Selbst wer nichts über den derzeit laufenden Umbau im Deutschen Schifffahrtsmuseum weiß, kann die Aktivitäten nicht übersehen. Schon von Weitem glänzt mir der große weiße Schriftzug „WANDEL“ an den hohen Fensterscheiben des Hauses im Sonnenschein entgegen. Es ist der sogenannte Bangert-Bau, der aktuell bereits saniert wird und geschlossen ist. Rechts davon liegt der Scharounbau des Museums aus dem Gründungsjahr 1975. Auch hier wird ab dem 2. Juli alles modernisiert und eine neue Ausstellung aufgebaut. Ich habe die einmalige Chance, mir ein letztes Mal die Ausstellung und auch die Baustelle anzusehen und bin gespannt.
Gallionsfigur oder Farbgeruch?
Als ich im Foyer an der Kasse stehe, fällt mir die Entscheidung schwerer, als ich gedacht hätte. Zuerst der komplett leergeräumte Bangert-Bau, so wie man ihn nie wieder sehen wird oder lieber doch ein intensiver Gang durch den Scharounbau mit seinen prächtigen Schiffsmodellen, den mächtigen Galionsfiguren, Gemälden und Seemanns-Handwerkszeug? Eine klappende Tür und der Geruch nach frischer Farbe nimmt mir die Entscheidung ab. Ich bin gespannt, was mich im Bangertbau erwartet und wie weit die Bauarbeiten sind.
Neugierige Blicke auf der Baustelle
„Nur für Mitarbeiter“ steht an der weißen Zwischentür am Übergang vom Haupthaus zum Anbau. Nachdem ich mich nun an der Kasse offiziell vorgestellt habe, dürfte das ja kein Problem sein. Trotzdem strecke ich meinen Kopf langsamer als gewohnt durch den Türspalt. In einiger Entfernung höre ich Stimmen unterhalb des Treppenaufgangs und es läuft leise Musik. Jemand lacht. Die Stimmung ist offensichtlich gut und bleibt es auch, als ich dann die Treppe runtergehe. An den neugierigen Blicken sehe ich zwar, dass ich offensichtlich „kein Mitarbeiter“ bin. Da aber niemand spontan das Radio ausmacht, bleibt mir der „im Saloon hört der Piano-Spieler auf“-Moment erspart.
Fast 2000 Ausstellungsstücke ausgeräumt
Es sind drei Mitarbeiter des Deutschen Schifffahrtsmuseums, die hier an großen Leuchttischen verschiedene Archiv-Bestände sichten, katalogisieren und verpacken. Sie haben vor ein paar Monaten auch die Ausstellung hier im Bangert-Bau mit leergeräumt und alles erfasst. Wie viele Teile das waren? Alle drei überlegen kurz und sehen sich an. „Mit Sicherheit um die 2000 Stück“, so die einhellige Antwort. Alles wurde vermessen, mit einem Etikett versehen, beschriftet und für die Umbauzeit ins Archiv gebracht.
Nur ein paar Steinchen und ein Besen
Wir gehen ein Stück zusammen durch den ausgeräumten Bangertbau. Wer vor der Schließung einmal hier war, der weiß, dass hier dicht an dicht Original-Boote vom Segelschiff bis zum Ruderboot im Kiesbett gelegen haben. Alles weg. Auch der Kies. Nur ein paar Steinchen und ein angelehnter Besen zeugen davon, dass hier fleißig aufgeräumt wird, um Platz für Neues zu schaffen. An die alte Ausstellung erinnern nur noch runde Aufkleber auf dem glatten Fliesenfußboden: „5. Oktober 1908 – Schiff am Weststrand des Leuchtturms gestrandet“. Seenotrettung war das Thema und das wird auch in der neuen Ausstellung wieder zu sehen sein – allerdings dann im Laufe des Jahres 2020 drüben im Scharounbau in einer völlig neuen Art und Qualität.
