Am Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven leuchtet der große Tannenbaum auf dem Balkon den Weg in das festlich geschmückte Foyer. Seit dem letzten Sonntag brennt auch die dritte Kerze am großen Adventskranz und so sind es nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest. Für mich ist das Weihnachtsfest und die Adventszeit nicht nur eine Zeit des Zusammenkommens mit den Liebsten, sondern auch eine Zeit voller weihnachtlicher Köstlichkeiten. Und jedes Jahr mit der Frage verbunden: Welche Speisen bereiten wir dieses Jahr an Weihnachten zu? Bei mir Zuhause gibt es nicht das eine traditionelle Gericht, welches wir jedes Jahr essen. Bei der Planung des Weihnachtsmenüs bin ich immer offen für neue Gerichte, auch aus anderen Kulturen. Deshalb erkunde ich mich bei meinen Kolleg*innen, die alle aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen kommen, was bei ihnen traditionell an Weihnachten gegessen wird und ob sie Rezepte mit in ihre neue Heimat, Deutschland genommen haben. Außerdem begebe ich mich auf Spurensuche zu weiteren weihnachtlichen Köstlichkeiten, die über den Atlantik gereist sind.

Erinnerungen an die geliebte Heimat
Im Museumsrestaurant treffe ich Agnieszka Szymanska, kurz Agnes, die gerade damit beschäftigt ist, das Weihnachtsmenü für die Festtage zu planen. Auch in diesem Jahr erwarten Gäste des Museumsrestaurants wieder festliche Speisen, wie Ente mit Rotkohl oder auch Kabeljaufilet mit Drillingskartoffeln. Zum Nachtisch wird ein weihnachtliches Lebkuchen-Mousse serviert. Auch Vegetarier*innen kommen natürlich auf ihre Kosten. Neben der Erstellung von Speisekarten sorgt Agnes als Leiterin des „Speisesaals“ zusammen mit ihrem Team für das leibliche Wohl der Museumsbesucher*innen. Die gebürtige Polin kam im Jahr 1989 nach Deutschland und ist seit 2006 für das Deutsche Auswandererhaus tätig. An Heiligabend gab es in ihrer Familie traditionell immer zwölf fleischlose Gerichte, symbolisch für die zwölf Apostel. Dazu zählten zum Beispiel „Makielki“, das sind Brötchen vom Vortag, die eingeweicht und mit Mohn, Pflaumenkonfitüre, Nüssen sowie Dörrfrüchten warm als Dessert verspeist werden. Aber auch „Zupa Grzybowa z Uszkami“, eine Waldpilzsuppe mit Maultaschen, die mit Sauerkraut und Pilzen gefüllt sind. Die weiteren zehn Gerichte sind: Karpfen in Aspik, gebratener Karpfen, gebratener grüner Hering, in Öl eingelegter oder in Essig marinierter Hering, gekochtes Sauerkraut mit Kichererbsen, gefüllte Eier, gebratener Fisch nach griechischer Art, Kartoffel-Gemüse-Salat, Maultaschen gefüllt mit Schichtkäse. Also eine Vielzahl an Ideen für mein und euer diesjähriges Weihnachtsmenü.
Ein Kartoffelsalat auf Reisen
Während in Polen oft die besagten zwölf Gerichte aufgetischt werden, kommt in Deutschland in vielen Haushalt an Heiligabend eine bestimmte Beilage auf die Teller: der Kartoffelsalat. Den einen Kartoffelsalat gibt es dabei jedoch nicht, vielmehr gibt es fast so viele Rezepte wie Kartoffelsalatzubereiter*innen. Und ein Zubereiter von Kartoffelsalaten spielt eine besondere Rolle im Deutschen Auswandererhaus: Hinrich Carstensen, der in seinem Leben auf Föhr keine wirtschaftliche Perspektive mehr sieht und 1953 nach New York auswandert. Als Angestellter in einem Delikatessenladen, kurz Deli, verdient er sich sein Geld, mit dem er sich Kinobesuche und Fahrten in die nähere Umgebung finanziert. In seinem Heimaturlaub auf Föhr lernt er schließlich seine spätere Ehefrau Inge kennen, die sich sofort dazu entscheidet ihm nach Amerika zu folgen – Im Jahr 1958 tritt sie ihre Reise nach New York an. Nach ihrer Hochzeit in Amerika betreiben sie gemeinsam einen eigenen Delikatessenladen, in dem sie neben amerikanischen Produkten auch importierte Lebensmittel aus Deutschland zum Verkauf anboten. Aber auch selbstgekochtes Essen wie der hausgemachte deutsche Kartoffelsalat war bei den Kunden überaus beliebt. Im Deutschen Auswandererhaus könnt ihr eine Rekonstruktion dieses New Yorker Geschäfts bestaunen und erfahren, welche Rolle Esskultur für Auswander*innen spielte.

