,

Neues Vermittlungskonzept: Gullivers (Forschungs)Reise

DSM-Mitarbeiterin Cornelia Riml schrieb ein Vermittlungskonzept für das North Sea Wrecks-Projekt des DSM. Der Gartenzwerg Gulliver erklärt darin Kindern, wie es auf einem Forschungsschiff aussieht.

Der Bangert Bau des Deutschen Schifffahrtsmuseums liegt rechts im Bild. Es wird die ganze Fensterfront mit dem neuen Schriftzug "Schiffswelten Der Ozean und wir" gezeigt. Darüber ist blauer Himmel mit einigen weißen Wolken. Die Sonne blitzt im Fenster des Gebäudes.
5. Aug. 2021
5 min Lesezeit
Cornelia Riml mit Zwer Gulliver

Rote Zipfelmütze, weißer Bart und kecker Blick: Was ein Tiroler Gartenzwerg mit Bomben am Meeresboden zu tun hat und wie er in Bremerhaven als blinder Passagier auf das Forschungsschiff HEINCKE kam, davon kann Cornelia Riml berichten. Vor deren Kameralinse schaffte es der 30 Zentimeter kleine Gulliver immer wieder. Der Zwerg wird Teil eines Vermittlungskonzepts im Deutschen Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte für das „North Sea Wrecks„-Projekt.

Cornelia Riml lächelt verschmitzt beim Griff in die Handtasche. Sie zieht ein Männlein mit Zipfelmütze und weißem Bart hervor und stellt es auf den Tisch. „Das ist Gulliver“, stellt die 32-Jährige mir ihren Begleiter vor. In dessen Namen klingen bereits Abenteuerlust und Fernweh mit. Jüngst erkundete er als blinder Passagier das Forschungsschiff HEINCKE des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Wie es dazu kam, erzählt Riml mir charmant, sodass ich unwillkürlich lächeln und staunen muss. Sie vermag es, Familiensaga und Forschungsauftrag zu verweben, sodass ich immer wieder gebannt nachfrage: „Und was passierte dann?“

Gulliver auf Heincke vorm Rettungsring (c) Cornelia Riml
Ein Zwerg geht auf Reisen: Gulliver ist das neue Maskottchen vom DSM und erzählt den kleinen Gästen bald, wie es auf einem Forschungsschiff aussieht. (c) Cornelia Riml

Gulliver schnuppert Nordseeluft

Riml ist als Mitarbeiterin des DSM Teil der Wissenschaftscrew des EU-Projekts „North Sea Wrecks“.  Die Forschenden untersuchen zusammen mit internationalen Partner*innen die Gefahren versunkener Munition auf dem Grund der Nordsee und fuhren für Proben im April 2021 ins Seegebiet westlich von Helgoland. Riml war mit dabei. Im Gepäck hatte sie ihre Kamera – und Gulliver. Die gebürtige Innsbruckerin begleitete die Expedition filmisch und fotografisch. Seit die Tirolerin der bergigen Heimat den Rücken kehrte, ist das Familienmaskottchen stets an ihrer Seite. Es grüßt die Eltern aus allen Ecken der Welt auf Fotos. „Nachdem wir als Kinder den Gartenzwerg unserer Nachbarin entführten, um etwas Vertrautes von ihr im Urlaub dabei zu haben – sie konnte leider nicht mitkommen – schenkten mir meine Eltern später eine kleinere Ausgabe, damit ich auf meinen Reisen stets auch von einem Stück Heimat begleitet werde“, lüftet Riml das Rätsel um die Herkunft des Zwerges. Ich  höre gern zu, wie sie die Worte gemütlich wiegend betont und dadurch ihre Herkunft aus der Alpenregion verrät.

Moin statt Griasti

Nun moinmoint Gulliver bald kleinen Gästen vor dem DSM entgegen. Erste Ergebnisse des NSW-Projekts zeigt die Wanderausstellung „Toxic Legacies of War – North Sea Wrecks“ vom 11. bis 15. August zeitgleich zu den „Maritimen Tagen“. Die Public History-Studentin der Universität Bremen schrieb das Vermittlungskonzept für Kinder dazu. „Ich habe eine Bildgeschichte konzipiert, auf der Gulliver das Leben an Bord der HEINCKE zeigt und das Wissenschaftsprojekt spielerisch erklärt.“ Zu sehen ist Gulliver auf der Brücke, wo er sich ordnungsgemäß beim Kapitän anmeldete, in der Kombüse, neben den Messinstrumenten und an Deck mit Blick auf Bremerhaven.

