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Tim Freiwald in Bremerhaven

Unter dem Titel Keeping Things Whole zeigt die Kunsthalle Bremerhaven bis zum 8. März 2019 die erste Einzelausstellung des Künstlers Tim Freiwald. Der Künstler studierte […]

Eine Frau hält sich ihren Rollkragen vor das halbe Gesicht und blickt in die Kamera.
13. Feb. 2020
5 min Lesezeit
Verschiedene bunte Skulpturen und drei Bilder an weißen Mauerwänden.

Unter dem Titel Keeping Things Whole zeigt die Kunsthalle Bremerhaven bis zum 8. März 2019 die erste Einzelausstellung des Künstlers Tim Freiwald. Der Künstler studierte bis 2014 Malerei und Grafik an der Kunstakademie in München unter anderem bei dem Gegenwartskünstler Thomas Scheibitz. 

Die Malerei

Einige malerische Arbeiten von Thomas Scheibitz sind mir schon begegnet: in Galerien, in Museen, in Fachzeitschriften. Seine konstruierten Farbwelten verschließen sich zunächst dem schnellen Zugriff. Er balanciert zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion und bevorzugt Chiffren. Seine Werke lassen einen erkennen, dass die Welt aus vielen Teilen besteht, die ein großes Ganzes ergeben. Daher war ich voller Vorfreude auf die Werke von einem seiner Meisterschüler.

Schon seit mehreren Jahrzehnten wird der Malerei den Tod vorhergesagt. Besonders mit dem Aufkommen der Fotografie häuften sich die Todesmeldungen: die Malerei, ein veraltetes Instrument. Aber was soll ich sagen: die Diskussion über den Tod der Malerei ist überflüssiger denn je. In meinen Augen erfreut sich die Malerei bester Gesundheit. Vor allem, wenn sich junge Künstler, wie Tim Freiwald einer ist, sich ihr so hingeben.

Seine Malerei

Tim Freiwalds Arbeiten bewegen sich zwischen konkreter Kunst und einer Neuauflage von Tafelbildern. So kam es mir zumindest als erstes in den Sinn. Konkrete Kunst, da die Arbeiten ungegenständlich sind und die Farben sowie die Materialien eine wichtige Rolle in seinem Schaffen einnehmen. An die Tafelmalerei erinnern die Arbeiten, da Tim Freiwald seine Farben auf einem festen Material wie Holz aufträgt. Wie Ikonen hängen sie an der Wand. Weitere Ähnlichkeiten mit den Kunstrichtungen gibt es nicht. Der erste Gedanke ist selten der Richtige.

Blick durch ein Fenster

Die Arbeiten von Tim Freiwald schaffen etwas ganz Neues. In der Kunsthalle Bremerhaven sind mir einige Arbeiten aufgefallen, die das besonders zum Ausdruck bringen. Es sind Werke, die sich für mich zu einer Art Zwischenraum oder auch Schwellenraum entwickeln. Jeder kennt diese Räume, die jeder sieht aber kaum wahrnimmt. Das Fenster gehört zu dieser Gattung. Ein Raum, der den Blick lenkt und die Sicht auf etwas frei gibt. Es ist aber auch eine Schnittstelle, die das Innen vom Außen trennt. Genau das machen diese Arbeiten von Tim Freiwald. Sie lenken konzentriert den Blick in einen Bereich des Bildes, welcher meist verschlossen ist. Die rechteckige Form der Bilder trägt zu der Assoziation bei.

Tim Freiwald, 2019. Der Künstler lässt den Betrachter ins Innere des Bildes blicken. Bis die dahinterliegende Wand zum Vorschein kommt. (c) Kim Rothe

Form und Weise

Tim Freiwalds Werke sind vielschichtig und machen unglaublich neugierig. Es stellt sich die Frage nach der Arbeitsweise bzw. Herangehensweise. Wie erschafft der Künstler solche Werke?! Antwort: für seine Arbeiten verwendet er ganz unterschiedliche Materialien wie Spanplatten, Styropor, Plastik, Hartschaum oder sogar Kupfer. Diese bearbeitet er solange, bis er der Meinung ist, dass die Arbeiten ihre Stabilität gefunden haben. Das bedeutet: es wird geschichtet, wieder offengelegt, verdeckt, verhüllt und verbunden. So verhält es sich auch mit der kontraststarken Farbe. Sie wird dick aufgetragen, wieder abgekratzt, neu gemischt, mit Pigmenten verfeinert. Eine enorme Arbeit, die sehr zeitintensiv sein muss. Wäre es nicht schön, nur einmal kurz mit dem Fingerspitzen über die Oberfläche streichen zu können, nur um zu fühlen, wie das Material lebt.

Ausschnitt: Tim Freiwald, 2019. Die einzelnen Schichten, die splitternde Kanten lassen teilweise die Werkzeuge erkennen, welche der Künstler zur Bearbeitung benutzt hat.
(c) Kim Rothe

Zum Glück, darf das Auge alles. Nachdem jede malerische und stoffliche Hürde genommen wurde, gelangt der Betrachter, zum Kern des Bildes. Das Konstrukt lässt tief in sich hinein blicken. Sichtbar werden nicht nur die übereinander liegenden Material- und Farbschichten, sondern auch oft die dahinterliegende Wand.

Ausschnitt: Tim Freiwald, Window at Night, 2019. Ein Fenster, welches den Blick des Betrachter auf sich zurückwirft. (c) Kim Rothe

Zwischenraum

An diesem Punkt komme ich wieder zu meiner Fenstermetapher zurück. Das Fenster hat in der Kunstgeschichte nicht nur eine lange Tradition, sondern ist auch ein bewusst eingesetztes Stilelement. Dieser Zwischenraum trennt das Innen vom Außen, steht zwischen Wirklichkeit und Illusion oder symbolisiert auch eine Art Sehnsucht. Tim Freiwalds Arbeiten gehören in diese Kategorien: er lenkt meinen Blick ins Innere des Bildes, zeigt mir einen anderen Zustand eines Objektes und verbindet mich mit diesen. Der Künstler erschafft Kunstwerke, die sich dem Betrachter offenbaren.

Tim Freiwald, 2019. So wird es zu einem Ganzen. Das Kunstwerk als ein stabiles Konstrukt. (c) Kim Rothe

All das und noch viel mehr bewirken die Werke von Tim Freiwald. Sie nehmen einen ein. Die Ausstellung in der Kunsthalle Bremerhaven hat viele weitere Werke zu bieten. Jedes einzelne Werk erzählt dabei seine eigene Geschichte und teilt sie mit dem Betrachter. Als gebe es zwischen ihnen keine Geheimnisse. Oder?! Von wegen, die Malerei ist tot.

[bre_note] 19. Januar bis 8. März 2020
Tim Freiwald. Erste Einzelausstellung. Keeping Things Whole in der Kunsthalle Bremerhaven
Veranstaltungen im Rahmen der Veranstaltungen finden statt
Öffnungszeiten und mehr unter: www.kunsthalle-bremerhaven.de
Informationen zu Tim Freiwald unter: www.timfreiwald.com[/bre_note]

Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung des Künstlers Tim Freiwald in der Kunsthalle Bremerhaven. (c) Kim Rothe
Eine Frau hält sich ihren Rollkragen vor das halbe Gesicht und blickt in die Kamera.
Kim Rothe

Assistentin der Geschäftsführung, Hotels Adena und Amaris.

Ohne das leise Poltern des Hafens fühle ich mich nicht heimisch. Meistens sind es die Kleinigkeiten, die eine Stadt und das Leben in ihr ausmachen.

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