Ende letzten Jahres sind die Bürgermedien in Bremerhaven 30 Jahre alt geworden – aber was sind Bürgermedien? Radio? Fernsehen? Wie funktioniert das? Was läuft da? Wer sendet da?
Ich habe es mir angeschaut, viel gefragt und jetzt bekommt Ihr auch einen Einblick:
Radio Gaga – Queen
Radio ist immer da. Ich steige ins Auto und es geht von alleine an – es informiert mich, es unterhält mich, manchmal nervt oder irritiert es mich. Radio läuft beim Einkaufen, im Baumarkt und im Wartezimmer. In der Küche meiner Oma lief anderes Radio als bei meiner Mutter im Auto. Irgendwie deutscher und förmlicher.
Wie oft denke ich: „Ja, habe ich im Radio gehört“ – früher sicher noch öfter als heute. Ich war bisher aber immer Hörerin und noch nie Radiomacherin. Dabei gibt es die Option, selber hinter das Mikrofon zu kommen, direkt bei uns um die Ecke. Bei den Bürgermedien wird es ganz leicht, die Rolle zu wechseln.
Und das ist das Prinzip: Ein Team der Bürgermedien unterstützt Bürger*innen dabei, im Radio oder Fernsehen die Inhalte zu senden, die sie verbreiten möchten. Dazu hat das Team unterschiedliche Wege – übertragen, vermitteln, verleihen.
Bei den Bürgermedien geht es um Machen und Teilen, um Gestaltung und Teilhabe. Damit ist schon ein großer Teil gesagt. Alle Menschen im Bundesland Bremen sollen durch die Bürgermedien die Möglichkeit erhalten, selbst zu produzieren und das Produzierte anschließend senden zu können. Am 14. August 1992 ging der Offene Kanal Bremen an den Start – etwas später am 3.12.1993 war es dann auch in Bremerhaven so weit. Das ist jetzt 30 Jahre her und Radio Weser.TV ist immer noch auf Sendung.
Mr. Radio – Electric Light Orchestra
Nachgefragt habe ich bei Christian Sanders, der die Bürgermedien des Landes Bremen leitet. Wir treffen uns in den Räumlichkeiten von Radio Weser.TV an der Hafenstraße 156 in Bremerhaven.
Die Adresse kommt euch hier aus Logbuchbeiträgen bekannt vor? Richtig, Radio Weser.TV stellt seinen Veranstaltungssaal/Fernsehstudio auch der Arbeitnehmerkammer/Capitol zur Verfügung.
Es gefällt mir, dass das Gebäude, was so lange ein Kino war, nun die Bürgermedien des Landes beheimatet.
Im Erdgeschoss liegt der große Veranstaltungssaal, der auch als Fernsehstudio genutzt wird. In einem Nebenraum findet sich die Regie, um die Sendung auch direkt technisch so einzustellen, dass sie auf den Bildschirmen überall gut rüberkommt.
Die eigentlichen Räumlichkeiten liegen in der ersten Etage um ein spiralförmiges Treppenhaus, wodurch oben der Eindruck entsteht, dass das Haus rund sei.
Durch die unverputzten Wände und die Verwendung einer großen Anzahl von Glasbausteinen und gelber Stahltüren erweckt das ganze Studio den Eindruck, als wären wir in einem Leuchtturm. Eine gelbe Gräte, die früher das Logo des Senders war, ist auch noch hier und dort zu finden und erklärt die Farbwahl der Türen.
Die Größe des Ganzen wird mir erst nach und nach klar: Bestimmt neun Räume mit unterschiedlicher Ausstattung sind dort oben vorhanden. Neben Büros und Gruppenbereichen zeigt Christian mir verschiedene Aufnahmestudios und ich staune „Das sieht ja aus, wie bei einem richtigen Radio“ – Christian lacht und erwidert „Das ist ein richtiges Radio!“. Etwas verschämt ziehe ich meinen Fuß aus dem Fettnäpfchen.
Christian hat selbst Angewandte Medienwissenschaft studiert und dann bei der Bremischen Landesmedienanstalt, die Trägerin der Bürgermedien ist, angefangen. 2019 hat er die Leitung der Bürgermedien übernommen. Anders als viele andere Landeseinrichtungen, haben die Bürgermedien ihren Hauptsitz in Bremerhaven. Christian leitet hier ein Team mit sechs fest angestellten Personen und bildet darüber hinaus noch den Nachwuchs aus.
Hello (turn your radio on) – Shakespeare Sisters
Die Bürgermedien hießen lange Bürgerrundfunk und viele Leute kennen es auch einfach als Radio Weser.TV. Da es sich aber nicht allein um Radio und Fernsehen dreht, ist der Begriff „Bürgermedien“ viel passender.
Radio Weser.TV sendet im Radio und im Fernsehen. Der Name passt: Die Programme hier aus der Hafenstraße teilen sich u.a. den Fernseh-Sendeplatz mit den Programmen, die von den Bürgermedien in Bremen, aber auch aus Delmenhorst und Nordenham kommen.
