Das Wattenmeer der südöstlichen Nordsee ist zum Weltnaturerbe erklärt worden. Es ist das größte zusammenhängende Wattsystem der Welt. Seine Fläche erstreckt sich von den Niederlanden entlang Deutschlands Küste bis nach Dänemark. Die Fläche von 11.500 Quadratkilometern wurde 2009 in die UNESCO-Welterbe-Liste aufgenommen. Und das, was auf den ersten Blick wie eine endlose matschige Fläche erscheinen mag, birgt Millionenfaches Leben. Ihr müsst nur genau hinschauen.
Priele sind die Lebensadern des Watts
Aus der Luft betrachtet, erscheint das Watt wie ein Gemälde. Wind, Strömungen und Gezeiten bilden ein feines Geflecht aus Prielen. Sie durchziehen das Watt wie feinste Adern. Wenn sich das Wasser zurückweicht, könnt ihr über den Meeresboden wandern. Genau dort, wo vor ein paar Stunden noch große Schiffe verkehrten. Es scheint fast irreal, dass das möglich ist.
Wenn Ihr mit Sonnenschutz, wetterfester Kleidung und barfuß das Watt betretet, werdet Ihr schnell feststellen, dass der Boden überall unterschiedlich ist. An einigen Stellen ist er härter, an anderen sackt Ihr mit Euren Füßen ein.
Einen Priel durchquerend, werdet Ihr spüren, welche Kraft das ab- oder auflaufende Wasser hat. Selbst dann, wenn Euch das Wasser nur bis zum Knie reicht. Also unterschätzt dieses Wunder der Natur nicht! Begebt Euch am besten mit erfahrenen Wattführer:innen in diesen Lebensraum. Sie werden Euch schon nach wenigen Schritten auf die ersten Lebewesen aufmerksam machen, an denen Ihr womöglich achtlos vorbeigelaufen wärt.
Raubtiere im Watt
Zwar sind das größte Raubtier Deutschlands, die Kegelrobbe, und der Schweinswal hier zu Hause. Aber das Watt ist auch Station für 12 Millionen Vögel auf ihrem Flug zwischen den Brut- und Überwinterungsräumen. Im Sommer sind die Salzwiesen der Küste Brutplatz für rund 30 Vogelarten. Unter Wasser tummeln sich rund hundert Fischarten. Das Wattenmeer ist Spielplatz für die jungen Schollen, Seezungen und Heringe. Aber auch Haie gibt es hier! Allerdings müsst Ihr keine Angst vor dem gefleckten Katzenhai haben. Zu seinen Lieblingsspeisen gehören am Boden lebende Fische und wirbellose Tierarten. Aber auch Skorpione gibt es hier. Allerdings nicht als Spinnentier an Land, sondern als Fisch im Wasser. Der Seeskorpion kann bei Gefahr seine Kiemenstacheln weit abspreizen. Damit verdirbt er Möwen und Raubfischen den Appetit, sollten sie ihn erwischen.
Reges Getummel im Watt
Wenn Ihr auf dem braunen Wattboden steht, verspürt Ihr vielleicht ein Kribbeln an den Füßen. Die rührt nicht daher, dass Eure Füße und Beine bei einem Spaziergang über den Meeresboden gut durchblutet sind. Ihr steht tausenden von Lebewesen auf dem Kopf! Auf einem Quadratmeter Schlickwatt leben etwa 100.000 Schlickkrebse. Diese winzigen, quirligen Tierchen sind es, die Ihr an Euren Füßen spürt.
Die hier lebende Wattschnecke ist mit drei bis sechs Millimetern so winzig, dass sie aussehen, wie schwarze Krümelchen. Allerdings bewegen sich diese „Krümelchen“ ständig fort. Das Watt ist auch Heimat von Muschel-Emigranten. Die Pantoffelschnecke wurde 1880 in die Nordsee verschleppt. Zur Gruppe der Weichtiere gehört die Käferschnecke. Ihr Rücken ist durch acht überlappende Kalkplatten geschützt. Die Tierchen verankern sich mit ihrem Saugfuß fest am Untergrund. Wenn sie will, kann die Schnecke zum echten Sprinter mutieren und zehn Zentimeter pro Minute zurücklegen. Meist lässt sie es aber gemütlicher angehen und mit nur einem Zentimeter gut sein.
Schnecke vis Muschel
Verdickte, geschwungene Wachstumsringe auf ihrem Gehäuse haben der Wellhornschnecke den Namen gegeben. Sie knackt Muscheln, indem sie ihren Schalenrand in den Spalt zwischen den Muschelschalen stemmt. Allerdings steht sie selbst auch auf der Speisekarte der Möwen. Die Strandschnecke schabt mit ihrer Raspelzunge über den Untergrund. Das so aufgenommene pflanzliche Material ist ihre Nahrung. Extremer Trockenheit trotz die Schnecke mit einem Horndeckel, der ihr Gehäuse verschließt. So kann sie bis zu drei Wochen Trockenheit überleben.
Neue Kleider braucht der Krebs
Zu der „Krebsfamilie„, die hier lebt, zählen: Einsiedlerkrebs, Entenmuschel, Nordseegarnele – für viele von Euch ein Leckerbissen -, Schwimmkrabbe, Seepocke, Seespinnne, Strandkrabbe und Taschenkrebs. Krebse schützen sich mit ihrem Chitinpanzer. In der Wachstumsphase werfen sie den alten Panzer ab und ein neuer wird gebildet. Selbst abgebissene Beine ersetzen sie so. Ein weiteres Wunder der Natur!
Kein Watt ohne Wurm
Wuselig geht es auch bei den Würmern zu. Zu ihnen gehören der borstige Bäumchenröhren– und Kotpillenwurm. Er wird wegen seines Aussehens auch „Gummibandwurm“ genannt. Der größte im Watt lebende Wurm ist der Grüne Meerringelwurm. Der Seeringelwurm hat viele Paddelfüßchen. Mit zwei Kieferzangen ausgestattet, begibt er sich auf Beutezug. Der bekannteste und Star unter den Würmern ist aber der Wattwurm. „Spaghettihäufchen“ auf dem Wattboden verraten Euch, wo der Wattwurm zu Hause ist. In etwa 20 Zentimeter Tiefe lebt der Wurm in einer U-förmigen Rähre. Er frisst den Sand und verdaut die organischen Reste darin. In regelmäßigen Abständen kriecht er rückwärts an den Oberfläche und gibt blitzschnell die kringelige Kotspur ab. Sollten ihn dabei Fressfeinde schnappen, kann er das letzte Endes seines Schwanzes abreißen lassen, bevor er wieder in der Tiefe seiner Röhre verschwindet.
Schuhe aus und rein ins Vergnügen
Wenn Ihr nun neugierig auf diese einzigartige Natur und Artenvielfalt geworden seid, nehmt doch mal an einer Wattwanderung teil. Nur wenige Kilometer nordwärts Bremerhavens nehmen Euch die Wattführer:innen mit in diesen einzigartigen Lebensraum. Mit Hilfe eines Wattmobils ist das Watt auch barrierefrei zu befahren. Dieses Erlebnis vergesst Ihr nicht so schnell!
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