Wir sind viele. Jede*r Einzelne von uns.
Diesen Spruch konnte man bereits im Herbst des letzten Jahres an den Fassaden vieler Theater lesen. Mit der «Erklärung der Vielen», die seither an vielen Theatern unterzeichnet wurde, setzen Kunstschaffende in ganz Deutschland ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Fremdenhass. Auch wir am Stadttheater Bremerhaven wollen Gesicht zeigen. Am 18. Mai gibt es daher einen glänzenden Nachmittag auf dem Theatervorplatz unter dem Titel «Bar jeder Wahrheit Nr. 6: Die Kunst bleibt frei!».
Mit den Mitteln der Kunst
Als ich morgens ins Büro komme, sitzt Luise schon in der Marketing-Abteilung des Stadttheaters, schneidet aus Rettungsdecken kleine goldene Kreise aus und presst daraus Buttons für die Veranstaltung am Samstag. Endspurt. Es liegen Monate der Planung hinter ihr. Luise ist eine engagierte Regieassistentin am Schauspiel und Organisatorin der Kunstaktion. Seit im November letzten Jahres immer mehr Theater die Botschaft «Wir sind viele» gepostet haben, keimt der Wunsch in ihr, etwas dazu zu machen. Nach einem Gespräch mit Intendant Ulrich Mokrusch war schnell klar, dass es mit den Mitteln passieren sollte, die wir am besten beherrschen: mit künstlerischen. Luise verantwortet unter anderem die Reihe «Bar jeder Wahrheit» und was lag näher als beides zu verbinden?
Bei einer immer lauter werdenden Minderheit, die verschiedene Bevölkerungsgruppen diffamiert, war es mir wichtig, ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass wir stärker sind. – Sebastian Glathe
Hürden überwinden
Zusammen mit Sebastian Glathe, unserem künstlerischen Betriebsdirektor, ging sie Termine durch. In Berlin ist am 19. Mai die große «Unite & Shine»-Demonstration angesetzt. Das sollte der Anlass für uns sein. Damit stand aber auch fest, dass es die letzte «Bar jeder Wahrheit» in dieser Spielzeit wird. Im Verbund mit dieser gesellschaftspolitisch wichtigen Aktion, wollte Luise von vornherein, dass wir uns damit nicht im Theater verstecken, sondern rausgehen. Auf den Theatervorplatz, am Nachmittag, um mehr Menschen erreichen zu können. Im Gegensatz zu den anderen «Bar jeder Wahrheit»-Veranstaltungen ist diese sogar kostenfrei.
Mir war es wichtig, alle Hürden abzubauen, die die Menschen davon abhalten können, ins Theater zu gehen. – Luise Peters
Bunte Mischung
Die «Bar jeder Wahrheit» ist ein freiwilliges Format, was bedeutet, dass es nicht wie die Stücke im Spielplan angesetzt und besetzt wird, sondern, dass es Künstler*innen die Möglichkeit bietet, eigenständig etwas zu entwickeln. Freiwillig. Und wenn wir so etwas machen, was dazu noch einen politischen Anspruch hat, dann war es Luise wichtig, möglichst viele Mitarbeiter*innen des Hauses einzubeziehen. Am besten sparten- und abteilungsübergreifend. Um so schöner war es, dass sich so viele Menschen aus unterschiedlichen Abteilungen zu den ersten Planungstreffen zusammengefunden haben, die diesen glänzenden Nachmittag gemeinsam gestalten. Mit Bühnentechniker Johannes Bluth, Jan-Hendrik Ehlers und Marco Priedöhl gibt es drei Musiker, die die musikalischen Beiträge verantworten und begleiten. Es gibt Sänger*innen, Schauspieler*innen und Dramaturgen, die das Programm bestreiten und natürlich darf auch unser Intendant nicht fehlen. Die Aktion wird also eine bunte Mischung aus Texten, Live-Musik und einen eigens für die Veranstaltung geschriebenen «Protestsong». Aber nicht nur das Theater ist beteiligt. Einige Menschen aus der Stadt haben sich angeschlossen und bereiten ein buntes Rahmenprogramm aus Thementischen, einer Fotoaktion und Freuden für das leibliche Wohl.
Die Kunstfreiheit darf nicht angreifbar sein. Deutschlands Theaterlandschaft ist einzigartig – diese Vielfalt muss erhalten bleiben und darf nicht von staatlicher Seite aus zensiert werden. – Juliane Schwabe, Schauspielerin
Fotoaktion
Aber es gibt auch viele Mitarbeiter*innen im Hintergrund, die zwar nicht auf die Bühne wollen, aber ganz viel zu dieser Aktion beitragen. Aus ihrem Wunsch Gesicht zu zeigen, ist die Idee einer Fotoaktion entstanden. Die Bremer Fotografin Manja Herrmann unterstützt uns und hat dafür ohne Gage fotografiert. Ab dem 18. Mai hängen dann nicht mehr die Künstler*innen im Foyer, sondern bis Ende der Spielzeit Fotos von Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Gewerken. Vor dem goldenen Hintergrund, der das Markenzeichen der «Vielen» ist, halten sie Statements in der Hand. Das Theater, so betont Luise, sind eben nicht nur die 20 Schauspieler*innen, Sänger*innen und Tänzer*innen, die auf der Bühne stehen, sondern über 230 Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Nationen, die bereits ein buntes und kulturell vielfältiges Miteinander pflegen. Und dazu können wir stehen!
Großes Aktionsbündnis
Bei den «Vielen» handelt es sich um ein Aktionsbündnis, das seinen Ausgang in Berlin nahm und sich mittels vieler regionaler Erklärungen inzwischen über die gesamte Bundesrepublik verteilt hat. Gemeinsam mit dem Bündnis Region «Nordwest», zu dem unter anderem auch das Staatstheater Oldenburg und das Landestheater Wilhelmshaven zählen, beziehen wir Position für die Freiheit der Kunst und für Vielfalt. Damit eröffnen wir regionale Aktionswochen, die noch bis zum 22. Juni andauern. Sollte das Wetter mitspielen, könnt ihr die glänzende Bühne vor dem Theater am 18. Mai wohl schon von weitem sehen, wenn das Theater mit der Stadt zusammen die Vielfalt feiert: Feiert mit und lasst uns glänzen, statt ausgrenzen!
DJ Lito
Sehrt toller Artike, super geschrieben. Echt top!