Wenn die Tage kürzer werden, es draußen nass, kalt und grau ist und so gar nicht mehr richtig hell werden will, wenn man die ersten Kerzen anzündet und es sich so richtig gemütlich macht, dann kann mich wenig rauslocken aus der heimeligen Wohnung. Vielleicht noch die bunten Lichter und verführerischen Gerüche vom Weihnachtsmarkt – ansonsten werden Aktivitäten bis auf weiteres nur noch drinnen geplant. Gerade im Theater läuft der Betrieb zur Weihnachtszeit auf Hochtouren. Neben Musicals, Opern, Konzerten, Ballettaufführungen und Schauspielstücken für das erwachsene Publikum, werden täglich auch Busladungen voll Kindern vor dem Theater ausgekippt, die sich PINOCCHIO anschauen, denn:
Winterzeit heißt Märchenzeit!
Dann gehe ich besonders gerne und oft ins Theater. Die Menschen machen sich zur Weihnachtszeit immer etwas schicker. Auch wenn es entgegen mancher Meinung, ins Theater dürfe man nur in Abendgarderobe gehen, heutzutage völlig okay ist, sich in Alltagsklamotten in den Zuschauersaal zu setzen, stimmt es einen doch festlicher. Und wenn erst der große Tannenbaum im Foyer aufgestellt wird, komme auch ich so richtig in Weihnachtsstimmung.
Ein Highlight ist jedes Jahr das Weihnachtsmärchen – wobei es strenggenommen als Familienstück zur Weihnachtszeit betitelt wird, denn ein Weihnachtsmann taucht nicht auf in der diesjährigen Inszenierung PINOCCHIO, bei der der Argentinier Marcelo Díaz Regie geführt hat. Trotzdem gehört es irgendwie dazu, sich im Advent ein Schauspiel für Kinder anzuschauen, versetzt es viele Erwachsene doch immer wieder ein Stück weit in ihre eigene Kindheit. Die Vorfreude auf Weihnachten, die imposante Bühne – die besondere Theateratmosphäre, die einen als Kind ganz ehrfürchtig werden ließ…
Leuchtende Kinderaugen
Heute geht mir das Herz auf, wenn ich um mich herum die vielen begeisterten Kinder sehe. Auch sonst schaue ich mir natürlich alle Premieren der Kinder- und Jugendstücke im JUB! – dem Jungen Theater Bremerhaven am Elbinger Platz – an. Aber besonders zur Adventszeit kann man sich selbst gut in diese kindliche Euphorie zurückversetzen, lässt sich gerne verzaubern von den Märchen auf der Bühne und mitreißen von den Reaktionen der Kinder um einen herum. Und da wird gezuckt, mitgefiebert, aufgesprungen und gebrüllt, wenn Pinocchio auf den Rat von Kater und Fuchs hin seine Goldtaler vergräbt, um sie vermeintlich zu vermehren:
„Pinochio! Komm zurück! Die haben dein Geld geklaut!“
– so dass es für die Schauspieler manchmal schwer ist, gegen die aufgebrachte Meute von gut 500 Kindern anzukommen. Es ist beeindruckend, wie es das Konzept, das vom szenischen Spiel und der live auf der Bühne erzeugten Akustik getragen wird, schafft, ohne große Bühnenaufbauten und Requisiten die kleinen wie großen Zuschauer mitzunehmen. Und das ist doch das Tolle, wenn wir Theater wieder so erleben können wie als Kind. Wenn unsere eigenen – inneren – Kinderaugen wieder groß werden und zu leuchten beginnen, weil wir etwas spüren oder sehen, was real gar nicht existiert.
Bei PINOCCHIO wird die ganze Sound-Kulisse live auf der Bühne von den Schauspielern selbst hergestellt. Das heißt, während Gepetto Pinocchio schnitzt, wird das Geräusch dazu von den Kollegen auf den Seiten der großen Bühne erzeugt – wie bei einem Hörbuch oder in der Film-Postproduktion.
Wenn Pinocchio Feuer macht, wird die Streichholzschachtel an der „Sound-Bar“ direkt unter dem Mikrofon synchron zu Pinocchios Bewegungen auf der Bühne betätigt. Wenn das Feuer brennt, knistern dazu zwei Schauspieler im Halbdunkel an der Seite an Blasenfolie herum. Man sieht permanent, wie die Geräusche gemacht werden – aber vergisst die Nebenkulisse sofort wieder, wenn man von der Handlung im Zentrum der Bühne in den Bann gezogen wird… und spürt durch diesen zusätzlich verstärkenden Sinneseindruck förmlich die Hitze des knisternden Feuers!
Das Geräusche-Erzeugen hat übrigens eine lange Tradition am Theater. In der historischen Aufführungspraxis bediente man sich gerade für Naturgewalten genau dieser Mittel: Dünne Bleche, die Regen und Blitze imitieren, dumpfe Paukenschläge für Donner-Geräusche und Effektmaschinen, z.B. eine Art hölzerne Drehorgel, die mit Tuch bespannt ist und durch das Drehen ein Windgeräusch erzeugt – wie es auch bei PINOCCHIO zu sehen und hören ist. Früher waren diese Geräte für das Publikum nicht zu sehen, und waren somit schon damals die ganz besonderen special effects des Theaters.
Theater verzaubert – immer wieder!
Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Stücke ich in den letzten Jahren berufsbedingt gesehen habe, und davor schon, aus rein privatem Interesse. Aber gerade die Backstage-Arbeit, die Zaubermittel, die Theatertechnik – vom Bühnenbild über Requisite und Kostüm bis hin zur Maske – das bleibt immer noch spannend und faszinierend für mich, daran kann ich mich nicht satt sehen!
PINOCCHIO wird noch bis zum 26. Dezember 2017 im Stadttheater Bremerhaven aufgeführt. Für Familien empfehlen sich die Vorstellungen am Sonntag, dem 10. Dezember um 11:00 und 14:00 Uhr, am Sonntag, dem 17. Dezember um 11:00, 14:00 und 16:00 Uhr sowie am 26. Dezember um 16:00 Uhr. Der Eintritt kostet zwischen 8 und 14 Euro.
Wer an weiteren Blicken hinter die Kulissen interessiert ist und sehen möchte, wie das Theatermachen backstage funktioniert, kann an einer monatlich stattfindenden THEATERFÜHRUNG teilnehmen. Karten à 3 Euro gibt es an der Theaterkasse oder online. Alle aktuellen Termine sind zu finden unter www.stadttheaterbremerhaven.de/spielplan.
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