Endlich sind sie da! Die CDs sind gerade im Büro des Generalmusikdirektors Marc Niemann angekommen und ich sehe die Freude in seinem Gesicht. Über zwei Jahre hat es gedauert, von der Planung bis zur fertig produzierten CD mit der Sechsten und der Dritten Sinfonie Emilie Mayers. Zwei Jahre voller Planungen, Organisations- und Verhandlungsgeschick. Bereits in der Vorbereitung seiner Konzertsaison 2021/2022, in der er unter dem Motto „Musik im Schatten“ einen Schwerpunkt bei Werken von Komponistinnen setzt, ist Marc Niemann auf Emilie Mayer aufmerksam geworden.
Die Tonsprache Mayers ist sehr individuell und bewegt sich im Spannungsfeld zwischen klassischen Vorbildern wie Haydn und Beethoven und romantischen Entwicklungen der Gattung der Sinfonie zu Zeiten Mendelssohns und Schumanns. Es ist eine große Herausforderung, die filigrane Struktur mit dem großen Bogen zu verbinden, und auch spieltechnisch sind die beiden Sinfonien auf wirklich hohem Niveau. Es ist schwierige, aber auch großartige Musik!
Marc Niemann, Generalmusikdirektor
Seine Begeisterung für die wunderschöne Musik der mecklenburgischen Komponistin fand schnell Anklang bei Radio Bremen und dem renommierten Stuttgarter Plattenlabel hänssler CLASSIC, die dem Philharmonischen Orchester bei dieser CD-Aufnahme inklusive der Weltersteinspielung der Sechsten Sinfonie als Kooperationspartner zur Seite stehen. Da viele ihrer Werke noch nie aufgenommen wurden, hat sich unser Philharmonisches Orchester die Weltersteinspielung der Sechsten Sinfonie sichern können. Im Handel ist die CD erst ab 1. Juli erhältlich, aber soviel vorab: Das Ergebnis kann sich hören lassen!
Studioproduktion im Sendesaal
Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Ich erinnere mich gerne an die Tage der CD-Aufnahme, die das Philharmonische Orchester im letzten Oktober im Sendesaal von Radio Bremen verbrachte. Am ersten Aufnahmetag war ich mit dabei, um die CD-Produktion per Filmkamera zu begleiten. Auch die Musiker*innen waren recht aufgeregt, als sie mit dem Bus ankamen, schließlich betraten sie alle Neuland. Das Orchester hat zwar schon die Beethoven-Sinfonien für CD aufgenommen, allerdings waren das Livemitschnitte der Konzerte. Das ist ein großer Unterschied zu der Arbeit an der Studioproduktion, die hier vor ihnen lag.
Eine Studioproduktion ist viel anstrengender, weil alle unter dem Druck der Präzision stehen. Die Mikrofone bekommen alles mit. Hier arbeiten wir so lange an einer Stelle, bis sie perfekt ist in Intonation, Dynamik, Ausdruck und Tempo.
Marc Niemann, Generalmusikdirektor
Tonmeisterin mit Grammy-Auszeichnung
Doch mit Renate Wolter-Seevers steht ihnen eine erfahrene und ausgezeichnete Tonmeisterin zur Seite, die die Aufnahme leitet. Mehrere ihrer Aufnahmen wurden mit Preisen ausgezeichnet. Für Opernproduktionen wurde sie bereits sechs Mal für den Grammy Award nominiert, bevor sie ihn 2014 für die beste Opernaufnahme auch erhielt.
Am ersten Tag stand die Sechste Sinfonie in E-Dur auf dem Programm. Das ist eine ganz schöne Herausforderung, schließlich gibt es bisher keine Aufnahme von ihr, keine Vorbilder in Tempo, Dynamik oder Ausdruck. Es gibt nur die Partitur, und die gilt es nun (als erstes Orchester weltweit!) in einer Studioproduktion mit Klang zu füllen.
Zunächst der Soundcheck
Als ich dazu komme, sind die Mikrofone schon aufgebaut, einige Musiker spielen sich ein und Renate Wolter-Seevers und Marc Niemann besprechen den Ablauf. Zuerst wird es einen Soundcheck geben. Der dritte Satz der Sinfonie eignet sich besonders, um sich an die Akustik zu gewöhnen. Da er mal besonders laut und leise ist, lässt sich die dynamische Bandbreite der Musik gut beurteilen. Renate Wolter-Seevers und Tonmeister Siegbert Ernst lassen das Orchester erst einmal spielen und hören sich die Akustik im Saal an, um Besonderheiten und Gefahrenstellen für die Aufnahme zu klären. Ich baue meine Kamera auf und fange ein paar Bilder ein. Nach einer Weile gehen die Tonmeisterin und ihr Kollege nach oben ins Tonstudio und prüfen von dort aus die Ausrichtung der Mikrofone und deren Aussteuerung. Ich sehe sie durch ein Fenster, das oberhalb des Orchesters in die Wand eingelassen ist.
