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Verlockung Weltall

Auswanderung ins Weltall? Fantasie oder Realität? In der neuen Sonderausstellung im deutschen Auswandererhaus findet ihr’s heraus.

ArchitekTour - Die weiße Außenfassade des Deutschen Auswandererhauses zieren Porträts
10. Juli 2025
4 min read
Mondlandschaft von Petr Ginz in der Sonderausstellung verlockung Weltall

Wenn wir heute über Migration sprechen, denken wir an Landesgrenzen, an Kriege, Arbeit und an Umwelt. Doch was passiert, wenn wir unseren Blick ins All erweitern und über Space Migration nachdenken? Das tut nun das Deutsche Auswandererhaus mit einer Sonderausstellung. Der Besuch lohnt sich, auch für Weltraum-Muffel.

Nettes Gedankenspiel, dachte ich, als ich hörte, dass sich die neue Sonderausstellung des Deutschen Auswanderungshauses mit der Auswanderung ins All beschäftigen wird. Aber eine ganze Sonderausstellung dazu konzipieren? Da war ich skeptisch. Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert. Was meine Kolleginnen aus der Wissenschaft mit der Hilfe zahlreicher Expertinnen und Experten zusammengetragen und ausgewählt haben, und was ihr euch bis Anfang Januar 2026 im Deutschen Auswandererhaus anschauen könnt, das ist viel mehr als ein launiges Gedankenspiel, mehr auch als reine Science Fiction.

Eine Besucherin betrachtet ein Exponat in der Ausstellung Verlockung Weltall

Seit jeher übt das Weltall eine große Faszination auf die Menschheit aus © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Stefan Volk

Denn Space Migration wird zunehmend real. Staaten und private Unternehmen haben schon jetzt konkrete Pläne für den Ressourcenabbau und Siedlungen im All. Ein Beispiel: China und Russland wollen in Kooperation mit anderen Staaten und Einrichtungen bis 2035 eine Mondforschungsstation aufbauen. Eine Nuklearstation soll die Energie dafür liefern. Ein unglaublicher Reichtum lagert dort oben, den sich niemand entgehen lassen will.

VERLOCKUNG WELTALL. AUSWANDERN AUF MOND, MARS, VENUS? zeigt den aktuellen Stand der Forschung anhand ausgewählter Projekte aus der Luft- und Raumfahrt (mit Schwerpunkt auf die europäische Luft- und Raumfahrt, für die ein wichtiger Standort ausgerechnet das kleine Land Bremen ist). Wie können wir dort oben eigentlich überleben, wie könnten Habitate auf dem Mars aussehen?  Was können wir für das Auswandern ins All von der irdischen Migration lernen? Was nehmen wir von der Erde mit? Wie verteilen wir die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die gewonnenen Ressourcen gerecht unter der Menschheit auf? Diese Fragen, die die Ausstellung in vielen Beispielen aufwirft und konkretisiert, zeigen auch „All-Muffeln“ wie mir: Wir müssen darüber sprechen, was da oben schon geschieht. Wir müssen darüber diskutieren, wir müssen uns einmischen!  Daher gibt es in der Ausstellung ein Wahlforum Space Migration. Alle Gäste werden hier nach ihrer Meinung gefragt. Und sie können abstimmen: Möchten Sie ins All auswandern?

Das Wahlforum Space Migration in der Sonderausstellung Verlockung Weltall
Gäste stimmen im Wahlfroum Space Migration über die Fragen der Ausstellung ab. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Stefan Volk

Das Deutsche Auswandererhaus ist ein kulturhistorisches Museum, und daher werden in der Ausstellung auch Zeugnisse aus unterschiedlichsten Zeiten präsentiert, die zeigen, dass das All die Menschheit schon immer fasziniert hat: Von der briefmarkengroßen Figur eines Sternenbeobachters, die um 40.000 v.u.Z. aus Mammutelfenbein geschnitzt wurde, bis hin zu zeitgenössischen Kunstwerken, die sich mit der Faszination des Alls auseinandersetzen. Zum ersten Mal in seiner Geschichte zeigt das Auswandererhaus so viel Kunst, 10 Positionen sind es insgesamt – darunter eine begehbare Installation, Malerei, Skulpturen und  einen Film. Und nicht zu vergessen die Science Fiction! Wussten Sie, dass das erste Science Fiction-Werk bereits im 2. Jahrhundert geschrieben wurde? In Wahre Geschichten wird das Segelschiff des Autoren Lukian von einer Windbö erfasst und zum Mond getragen…

Was mich in dieser Ausstellung jedoch am meisten berührt hat und mir eineTür zum Thema geöffnet hat, das ist eine Bleistiftzeichnung. Sie zeigt eine festungsartige Mondkraterlandschaft. Weit weg, in der Ferne sieht man die Erde. Als Petr Ginz dieses Bild zeichnete, war er als Jude im Ghetto Theresienstadt interniert. Wenig später wird er mit 16 Jahren in Auschwitz umgebracht. Seine Zeichnung wird gerettet. 2018 fliegt das Bild mit der ISS-Expedition 56 ins All, nachdem ein erster Versuch mit der Columbia scheiterte. In dieser Zeichnung steckt so vieles: Ein furchtbares Stück Menschheitsgeschichte, ein Stück Raumfahrtgeschichte, aber auch Sehnsucht und Hoffnung nach einer besseren Welt, die tiefe Melancholie der Isolation und das Staunen vor dem Erhabenen des Weltalls.

Mondlandschaft von Petr Ginz in der Sonderausstellung verlockung Weltall
Die gerettete Zeichnung von Petr Ginz © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Stefan Volk

Der Blick aus dem All auf die Erde sei magisch, sagte der Astronaut Thomas Reiter bei der Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung. Man werde süchtig danach. meine Antwort auf die Frage, ob ich ins All auswandern möchte, lautet indes noch immer und in aller Entschiedenheit: Nein. Aber mein Blick hoch in die Sterne, der hat sich verändert.

Infos zur Ausstellung

„Verlockung Weltall. Auswandern auf Mond, Mars, Venus?“ ist noch bis 7. Januar 2026 im Deutschen Auswandererhaus zu sehen.
Der Eintrittspreis in die Sonderausstellung ist im Museumseintrittspreis enthalten. Begleitend zur Ausstellung gibt ein Kinderquiz, das alle jungen Besucher:innen an der Kasse erhalten. Angeboten werden Highlight-Führungen durch die Ausstellung sowie spezielle Familienführungen.
Alle Termine findet ihr unter https://dah-bremerhaven.de/events

Judith Zimmermann
Deutsches Auswandererhaus

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Auswandererhaus Gastautor*in

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