Wesermünde: Geschichte einer (fast) vergessenen Großstadt
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Wesermünde: Geschichte einer (fast) vergessenen Großstadt

Bremerhaven hieß nicht immer Bremerhaven, sondern war einmal Wesermünde und lag in Preußen! Die Sonderausstellung im Historischen Museum Bremerhaven „Die vergessene Großstadt“ erinnert daran.

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31. Okt. 2024
5 min Lesezeit
Eine längliche Karte mit einem Schriftzug und dem Bild eines im Bau befindlichen Gebäudes.

Es mag überraschend klingen, aber Bremerhaven hieß nicht immer Bremerhaven. Aber wer kann sich heute noch entsinnen, dass Bremerhaven einmal Wesermünde hieß und in Preußen lag? Im Historischen Museum Bremerhaven erinnert jetzt die Sonderausstellung: „Die vergessene Großstadt“ daran. Der Anlass ist ein rundes Jubiläum, denn im Oktober 1924, vor 100 Jahren, wurde die preußische Stadt Wesermünde gegründet.

Die Entstehung der Stadt Wesermünde

Die Stadt Wesermünde entstand 1924 durch die Vereinigung der beiden eigenständigen Städte Geestemünde und Lehe, die heute Stadtteile von Bremerhaven sind. Anfang des 20. Jahrhunderts waren beide Orte jedoch noch eigenständig, lagen in Preußen und gehörten nicht zu Bremen. Sie besaßen sogar eigene Wappen, die dann im Wappen von Wesermünde zusammengefügt wurden. Direkt am Eingang des Museums steht eine Vitrine mit einem Wandteller und einer Ehrenmedaille, auf der es präsentiert wird. Es zeigt zwei gekreuzte Sensenblätter, einen goldenen Anker und darunter einen silbernen Fisch. Die Sensenblätter erinnern an das ehemalige Wappen von Lehe und der Anker stammt aus dem Wappen von Geestemünde. Der Fisch ist hingegen neu und verweist auf die Bedeutung, die die Fischereiwirtschaft für Wesermünde besaß.

Ein gemaltes Wappen das gekreuzte Sensen, einen Anker und einen Fisch in einem Schild zeigt.
Das Wappen der Stadt Wesermünde © Historisches Museum Bremerhaven.

Wesermünde ist überall

Da die Sonderausstellung nicht an einem Ort zentriert, sondern in die laufende Dauerausstellung eingebunden ist, gibt es an der Kasse direkt einen praktischen Flyer, der zur besseren Orientierung dient und alle 28 Stationen samt übersichtlichem Laufplan bereithält. Um noch besser gefunden zu werden, gibt es an den entsprechenden Stellen im Museum großformatige Banner.

Gleich auf dem Ersten ist ein eindrucksvolles Foto mit einem markanten Betongerippe darauf zu sehen. Es zeigt den Bau des Wulsdorfer Wohnwassersturms – eines deutschlandweit einmaligen Bauwerks, das 1927 in Wesermünde errichtet wurde, um den Fischereihafen mit Wasser zu versorgen und heute noch steht.

Erkennt Ihr es wieder?

Im großen Ausstellungssaal des Museums geben 18 Stationen Auskunft darüber, wann die Idee entstand, die Orte Bremerhaven, Lehe und Geestemünde miteinander zu verbinden und wie aus dieser Idee dann die Stadt Wesermünde entstand. Besonders interessant sind hier die Luftaufnahmen, die aus den 1920er Jahren stammen. Obwohl die Fotos beschriftet sind, ist es nicht ganz einfach, die historischen Ansichten dem heutigen Bremerhavener Stadtbild zuzuordnen. Das ist eine echte und sehr unterhaltsame Herausforderung, bei der sich bald herausstellt, wer Bremerhaven wirklich kennt.