Als sie wieder herunterkommen, werden zwei Mikrofone neu ausgerichtet und der Solopauker bekommt eine Plexiglas-Wand vor seine Instrumente montiert, damit der Klang der Pauken nicht zu laut in den Mikrofonen der anderen Instrumentengruppen aufgezeichnet wird. Nach einer kurzen Pause kann es losgehen.
Die Aufnahme beginnt
Zu meiner Verwunderung spielt das Orchester die Sinfonie nicht chronologisch und nimmt auch nicht den Satz auf, der gerade im Soundcheck gespielt wurde. Sie beginnen die Aufnahme mit dem letzten, dem vierten Satz der Sinfonie, da dieser sehr „geradeaus geht, nicht zu komplex, aber rhythmisch prägnant ist“, wie mir Marc Niemann verrät. Er ist gut, um das Orchester auf die CD-Aufnahme einzustimmen. Renate Wolter-Seevers sitzt oben im Tonstudio. Durch einen Lautsprecher hört man ihre Stimme. „Vor sich sehen Sie eine rote Lampe. Sobald diese auf grün springt, nehmen wir auf.“ Ein letztes zurecht rücken auf den Stühlen, noch ein Blick in die Noten, einmal durchatmen. Und dann geht es los. Die Lampe springt auf grün, Marc Niemann hebt die Hände und gibt den Auftakt.
Im Saal darf während der Aufnahme kein Geräusch stören, kein Summen der Kamera, kein Knacken des Stativs. Ich unterbreche das Filmen und beobachte die Arbeit im Tonstudio. Die Tonmeisterin verfolgt die Aufnahme in der Partitur. Siegbert Ernst sitzt am Mischpult, kontrolliert die Aussteuerung und blättert ebenfalls mit. Über einen Bildschirm sieht man das Orchester unten im Sendesaal, während weitere Bildschirme grüne Wellenlinien und Anzeigenbalken der einzelnen aufgenommenen Instrumente zeigen.
Kleine Details und ein rundes Gesamtbild
Nach kurzer Zeit folgt die erste Unterbrechung. Die Stimme der Tonmeisterin ist im Saal zu hören. Das wird nicht die einzige bleiben. Aber auch Marc Niemann unterbricht, wenn er Tempounterschiede bemerkt oder die Gruppen nicht zusammenspielen. Die Arbeit am vierten Satz geht kleinteilig voran, sehr gründlich und so lange, bis wirklich jedes Detail stimmt.
„Ich versehe meine Arbeit nicht als Eingreifen in der Form, dass ich selber eine Vorstellung habe, wie die Interpretation zu sein hat. Sondern, dass ich verstehe und weiß vom Dirigenten, wohin er arbeiten möchte und ich ihm wiederspiegele, wie es beim Hörer am Ende ankommt.“
Renate Wolter-Seevers, Tonmeisterin
Auch den Musiker*innen merkt man die Anstrengung an. Sie müssen durchgehend konzentriert bleiben. Immer wieder gibt es Unterbrechungen. Und sie müssen jede Stelle jederzeit auf Punkt spielen, aus der Unterbrechung heraus sofort wieder zu 150% da sein, im gleichen Tempo, in der gleichen Intensität. Schließlich soll es hinterher klingen wie aus einem Guss.
„Ich arbeite ausgesprochen gern im Studio, weil man in so ganz kleinen Details viel genauer arbeiten kann. Und diese ganz kleinen Details ergeben hinterher das rundere Gesamtbild.“
Renate Wolter-Seevers, Tonmeisterin
Großartige Gesamtleistung
Wenn ich an Oktober zurückdenke, ist es schon erstaunlich, wie viel Arbeit hinter so einer Studioproduktion steckt. Insgesamt verbrachte das Orchester drei volle Tage im Sendesaal, und die Postproduktion dauerte fast drei Monate. Danach kommt noch die Zeit, die das Pressen der CD in Anspruch nimmt. Über ein halbes Jahr später hält Marc Niemann nun die gerade gelieferte CD in den Händen. Gemeinsam hören wir die Aufnahme an und sind begeistert. Jetzt geht es in die Planung des Release-Konzertes zur CD Präsentation am 12. Juni im Großen Haus. Ein Gesprächskonzert soll es werden, in dem alle Besucher*innen neben live gespielten Ausschnitten der Weltersteinspielung auch so einiges zum Hintergrund der CD-Produktion erfahren. Und das beste: Bevor die CD ab 1. Juli überall im Handel erhältlich sein wird, kann sie ab dem Release am Stadttheater schon exklusiv gekauft werden.
Gesprächskonzert «Musik im Schatten»
CD Präsentation Emilie Mayer: Symphonies Nos 6 & 3
Das Philharmonische Orchester stellt die neue CD im Rahmen eines abwechslungsreichen Gesprächskonzertes vor.
12. Juni 2022, 18:00 Uhr // Großes Haus
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