten, an den Kartonagen und auf den Schutzpapieren. Die Erfassung ist mit dem ersten Umzug noch lange nicht abgeschlossen.

Auch die Logistik war eine Meisterleistung: das größte Objekt, das aktuell gelagert wird, ist die GEHEIMRAT GERLACH. Das Segelrettungsboot von 1913 ist zehn Meter lang und wiegt mehrere Tonnen. Seit den 70er-Jahren hatte es seinen Platz im Museum und musste 2018 genauso wie weitere Schiffe mithilfe eines Krans aus dem Museum befördert werden. Auch diese Objekte lernten damals, wie die SEEHUND, das Fliegen.

Die GEHEIMRAT GERLACH ist das größte lagernde Objekt des Museums. Es ist in Folie gehüllt.
Die GEHEIMRAT GERLACH ist das größte lagernde Objekt des Museums. Es ist in Folie gehüllt. © Mareike Heger

Von klein bis groß – hier lagert Vielfalt

Das kleinste Objekt, oder eher die kleinsten Objekte, sind verschiedene Knöpfe von Uniformen. Für diese benötigte es zwar keinen Kran, aber ebenso viel Vorsicht beim Umzug. Zu den Besonderheiten der DSM-Sammlung gehört die enge Verbindung vieler Objekte miteinander. Neben den Knöpfen der verschiedenen Uniformen hängen auch die entsprechenden Kleidungsstücke fein säuberlich verpackt in Schränken. Und Geschirr, das vom selben Schiff wie die Uniformen stammt, ergänzt diese genauso wie entsprechende Schiffsmodelle.

Schlendert man durch die Gänge des Interimsdepots, schlendert man gefühlt durch verschiedene Zeitepochen. Es riecht nach Holz und irgendwie, wie man es als Kind aus einem Keller gewohnt ist: Es ist ein Geruch, der neugierig macht, nach Schätzen und Abenteuern, nach Entdeckungen und Verborgenem. 60.000 Museumsobjekte und 380.000 Archivalien umfasst die DSM-Sammlung. Um all die Geschichten zu ergründen, die hinter diesen Objekten stecken, bräuchte man wohl Jahrzehnte.

Hier lagert Navigation: Seekarten erzählen Geschichte

Neben den vielen Regale, die lange Gänge bilden, lagert eine Vielzahl Exponate in Schränken, andere in Kisten, die gestapelt sind und hier und da liegen Objekte zur weiteren Bearbeitung auf Tischen. Große Kartensammlungen sind in grünen Schubladenschränken verborgen. Wie das Kartenmachen und –lesen den Blick des Menschen auf die Meere geprägt und verändert hat, ist beispielsweise ein aktuelles Forschungsprojekt. In Kürze eröffnet hierzu bereits eine Ausstellung. Das Interimsdepot bildet so nicht nur eine Lagerfläche. Es ist die Basis für die Forschung bei uns am Haus. Mit dieser Sammlung lassen sich die verschiedensten Geschichten erzählen und einzelne Objekte erzählen Geschichte – man muss sie nur genauer betrachten.

Schiffsmodelle lagern in selbstgebauten Kisten in Hochregalen. Einige Modelle sind so groß, dass sie nicht in Kisten passen.
Schiffsmodelle lagern in selbstgebauten Kisten in Hochregalen. Einige Modelle sind so groß, dass sie nicht in Kisten passen. © Mareike Heger

Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie sich die Schifffahrt in den letzten Epochen verändert und entwickelt hat. Zu sehen, wie die verschiedenen Wissenschaftler unseres Hauses mit Herzblut ein Objekt auf Herz und Nieren untersuchen und ganze Ausstellungen damit füllen können, finde ich toll. Umso schöner ist es, dass das Lager des Schifffahrtsmuseums solch eine Vielfalt an Themen abdecken kann.

Von kleinen Knöpfen hin zu großen Schiffen: die Lagerung eines Museums ist wahrlich eine große Aufgabe, die das Team um Annika Opitz täglich meistert. Ich bin gespannt, wie sich das Depot entwickelt und welche Schätze noch einziehen dürfen. Und genauso gespannt bin ich auf den nächsten Umzug der Objekte, wenn es aus der zwischenzeitlichen Lagermöglichkeit ein großes Forschungsdepot wird, wo jedes Themenfeld einen eigenen Bereich hat. Wenn Schiffe wieder fliegen lernen und Knöpfe sowie Seekarten einen dauerhaften Platz haben. Zumindest so lange, bis die Kolleg*innen sie aus ihrem Dornröschenschlaf holen und mit ihnen Geschichte erzählen. 

[bre_box title=“Aktuelles“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ radius=“5″]Vom 21. Jui bis 17. Oktober 2020 ist die Ausstellung „Karten Wissen Meer. Globalisierung vom Wasser aus“ in Bremen im Haus der Wissenschaft zu sehen. Sie hat montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.[/bre_box]

Weiteres aus dem Museum.

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Mareike Heger

Als Nordkind zieht es mich immerzu ans Wasser: der Wind in den Haaren, das Salz auf der Haut und das Möwengeschrei in den Ohren. Das liebe ich so an Bremerhaven.
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