Geheimnisvolles Objekt vom Nordpol in Noppenfolie
Der frische Farbgeruch wird jetzt noch intensiver. Ein hohes Malergerüst ist an der Seitenwand aufgebaut. Auf dem Fußboden stehen leere weiße Farbeimer. Daneben liegen Abdeckfolie und Klebeband. „ Hier ist schon alles neu gestrichen“, nicken die Mitarbeiter und nehmen bei der Gelegenheit auch schnell mal das Etikett an einem runden Teil unter die Lupe. Es ist sorgfältig in Noppenfolie eingepackt an einem Pfeiler befestigt und ragt fast bis zur Hallendecke auf. „Sedimentkern vom Nordpol“ lese ich darauf. Höhe: 4,50 Meter. Ein Sedimentkern ist Teil einer Tiefenbohrung in den Boden. Forscher ziehen aus der Zusammensetzung der Kerne unter anderem Rückschlüsse auf die Klimaentwicklung. Die Erklärung für den einsamen Platzhalter: „Das bleibt hier stehen. Polarforschung wird eines der großen Themen in der neuen Ausstellung hier im Bangert-Bau.“
Pottwalskelett hängt noch
Ebenso wie der Walfang. Das ist aber nicht der einzige Grund dafür, warum ich das sicher eingepackte und fast 15 Meter lange Pottwal-Skelett unter der Gebäudedecke trotz des laufenden Umbaus bestaunen kann. Mit einem Gewicht von mehreren Tonnen und den vielen einzelnen Knochen wäre es viel zu aufwändig gewesen, den Wal für den Umbau von der Hallendecke zu nehmen. Er wird der Hingucker zum Thema Walfang bei der Eröffnung der neuen Ausstellung im Bangert-Bau. Das wird wohl Ende 2019 soweit sein.
Die Elektriker arbeiten schon
Bis dahin ist noch ein wenig zu tun – auch, wenn vieles schon fertig ist. Die Elektriker sind fleißig dabei, neue Kabel zu ziehen. Am Pfeiler um die Ecke steht ein aufgeklappter Koffer mit Material. Vorangehen soll es vor allem, weil hier im Bangert-Bau noch während des Umbaus – bevor die neue Ausstellung komplett aufgebaut ist – eine spannende Sonderausstellung gezeigt wird.
Einmalige Sonderausstellung in leerer Halle
„Forschen, um zu erhalten“ ist der Titel und die Besucher werden erstmalig in dieser Bandbreite erleben, wie die Restauratoren im Deutschen Schifffahrtsmuseum arbeiten, um die wertvollen Archivbestände und Ausstellungsstücke zu erhalten. Die Mitarbeiter neben mir wissen, worum es geht: Wie schützt man altes Papier vor Sonnenlicht? Welche Temperatur darf der Raum haben? Welches Material benutzt man für Farben und Holz, wenn etwas Altes ersetzt werden muss? Vom 19. August bis zum 15. Dezember 2018 wird diese spannende Ausstellung im leeren Bangertbau des Deutschen Schifffahrtsmuseums zu sehen sein. Danach folgt eine weitere Ausstellung mit Elementen der Virtual Reality. Hautnah werden die Besucher dabei über Brillensysteme einen Einblick in die Forschungsschifffahrt bekommen. Und das in einer Atmosphäre und Umgebung, wie sie so nie wieder zu erleben ist, denn danach wird hier im Bangertbau die neue Ausstellung aufgebaut.
Zuletzt ins Archiv rein heißt: Zuerst wieder raus
Damit das auch reibungslos funktioniert und wieder verwendete Ausstellungsstücke reibungslos an ihren Platz kommen, haben sich die Mitarbeiter beim Ausräumen ein System ausgedacht. „Grüner Haken an der Vitrine heißt: Kommt auf jeden Fall wieder in die Ausstellung. Im Archiv nach ganz vorn stellen. Sonst muss man alles andere erst ausräumen, um dranzukommen“, lacht einer der drei, die mich begleiten.
Zukunftswochenende im Deutschen Schifffahrtsmuseum
Ich verabschiede mich von dem Archiv-Team und mache mich auf den Weg in den Scharoun-Bau. Hier gibt es in Kürze die Klammer zwischen den einzelnen Umbauphasen. Am 30. Juni und 1. Juli lädt das Haus zum Zukunftswochenende ein. Hier bekomme ich dann nicht nur alle Informationen zum neuen DSM und kann kostenlos in die Ausstellung. Ganz besonders ist für mich, dass ich dann persönlich mit den Wissenschaftlern sprechen und auch meine Vorstellungen der neuen Ausstellung einbringen kann. Darauf freue ich mich jetzt schon – abgesehen davon, dass während der Umbauzeit im DSM der Eintritt in der Koggehalle und im Museumshafen frei ist.
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