Der Schauspieler wartet auf seinen Einsatz. Anspannung macht sich breit. Im Kopf geht er noch einmal den Text durch. Dann ist es so weit. Das Spiel beginnt. Doch nach ein paar Sätzen verliert er den Faden. Die Worte, die ihm sonst so leicht über die Lippen kommen, geraten ins Stocken – er hat den, in seiner Zunft gefürchteten, „Hänger“. Seine Augen wandern zur Person, die am Rand des Zuschauerraums sitzt und ihm in brenzliger Lage zur Seite steht: die Souffleuse.
Die Blicke treffen sich. Durch ein Nicken signalisiert er, dass er Unterstützung braucht. Sogleich flüstert sie ihm das gesuchte Wort zu. Das war der Stein des Anstoßes, den er brauchte, um das Spiel fortzusetzen. Schon ist alles wieder da und der Text sprudelt aus ihm heraus, als ob nie etwas gewesen wäre. Im Publikum hat niemand etwas gemerkt und die Vorstellung geht weiter.
Birgit Ermers ist Souffleuse (m. Souffleur) am Stadttheater Bremerhaven und hat solche Momente schon oft erlebt. Ihre Aufgabe ist es, Schauspieler:innen zur Seite zu stehen, falls diese einmal ihren Text vergessen oder den Einsatz verpassen. Der Begriff souffleur kommt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt flüstern oder hauchen. Passend, denn der Job einer Souffleuse ist subtil, da ihr Eingriff im besten Fall gar nicht erst vom Publikum wahrgenommen wird.
Bereits seit 2015 kommt sie bei diversen Schauspielproduktionen im Großen und Kleinen Haus des Stadttheaters zum Einsatz und begleitet vom ersten Probentag bis zur letzten Vorstellung. Vielleicht habt ihr sie bei einer der vielen Aufführungen schon einmal gesehen und euch gefragt, was die Person, mit Textbuch und Leselampe bewaffnet, eigentlich genau macht. Im folgenden Artikel gibt Frau Ermers einen Einblick in ihre Arbeit als Souffleuse am Stadttheater Bremerhaven.
Leidenschaft für das Theater
Am Anfang steht die Frage, wie man überhaupt zu dieser Tätigkeit kommt. Birgit Ermers ist eigentlich Biologin, aber ihr Herz hat schon immer für das Theater geschlagen. Daher entschied sie sich für ein privates Schauspielstudium. Später arbeitete sie selbstständig als Theaterpädagogin und leitete eine freie Theatergruppe. Ihre Arbeit umfasste die Regie, die Dramaturgie und das Marketing und verlangte viel Herzblut und Engagement. Die prekäre Arbeitssituation in der freien Szene machte es ihr aber nicht immer einfach: „Ich habe meine Arbeit geliebt und das tue ich immer noch, aber es ist sehr schwer in der freien Theaterlandschaft zu überleben“, erklärt sie. Nach einigen Höhen und Tiefen in der freien Szene ermöglichte es ihr eine Festanstellung am Stadttheater Bremerhaven ihrer Leidenschaft nachzugehen. Für sie war dies aber auch ein Kompromiss, da sie die Freiheiten der Selbständigkeit gegen einen sicheren Arbeitsplatz eintauschte. Dennoch ist sie sehr glücklich in ihrem Job, das bestätigen auch die vielen Jahre, die sie mittlerweile am Stadttheater tätig ist.
Feingefühl für Text und Spiel
Neben dem Theaterbackground sind aber noch weitere Fähigkeiten für den Beruf nötig. „Eine Souffleuse muss in der Lage sein, sich auf die verschiedenen Persönlichkeiten der Schauspieler:innen einzulassen und ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen mitbringen“, erklärt Birgit Ermers.
Als Souffleuse darf man keine Berührungsängste haben und sollte die einzelnen Mitglieder des Ensembles und ihre Rollen genau kennen. Das beinhaltet den Rhythmus, in dem sie sprechen und auch die Eigenarten der Schauspieler:innen und ihren Rollen. Wenn die Schauspieler:innen einmal ihren Text vergessen, spielt das Timing eine wichtige Rolle. Denn man muss den Spielenden natürlich auch Zeit geben, eventuell selbst wieder den Anschluss zu finden.
Ein weiterer bedeutsamer Punkt bei der Zusammenarbeit sind Absprachen. Dabei geht es zum Beispiel um Zeichen, die Schauspieler:innen und Souffleuse beziehungsweise Souffleur miteinander verabreden, damit möglichst schnell reagiert und geholfen werden kann. Diese reichen von einfachen Handzeichen bis zu Signalwörtern. „Manche rufen einfach „Text!?“, falls sie einmal festhängen“, merkt Ermers lachend an. Selbstverständlich können auch kleine, bewusste Pausen Teil der Darbietung sein. Daher sollte es nicht passieren, dass man voreilig einschreitet. Solche Dinge sind aber zumeist in Form von Notizen im Textbuch erfasst, die von der Souffleuse während der Proben und Vorstellungen erarbeitet werden.
Mit vollem Einsatz
Alles ist genau durchgeplant, aber es können natürlich auch einmal unvorhergesehen Dinge geschehen. So hat Birgit Ermers in den vergangenen Jahren am Stadttheater auch schon allerlei Kurioses erlebt, das für so manche Anekdote sorgt. Einmal hatte eine Schauspielerin den Namen der Figur einer Kollegin vergessen. Da hatte sich Frau Ermers einmal hinreißen lassen, gibt sie schmunzelnd zu: „Es war eine ausgelassene Stimmung auf der Bühne, da habe ich einfach die Energie der Szene mitgenommen und den gesuchten Namen auf die Bühne gerufen, als ob ich selbst Teil der Inszenierung wäre. Das Publikum hat allerdings nichts bemerkt und dachte wohl, ich sei Teil des Schauspiels.“ Dies ist allerdings die absolute Ausnahme, da sich die Souffleuse vornehmlich dezent im Hintergrund hält und unbemerkt vom Publikum die Schauspieler:innen unterstützt – für Frau Ermers ist dieser Moment aber trotzdem eine schöne Erinnerung.
Achtet doch mal bei eurem nächsten Besuch im Stadttheater Bremerhaven, ob ihr sie am Rand des Zuschauerraums erspähen könnt. So viele Personen sind in unseren Produktionen involviert, die nicht direkt auf der Bühne zu sehen, aber dennoch essenziell sind. Wir freuen uns darauf, euch auch in der aktuellen Spielzeit wieder begrüßen zu dürfen. Schaut einfach auf der Homepage des Stadtheaters Bremerhaven vorbei und sichert euch ein paar Karten für die neusten Produktionen.
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