Unter dem Namen media lab nord vereint sich dann das zweite Standbein. Fake News, KI, Podcasts oder ganz grundsätzlich der Umgang mit Smartphones und Konsorten: Mit Workshops und Sprechstunden wird hier informiert und geholfen. Ob Schülerinnen, Seniorinnen, Eltern oder Lehrerinnen: Das media lab nord hat für jede Zielgruppe ein Angebot und für alle Fragen und Probleme Lösungen. Diese vielfältigen Projekte führen wieder zu gesellschaftlicher Teilhabe und Integration. Das media lab nord kooperiert hier zum Beispiel mit der Stadtbibliothek und den Seniorentreffpunkten in der Stadt. Mit seinen vielfältigen Angeboten leistet das media lab nord außerdem einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Medienkompetenz der Bürgerinnen in Bremerhaven und Bremen.
Aber zurück zum Programm. Wie komm ich denn nun hier auf Sendung?
Es ist einfach: Das Team steht für eine technische Einführung und Support zur Verfügung – inhaltlich sind die Moderator*innen aber frei in der Gestaltung. Einzige Richtwerte: Die Inhalte dürfen nicht werbend sein. Außerdem fliegt alles raus, was diskriminierend, beleidigend, demokratiefeindlich ist oder gegen Gesetze verstößt. Außerdem sind kommerzielle Unternehmen und öffentliche Institutionen nicht die Zielgruppe – sondern Privatpersonen
Richtig gut, ich muss nicht alles vor Ort nutzen, sondern kann mir auch technisches Equipment ausleihen und bekomme die passende Einführung dazu – kostenlos und fundiert. So kann ich auch außerhalb des Studios filmen oder sogar von Zuhause aus auf Sendung gehen. Einziger Pflichtpunkt: Alles, was ich mit der geliehenen Technik produziere, läuft auch in den Bürgermedien.
Do you remember Rock´n Roll Radio? – The Ramones
Ich stehe an der Wand mit einer langen Reihe von Sendeplänen. Das Radio- und Fernsehprogramm setzt sich aus verschiedenen Formaten zusammen – viele davon drehen sich um ein bestimmtes Musikgenre oder Sport.
Viele Nutzer*innen finden, dass ihre Lieblingsmusik einfach nicht genug Öffentlichkeit hat und teilen deshalb ihre Musikleidenschaft in einer eigenen Sendung. Manche der Sendeformate bestehen tatsächlich schon fast seit Sendebeginn. Aber es hat sich auch ergeben, dass der Sonntag von 10 -18 Uhr zum Großteil auf Portugiesisch stattfindet. Bremerhaven hat eine relativ große portugiesisch-sprachige Gemeinschaft, die so ein regionales Radioprogramm in ihrer Muttersprache bekommt.
Christian Sanders und sein Team sind selber keine Redakteur*innen, sondern vermitteln allein technisches Wissen und leiten die Nutzer*innen an. Auch bei dem Format „Ereignisrundfunk“, bei dem das Team selber filmt, wird nicht durch Schnitte oder andere formgebende Maßnahmen redaktionell eingegriffen. Es wird nur das Ereignis abgebildet, ganz so, als wäre die zuschauende Person live vor Ort. So werden beispielsweise politische Sitzungen wie die Stadtverordnetenversammlung oder Sitzungen der Bremischen Bürgerschaft übertragen, auch regionale kulturelle Veranstaltungen finden so einen Sendeplatz.
Dieses Angebot ermöglicht allen Menschen die Teilhabe am aktuellen Tagesgeschehen, auch wenn sie nicht live vor Ort sein können.
Who listens tot the radio? – The Sports
Weil die Bürgermedien keine kommerziellen Zwecke verfolgen, wird auch keine Statistik erhoben, welche Sendungen wie viel Zulauf haben. Gleichwertigkeit hat hier Priorität. Gleichwertig werden auch die Menschen behandelt, die gerne auf Sendung gehen möchten.
Es ist überraschend voll in den Räumen von Radio Weser.TV: während meines Besuches treffe ich Schüler*innen im Klassenworkshop, Mitarbeitende und den Azubi, Praktikant*innen, Ehrenamtliche, die ihr eigenes technisches Wissen weitergeben. Letztlich stoppt einer der langjährigen Moderatoren im Flur seinen Rollstuhl und berichtet mir stolz, was er für seine kommende Sendung plant.
Selbst wenn wir im KI-Zeitalter angekommen sind und wir alle Hightech in der Jackentasche haben, sehe ich hier, dass Mitmachen, Wissen-Teilen und Selbermachen immer zeitgemäß ist.
Hört und schaut doch mal rein oder wechselt einfach mal auf die Seite hinter das Mikrofon.
Ihr findet den Sender in eurem Radio unter UKW 90,7 MHz, über DAB+ oder auch im Livestream.
Das Fernsehprogramm ist über das Kabelfernsehen erreichbar oder ebenfalls hier in einem Livestream.
Schreibe einen Kommentar