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Dem Nikolaus auf der Spur

Der 6. Dezember rückt näher, das Nikolausfest steht vor der Tür. Der Verbrauch an Schuhcreme schießt in die Höhe. Stiefel erstrahlen in neuem Glanz und […]

ArchitekTour - Die weiße Außenfassade des Deutschen Auswandererhauses zieren Porträts
3. Dez. 2018
5 min Lesezeit
Schokoweihnachtsmann

Der 6. Dezember rückt näher, das Nikolausfest steht vor der Tür. Der Verbrauch an Schuhcreme schießt in die Höhe. Stiefel erstrahlen in neuem Glanz und so manch ein Kind bemüht sich, noch einmal extra brav zu sein. Doch wer genau ist dieser Nikolaus eigentlich, den wir jedes Jahr aufs Neue feiern? Woher kommen die Bräuche rund um den 6. Dezember? Und warum sind es gerade die Schuhe, die wir aufstellen?

Ich stelle fest: Wirklich viel weiß ich nicht über den bärtigen Gabenbringer. Um das zu ändern, beginne ich zu recherchieren. Mir wird schnell klar: Die 7,2 Millionen Menschen, die sich von Bremerhaven aus in die Neue Welt aufmachten, und der Nikolaus haben einiges gemeinsam. Der Heilige hat wie sie seine ganz eigene Migrationsgeschichte. Er ist Auswanderer und Rückwanderer zugleich, schaffte es sogar nach Übersee in die USA.

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© Deutsches Auswandererhaus / Foto: Manuel Krane

Seine Geschichte beginnt in der heutigen Türkei. Dort soll einst der Bischof von Myra gelebt haben. Legenden berichten von seiner besonders gütigen und warmherzigen Art. Sie erzählen von großzügigen Schenkungen, geretteten Seeleuten, von auferweckten Verstorbenen und anderen Wundertaten. Zu meiner Ernüchterung muss ich jedoch feststellen, dass dieser Heilige so wahrscheinlich nie existierte. Vielmehr scheint es sich um eine Verschmelzung zwischen dem Bischof Nikolaus von Myra und dem Abt von Sion, Bischof von Pinora, zu handeln. Aus beiden entwickelte sich unsere Vorstellung vom Heiligen Nikolaus, dem Wundervollbringer aus Myra.

Auch wenn an diesen Erzählungen wenig Wahres dran sein mag, so hatten und haben sie dennoch enorme Kraft. Über Jahrhunderte hinweg wurden sie von Generation zu Generation weiter gegeben. Noch heute ist uns der Nikolaus ein Begriff. Aber vielleicht waren es ja gerade diese Geschichten abseits gesicherter Fakten, die Menschen derart faszinierten und zu dieser Vielzahl an Kulten und Brauchtümer führten.

Die Legenden und Bräuche breiteten sich schließlich von der Türkei über Europa aus. Der Nikolaus wurde zum Auswanderer. Je nachdem wohin ihn sein Weg führte, wurden Bräuche verändert, neu entwickelt oder sie verschwanden.

© Deutsches Auswandererhaus / Foto: Manuel Krane

Die Sache mit dem Schuh

Den Schuh am Vorabend des Nikolaustags aufstellen – das ist ein Brauch, den wohl jeder von uns kennt. Auch ich kann mich noch gut erinnern, wie ich als Kind jedes Jahr voller Vorfreude meine Stiefel vor unserer Tür platzierte. Wenn ich so darüber denke, hätte ich mir im Nachhinein durchaus bessere Aufbewahrungsorte für meine essbaren Geschenke vorstellen können als meine Winterstiefel. Immerhin steckten da sonst meine Füße drin. Woher kommt also diese Tradition?

Im Mittelalter sah das Ganze noch etwas anders aus. Die Nikolausgaben wurden den Kindern einfach zugeworfen. So soll es auch der Bischof von Myra gehandhabt haben, als er einst drei arme Frauen mit Gold beschenkte. Das Zuwerfen konnte jedoch ins Auge gehen und außerdem waren Streitereien bereits vorprogrammiert, wenn die großen Geschwister den kleineren alles wegfingen. Eine Alternative musste her. Geeignete Behälter waren im mittelalterlichen Haushalt rar, deshalb sollten es fortan die Schuhe sein. Die besaß ohnehin jedes Kind. Außerdem verschoben sie die Bescherung auf nachts, wenn alle schliefen und der Nikolaus mehr Ruhe hatte.

