Alleine ist die Kunsthalle Bremerhaven mit ihrem Anliegen nicht. Mit der aktuellen Ausstellung des Künstlers Simon Modersohn „Paket beim Nachbarn“ widerlegt sie wieder einmal das hartnäckige Vorurteil, dass die Malerei in unserer modernen Zeit ihren Zenit überschritten hat. Es ist die dritte Ausstellung des Kunstvereines, welche die neue „Junge Kunst“ in Deutschland zeigt.
Die Junge Malerei
Angelehnt ist diese Reihe an das Ausstellungsprojekt „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“. Diese Übersichtsschau wurde von drei wichtigen deutschen Kunstmuseen inszeniert. Sie haben sich zusammengeschlossen, um neue Trends in der deutschen Malerei aufzuspüren und um junge Malerinnen und Maler zu entdecken, die das größte Potenzial haben, sich in den nächsten Jahren im Ausstellungsbetrieb durchzusetzen. Dafür reisten sieben Kuratoren zwei Jahre lang durch die Republik, um 100 Ateliers von 200 Nominierten aufzusuchen. Es wurden 53 auserwählt, unter ihnen Simon Modersohn.
Nun in der Kunsthalle
Nach Franziska Holstein mit ihrer Farbfeldmalerei und Tim Freiwald mit seiner objekthaften Malerei folgt nun Simon Modersohn (*1991). Einigen von euch wird vielleicht sein Nachname auffallen und ja, er ist verwandt mit dem Landschaftsmaler Otto Modersohn (1865-1943), der die Künstlerkolonie in Worpswede mitbegründet hat. Simon Modersohn ist sein Urenkel.
Simon Modersohn
Was erwartet mich in der Ausstellung und was zeigen die Bilder von Simon Modersohn? Augenscheinlich zieht es Modersohn zu nächtlich ausgeleuchteten Satteldachhäusern hin. Er suggeriert dem Betrachter eine mittelständische und dörfliche Idylle. In dieser Idylle fehlen allerdings die Bewohner oder sonstiges Leben. Wodurch die dargestellten Szenerien auf mich auch gespenstisch wirken. Modersohn hält seine Protagonisten in den Häusern oder Scheunen versteckt. Nur die beleuchtenden Fenster und Öffnungen verraten ihre Anwesenheit. Diese Tatsache stellt meine Gefühlswelt etwas auf den Kopf. Wenn ich vor den Gemälden stehe, schwanke ich zwischen ruhiger Landidylle und skurrilem Tatort.
Das Bildmotiv des ländlichen Einfamilienhauses mit geheimnisvoll erleuchteten Fenstern tritt häufig auf. Umgeben sind diese unspektakulären Bauten meist von akkurat gepflegten Gärten, angereichert mit in jedem Baumarkt erhältlichen Accessoires. Die Kunsthalle Bremerhaven zeigt einige von ihnen.
Mit Humor
In den Arbeiten von Modersohn gibt es neben dieser verhaltenen Sachlichkeit auch erzählerische und humorvolle Elemente. Ich muss schmunzeln, als ich mir die Titel der einzelnen Werke durchlese. Unter anderem haben wir da „Durststrecke“ (2018), „Generation Trockner“ (2020), „Senf und Kapern“ (2020) sowie „Komplikation“ (2020). Dank dieser Bildtitel sehe ich die Werke aus einem ganz anderen Blickwinkel. Vor allem, kann ich sie mir jetzt mit einem Augenzwinkern ansehen.
Simon Modersohn hebt mit dieser sprachlichen Ergänzung seine Bilder auf eine andere, oftmals humorvolle Ebene. Die Bildtitel beeinflussen mich als Betrachter natürlich auch, sie geben mir eine gedankliche Richtung an. Wodurch sie für mich, zugänglicher, vollständiger und ausgewogener wirken. Somit werden auch die Darstellungen von Alltäglichem zu einer spannenden und sehenswerten Begegnung.
Die Durststrecke ist mit Modersohn vorbei
Am besten kann ich diesen Eindruck mit dem Ölgemälde, das in der Kunsthalle unter der Empore hängt, vermitteln. Es zeigt in rosigen Farben einen leeren Kleintierkäfig, an dessen oberen Gitterstäben eine Trinkvorrichtung hängt. Ich glaube, jeder kennt diese Art von Nagetierkäfig. So einen kleinen plüschigen Tierinsassen hatte man entweder selber oder Freunde. An dieser Stelle beginnt das Gedankenspiel: wo steckt dieses Tier? Ist es entlaufen oder sogar verstorben? Fungiert dieses dieses Bild als Mahnmal für alle Nagetiere, die in Kinderzimmern in solch einem Käfig vor sich hinfristen?
Ich lese den Titel: „Durststrecke“ (2018). Wenn das nicht lakonisch ist! Eine Durststrecke ist ein Gebiet ohne Wasser, so ihre ursprüngliche Bedeutung und im übertragenen Sinne ist sie eine Zeitspanne, in der jemand Entbehrungen und Einschränkungen auf sich nehmen muss. Wie soll ein Künstler sonst eine Durststrecke bildlich darstellen, als in der Form eines leeren Käfigs mit leerer Trinkflasche?!
Komplikationen treten überall auf
Ein anderes Beispiel ist die Darstellung von der „Komplikation“ (2020). Abgebildet ist ein Rührgerät mit verbogenen Rührstäben. Ich bin mir nicht sicher, ob die Komplikation darin liegt, dass die Stäbe unbrauchbar sind oder die Leinwand für die Darstellung einfach zu klein ist. Ich traue dem Künstler Simon Modersohn beides zu. Und wo das Kabel des Küchengerätes angeschlossen ist, weiß auch nur der Künstler.
Dieser kurze Beitrag soll ein kleiner Vorgeschmack auf diese wirklich tolle Ausstellung „Paket beim Nachbarn“ mit und von Simon Modersohn sein. Die Ausstellungsräume in der Karlsburg 4 zu besuchen lohnt sich wieder einmal. Es möchten Euch noch viele weitere humorvolle und spannende Bilder den Tag verschönern.
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