© Deutsches Auswandererhaus/Foto: Melanie Holz
Kein Ort wie Zuhause
Neben dem Weihnachtsfestessen sind es aber auch die kleinen Köstlichkeiten, die die Adventszeit verschönern. So beginnen die weihnachtlichen Tage schon Anfang Dezember mit Plätzchen, Christstollen, Spekulatiusdesserts oder mit warmen Bratäpfeln aus dem Ofen. Es sind die Rezepte, die über Generationen weitergetragen, manchmal auch modernisiert, werden. Es sind aber manchmal auch Rezepte, die von der Heimat mitgenommen werden, um im einem neuen, fremden Land Vertrautes bei sich zu haben. Auch Albert Kirchmayr wollte eine deutsche Tradition mit ins Ausland nehmen. Im Deli im Grand Central Terminal des Deutschen Auswandererhauses erfahre ich mehr zu dieser ausgewanderten Süßigkeit.

© Deutsches Auswandererhaus/Foto: Melanie Holz
Manchmal muss es etwas Neues sein…
Den Schokoladenweihnachtsmann kennen alle, die in der Weihnachtszeit schon einmal in einem Supermarkt in Deutschland waren. Aber es gibt ihn nicht nur hier, sondern auch in vielen Ländern der Welt. Seinen Weihnachtsmann aus seiner eigens hergestellten Schokolade wollte der aus Westdeutschland stammende Albert Kirchmayr in Amerika anbieten, das klappte allerdings erst über einen Umweg. Als Albert Kirchmayr 1979 nach Baltimore kommt, ist er durch seine Wanderlust schon viel in der Welt rumgekommen. In seinem eigenen Geschäft bietet der Gründer von „Kirchmayr Chocolatier“ Schokoladenweihnachtsmänner an. Doch von dem deutschen Schokoladenweihnachtsmann waren amerikanische Kunden nicht angetan, sie empfanden den Gesichtsausdruck als zu „zornig“.

Und so kam es, dass die Firma Hans Brunner für Herrn Kirchmayr eine neue Gussform entwickelte. Der gelernte Koch hatte seitdem also einen Schokoladenweihnachtsmann mit einem freundlicheren Gesicht, der schlussendlich von einer großen Kundschaft angenommen wurde. Mittlerweile sind beide Gussformen der Schokoladenweihnachtsmänner Bestandteile der vielfältigen Sammlung des Deutschen Auswandererhaus und können in der Ausstellung im erwähnten Delikatessenladen begutachtet werden.

Vom Norden in den Süden
Auf meiner Suche nach ausgewanderten Speisen stoße ich jedoch nicht nur auf weihnachtliche Gerichte, die von Auswander*innen mit ins Ausland genommen wurden oder von Einwander*innen mit nach Deutschland. So lerne ich nach meinem Umzug vom Süden Deutschlands nach Bremen selbst das erste Mal den „Klaben” kennen, eine Art Christstollen auf bremische Weise. Schon im Jahr 1593 wurde dieser urkundlich erwähnt und hat allem Anschein nach eine sehr lange Tradition. Beim nächsten Weihnachtfest backe ich dieses Weihnachtsgebäck sicherlich gemeinsam mit meiner Familie in meiner Heimat und gebe so eine norddeutsche Tradition weiter, in dem Sinne sozusagen ein migriertes Rezept innerhalb von Deutschland. Ein Rezept dafür habe ich auf der Website des Bremer Gewürzhandels auf jeden Fall schon gefunden.
Bremerhavener Weihnacht für zu Hause
Wenn ihr nach den Geschichten der verschiedenen Speisen zu Weihnachten jetzt Appetit bekommen habt, könnt ihr gerne bei uns im Shop vorbei schauen. Denn das Team des Deutschen Auswandererhauses hat weihnachtliche Schatzkisten mit regionalen Leckereien aus Bremerhaven zusammengestellt. Weihnachtspäckchen mit Honig und körnigem Schiffsbrot für ein gemütliches Frühstück in der Weihnachtszeit oder aromatischer Tee und ein Backbuch für einen leckeren Nachmittag zum Plätzchenbacken. Schaut doch mal vorbei und sucht euch ein Weihnachtspäckchen für euch selbst oder eure Liebsten aus. Auf der Website des Deutschen Auswandererhauses gibt es weitere Informationen!

Nach den Gesprächen mit meinen Kolleg*innen merke ich wieder, dass sich Weihnachten natürlich um all die Leckereien dreht, aber eben nicht nur. Vielmehr geht es darum, dass man mit seinen Liebsten beisammen ist und bei interessanten Gesprächen wertvolle Stunden zusammen verbringt. Und dass die Gespräche um so besser werden, wenn es dabei leckere, spannende, neue Speisen aus aller Welt zu entdecken gibt.
Melanie Holz, Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
[bre_box title=“Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ title_color=“#FFFFFF“ radius=“5″]Columbusstraße 65, 27568 Bremerhaven
Tel.: 0471 / 90 22 0 – 0, E-Mail: info@dah-bremerhaven.de
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www.dah-bremerhaven.de
Informationen zu den Weihnachtspäckchen: https://www.dah-bremerhaven.de/weihnachtspaeckchen-2021
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