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Stille Stunde – leise bitte!

Lärm und Hektik macht manchen Menschen eine Teilhabe unmöglich. Die „Stille Stunde – leise bitte“ ist nicht nur für Menschen mit Behinderung eine Wohltat.

Frau blickt durch Fernglas auf den Hafen
27. Juni 2024
4 min Lesezeit
Gesicht einer Frau, die den Zeigefinger vor den Munde hält und somit auf "leise bitte" hinweist

Wer kennt das nicht? Ständig und überall sind wir Lärm und Umgebungsgeräuschen ausgesetzt. Das kann sehr belastend und stressig sein. Für manche von uns ist es allerdings eine so große Qual, dass es eine Teilhabe unmöglich macht. Der Arbeitskreis Barrieren vom Netzwerk Inklusives Bremerhaven hat es sich zusammen mit Menschen mit Behinderung zur Aufgabe gemacht, Barrieren zu entdecken und diese nach Möglichkeit abzubauen. Gemeinsam mit dem Autismus-Therapiezentrum Bremerhaven ist die Idee entstanden, eine Stille Stunde – leise bitte! in einem Supermarkt einzurichten.

Aber wie bei jeglichem Abbau von Barrieren kommt die Stille Stunde nicht nur Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zu Gute, sondern bietet einen Komfort für Alle. Laute Geräusche, Enge, Geraschel, unruhiges Hin- und Herräumen von Ware, Dauerbeschallung, Monitore und mehr stressen auch Menschen mit Hörgeräten, demente Personen, abgehetzte Käuferinnen und Käufer, Ältere, Seheingeschränkte und viele mehr.

Tanja kniet vor einem Marmeladenregal und deutet mit dem Zeigefinger auf verschiedene Sorten der Marmelade mit dem Namen Glück.
Zum „Glück“ gibt es die Stille Stunde bei Edeka Cord (c) Sabine Heering_Erlebnis Bremerhaven

Der Edeka Markt Cord in der Hafenstraße im Stadtteil Lehe ist sofort Feuer und Flamme für die Stille Stunde. Dieses Angebot gibt es schon in einigen Städten. Aber oft zu Zeiten, die es Berufstätigen, Schülerinnen und Schülern unmöglich machen, zu den Zeiten einzukaufen. Beim Edeka-Markt Cord ist das anders. Sein Motto lautet „frisch und kundennah“ und so ist auch die Stille Stunde. Eigentlich muss es Stunden heißen, denn die finden immer mittwochs von 17 bis 19 Uhr statt.

Die erste Stille Stunde in Bremerhaven

Ich bin sehr gespannt auf die erste Stille Stunde – leise bitte!. Das Team vom Netzwerk Inklusives Bremerhaven ist mit einem Infostand im Eingangsbereich des Edeka Markts vertreten. Die multikuluerelle Kundschaft wird persönlich informiert und erhält eine Postkarte mit Hinweisen darauf. Der Stadtteil Lehe ist ein Ort, in dem viele Nationalitäten und Kulturen miteinander leben und arbeiten. Um eventuelle Sprachbarrieren zu vermeiden, sind die Verhaltensregeln zusätzlich mit Piktogrammen dargestellt. So können auch Menschen, die nicht gut deutsch sprechen oder nicht gut lesen können und auch kleine Kinder das Gewünschte erfassen.

Eine Frau hält eine Postkarte mit Verhaltensinformationen zur "Stille Stunde" im Edeka Cord hoch.
Alexandra Göddert vom Netzwerk Inklusives Bremerhaven mit Infos zum Verhalten im Edeka Cord zur „Stille Stunde“ (c) Ralf Masorat_NIB

Ich betrete den Markt, schaue mich neugierig um und lausche. Ganz ruhig ist es natürlich nicht. Schuhabsätze oder das Öffnen von Backwarenklappen und Türen von Kühlschränken verursuchen Geräusche, die nicht zu vermeiden sind. Wenige Kundinnen und Kunden haben es offensichtlich so eilig, in den Edeka Markt Cord zu gelangen, dass sie den Infostand nicht beachten. Sie sprechen nicht leise, sondern in gewohnter Lautstärke miteinander. Beim Verlassen des Markts werden aber alle noch einmal auf die Aktion Stille Stunde – leise bitte! angesprochen und nach ihrem Eindruck befragt. Spätestens jetzt, ist ihnen die Aktion bewusst, sodass es in Zukunft sicher noch ruhiger zugeht.

Drei Plexisklaszylinder, gekennzeichnet mit Daumen hoch, neutral und Daumen runter, in denen Holzkugeln liegen. Damit bewertet die Kundschaft, wie ihnen die erste Stille Stunde im Edeka Cord gefallen hat. Die meisten Kugeln sind in dem Zylinder mit Daumen hoch.
Der Kundschaft gefällt die Stille Stunde im Edeka Cord (c) Sabine Heering_Erlebnis Bremerhaven

Was meiner Freundin und mir auffällt ist, dass die Räder der Einkaufswagen leise Geräusche von sich geben. Beim alltäglichen Einkauf fällt das nicht auf. Überraschend, was wir alles hören und dass ansonsten völlig im regulären Umgebungslärm untergeht. Obwohl ich selbst auch empfindlich auf Lärm reagiere, bekomme ich jetzt einen Eindruck, welche Belastung die Reizüberflutung beispielsweise Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen darstellt.

Barrierefreiheit als Komfort für Alle

Aber der Edeka Markt Cord denkt auch an Belange anderer Kundengruppen. Mit welch simplen Hilfsmittel es Kleinwüchsigen und auch Kindern ermöglicht wird, an einen höheren Tresen zu gelangen, zeigt sich bei der Wursttheke. Mittels einer kleinen Trittleiter kann so das Gewünschte vom Verkaufsteam entgegengenommen werden.

Eine Frau steht lächelns vor der Wursttheke im Edeka Cord. Davor steht eine kleine Holztrittleiter, über die auch Kinder auf den hohen Tresen gelangen.
Im Edeka Cord wird auch an Kinder gedacht, die über die kleine Trittleiter an den Tresen gelangen (c) Sabine Heering_Erlebnis Bremerhaven

Wenn Ihr also auch „in aller Ruhe“ einkaufen möchtet, nutzt doch gern die Stille Stunde – leise bitte! im Edeka Markt Cord. Und schaut auch gern einmal nach oben. Denn die Wände des Markts sind liebevoll maritim gestaltet.

Das Netzwerk Inklusives Bremerhaven und seine Arbeitsgruppen „Barrieren“, „Arbeit“, „Freizeit“ und „Wohnen“ haben sich zur Aufgabe gemacht, Barrieren abzuschaffen. Das gilt nicht nur im baulichen Sinne, sondern auch zur Sensibilisierung des Themas Barrierefreiheit. Ziel ist ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben für alle in der Gesellschaft. Ein stetiger Weg, der mit jedem Schritt für Schritt zum Ziel führt!

Postkarte mit Zeichnungen und Schrift zum Thema "Bremerhaven ist barrierefrei und eine inklusive Stadtgesellschaft"
Der Wunsch aller Menschen (c) Tanja Albert_Erlebnis Bremerhaven
Frau blickt durch Fernglas auf den Hafen
Tanja Albert

Ich mag‘s bunt, und da hat Bremerhaven viel zu bieten! Aber oft liegen die Schätze im Detail und finden sich in Kleinigkeiten wieder. Diese zu entdecken, macht mir immer viel Spaß.

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