Kurioses Wesermünde – eine Stadt an zwei Orten

Sehr interessant ist auch, wie politisch und umstritten die Gründung der Stadt Wesermünde war. Besonders kurios auch, dass die Bebauungen von Geestemünde und Lehe zum Zeitpunkt der Vereinigung zu Wesermünde noch gar nicht direkt aneinandergrenzten. Von Kritikern gab es deswegen viel Spott, weil man zu Fuß oder mit einem Fahrzeug immer durch Bremerhaven musste, um von einem Ende Wesermündes zum anderen zu kommen.

Die neue Stadt wuchs jedoch schnell. Bereits 1927 kamen die heutigen Ortsteile Weddewarden und Schiffdorferdamm hinzu sowie Teile Langens um den Verschiebebahnhof Speckenbüttel hinzu. Damit umschloss das preußische Wesermünde das bremische Bremerhaven landseitig komplett. Auf historischen Karten lässt sich das Wachstum gut nachvollziehen.

Bremerhaven machte Wesermünde zur Großstadt

Als 1939 schließlich auch Bremerhaven in Wesermünde aufging und die Stadt dadurch zur Großstadt wurde, hatte bereits der Zweite Weltkrieg begonnen und in dessen Verlauf wurde die Wesermünde 1944 stark zerstört. Der Krieg endete mit dem Einmarsch britischer Streitkräfte, die die Stadt an die Amerikaner übergaben, welche hier ihren Nachschubhafen einrichteten.

Briten und Amerikaner entschieden 1946 gemeinsam, dass Wesermünde dem wiedergegründeten Land Bremen angegliedert werden sollte. Im Februar 1947 begingen die Verantwortlichen diese Eingliederung mit einem Festakt in der Aula der Wilhelm-Raabe-Schule. Dabei beschlossen die Wesermünder Abgeordneten die Umbenennung von Wesermünde in Bremerhaven. Bremerhaven ist also die ehemalige preußische Großstadt Wesermünde. Das ist schon eine ungewöhnliche Stadtgeschichte.

Weitere Stationen zu Stadtgeschichte Wesermündes

An weiteren Ausstellungsstationen im Haus werden verschiedene einzelne Aspekte der Wesermünder Stadtgeschichte noch tiefgehender dargestellt. So zeugt eine Türklinke aus der Humboldtschule beispielhaft vom Einzug der modernen Architektur im heutigen Stadtbild. Einem vertraulichen Protokoll ist zu entnehmen, wie die Nationalsozialisten zwar von den Menschen Härte und Entbehrungen forderten, selbst dazu aber nicht bereit waren.

Oder es wird dargestellt, wie die lokale Wirtschaft von der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges profitierte, während gleichzeitig Menschen aufgrund ihres Glaubens, ihrer Lebensweise oder ihrer Haltung ausgegrenzt, verfolgt und schließlich in den Tod deportiert wurden.

Ein großes Gebäude im Bau.
Die im April 1930 eröffnete Humboldtschule, Fotograf*in unbekannt, um 1930 © Historisches Museum Bremerhaven

Wenn Ihr noch mehr über die Stadt erfahren wollt, die heute Bremerhaven heißt, besucht die Ausstellung „100 Jahre Wesermünde – Die vergessene Großstadt“ im Historischen Museum Bremerhaven! Das Museum ist dienstags bis sonntags von 10 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. Die Sonderausstellung ist bis zum 30. März 2025 zu sehen.

Text: Dr. Kai Kähler und Saskia Otten

Begleitprogramm zur Ausstellung 100 Jahre Wesermünde – Historisches Museum Bremerhaven
https://www.historisches-museum-bremerhaven.de/veranstaltung-detail/100-jahre-wesermuende-3

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Kerstin Ras-Dürschner

Mich interessieren die Geschichte(n) der Stadt und der Menschen, die hier leb(t)en. Als Exilfränkin schätze ich die frische Luft, das Wasser und den weiten Himmel.

Historikerin, Wiss. Referentin des Historischen Museums Bremerhaven

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