Andere Länder, andere Bräuche

Auch andere Nationen feiern den Nikolaustag. In Österreich zum Beispiel wird der Nikolaus nicht wie hier zu Lande von Knecht Ruprecht begleitet, sondern von weitaus gruseligeren Wesen: Den Krampussen. Die Schreckgestalten treten in Gruppen auf. In manch einem Dorf werden ganze Krampus-Umzüge veranstaltet. Rumänische Kinder müssen sich zwar nicht vor Krampussen fürchten, bekommen anstatt Geschenken allerdings eine Apfelbaumrute, wenn sie nicht brav gewesen sind. Die Rute muss dann in ein Glas mit Wasser gestellt werden. Fängt sie bis Weihnachten an zu blühen, haben sie Glück und der Nikolaus vergibt ihnen. Mein niederländischer Freund erzählt mir, dass bei ihnen der Nikolaus „Sinterklaas“ heißt. In seinem Heimatland ist der Nikolaustag das, was bei uns Heilig Abend ist. „Nicht der Weihnachtsmann oder das Christkind ist zuständig für die große Bescherung, sondern Sinterklaas.“, erklärt er. Bereits im November kommt er gemeinsam mit seinem Helfertrupp, den „Zwarten Pieten“ in den Niederlanden an und tourt einige Wochen durch das Land. Sogar das Fernsehen überträgt das Spektakel. Am „Pakjesavond“, zu Deutsch „Paketabend“, am Abend vor dem 6. Dezember, hat das sehnliche Warten der Kleinen ein Ende, denn dann gibt es die große Bescherung.

© Deutsches Auswandererhaus / Foto: Manuel Krane

Nikolaus, Weihnachtsmann und Christkind – eine komplizierte Geschichte

Ursprünglich war es auch in allen anderen Ländern üblich, die Kinder am 6. Dezember zu beschenken. Dass Martin Luther die Heiligenverehrung und damit die Nikolausbescherung ablehnte, kostete den Nikolaus seinen Job als Gabenbringer. Um allzu enttäuschte Kinderherzen zu vermeiden, musste der Posten neu besetzt werden. Das Christkind kam ins Spiel, das Datum wurde verschoben und fertig war das reformationskonforme Fest.

Im 19. Jahrhundert kam es dann zu einem Seitenwechsel. Während Luthers Christkind nun zunehmend auch im katholischen Süden heimisch wurde, entwickelte sich aus dem Nikolaus, den die Katholiken verehrten, der Weihnachtsmann. Der wiederum etablierte sich in den evangelischen Haushalten.

© Deutsches Auswandererhaus / Foto: Manuel Krane

Unsere niederländischen Nachbarn zeigten sich von dieser Entwicklung unbeeindruckt und hielten an ihren Traditionen fest. Sie waren es auch, die den Nikolaus nach Übersee brachten. Im Gepäck niederländischer Auswanderer migrierte Sinterklaas in die USA. Die Bräuche und Geschichten verbreiteten sich schnell, blieben allerdings nicht unverändert, ganz im Gegenteil. Der Karikaturist Thomas Nast, der einst ebenfalls als Kind mit seinen Eltern aus Deutschland nach Amerika auswanderte, verpasste dem Original ein neues Outfit. Aus Bischofsgewand, Mitra und Bischofsstab wurden ein rot-weißer Mantel, Zipfelmütze und Geschenkesack. Aus Sinter Claas wurde Santa Claus. Dem Esel zieht er einen Schlitten mit fliegenden Rentieren vor und die Geschenke bringt er an Weihnachten. Durch Coca-Cola und seine Werbekampagnen wurde Santa Claus weltweit berühmt und kam er nach Europa, wo er die hiesige Vorstellung vom Weihnachtsmann maßgeblich beeinflusste. So wurde der Nikolaus, oder zumindest sein „Nachfahre“, zum Rückwanderer.

Ich bin durchaus beeindruckt vom Nikolaus und seiner Migrationsgeschichte. Über die Jahrhunderte hinweg legte er einiges an Strecke zurück. Dabei hinterließ er viele Spuren, musste aber auch die ein oder andere Veränderung über sich ergehen lassen. Sein Mythos ist bis heute lebendig. Ich bin gespannt, wie seine Reise weitergehen gehen wird.

Von Lena Kikker, Osnabrück

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