Forschende an Deck der HEINCKE (c) Annica Müllenberg
Die North Sea Wrecks-Crew an Bord der HEINCKE. (c) Annica Müllenberg

Blickfang mit Zipfelmütze

Wenn Riml an die Forschungsausfahrt zurückdenkt, muss sie lächeln: Der kleine Star Gulliver zog an Bord schnell alle Blicke auf sich – und Riml: „Stell Dir vor, eine Tirolerin kommt auf ein Forschungsschiff und hat einen Gartenzwerg dabei – alle dachten, die kann nur verrückt sein oder ziemlich cool“, erinnert sie die ersten Reaktionen, die sofort das Eis brachen und sie Teil der Crew werden ließen. Doch nicht nur das Maskottchen war Teil der Bordgespräche, Rimls Background ebenso.

Von der Forschungsausfahrt in die Familiengeschichte

Vier Tage auf der HEINCKE brachten der jungen Frau Erinnerungen ihrer Familiengeschichte zurück ins Bewusstsein. 1932 verschlug es ihren Großvater Walter Riml, berühmter österreichischer Kameramann und Schauspieler, zum ersten Mal nach Grönland. Für den Film „SOS Eisberg“ stand der 2,05 Meter „lange“ Tiroler in Fellanzug und mit Walfett eingeschmiert als Schauspieler vor der Kamera. Während des damaligen siebenmonatigen Aufenthalts barg er sogar die Signalflagge Alfred Wegeners aus dem Eis.

Die Liebe zum Norden

1935 zog es ihn erneut ins Nordland. Dieses Mal hinter die Kamera. Walter Riml schrieb Geschichte in doppelter Hinsicht: Er brach zur ersten Zwei-Mann-Expedition nach Grönland auf, um weitere Aufnahmen für den Alfred Wegener-Gedenkfilm „Das große Eis“ zu drehen. Auf dem rund fünf Kilometer langen Filmmaterial waren Gletscherkalbungen, die Lebensweise der Inuit und nicht gekannte Naturaufnahmen verewigt. Rund 90 Jahre später steht seine Enkelin an Bord eines Schiffes vom Alfred-Wegener-Institut, macht Film- und Foto-Aufnahmen von Taucher*innen und Wissenschaftler*innen, wie sie Proben nehmen und untersuchen. Das Gen für Abenteuer- und Reiselust hat sie wohl vom Großvater.

Forschende untersuchen Proben (c) Cornelia Riml
Forschende untersuchen Proben an Bord der HEINCKE. (c) Cornelia Riml

Brückenschlag in die Familienhistorie

„Natürlich kannte ich die Vergangenheit meines Großvaters – meine Eltern gründeten auf Basis seines Nachlasses das WaRis – Tiroler Filmarchiv samt kleinem Film-Museum. Mein Großvater starb aber, als ich noch ein kleines Kind war. Daher erfahre ich vieles über sein Leben erst jetzt neu und lerne ihn auf eine andere Art und Weise kennen – es eröffnen sich neue Verbindungen und Perspektiven für mich und das ist besonders wertvoll.“

Zwerg Gulliver blickt auf Bremerhaven (c) Cornelia Riml
Gulliver hat Bremerhaven und das Schifffahrtsmuseum fest im Blick. (c) Cornelia Riml

Gulliver erzählt Geschichte

Als Studentin der Public History entdeckte sie das Vermitteln und Erzählen von Geschichte neu für sich und folgt damit im Weitesten Sinne der Riml’schen Familientradition. Die Filme ihres Großvaters sind wichtige Zeugnisse der Zeitgeschichte. Cornelia Riml lässt für ihre Geschichten im DSM Gulliver den Vortritt. Ihr Vermittlungskonzept verdeutlicht Kindergarten- und Grundschulkindern anhand der Fotos mit Gulliver, dass es in einem Forschungsschiff teilweise zugeht, wie in jedem Haus. Das von ihr erarbeitete Konzept ist Inhalt ihrer Masterarbeit in Public History. „North Sea Wrecks ist ein internationales Pionierprojekt, in dem Grundlagenarbeit für Meeres- und Umweltschutz geleistet wird. Das finde ich sehr reizvoll. Ich möchte Kinder spielerisch für die Forschung begeistern und sie behutsam mit diesem spannenden Thema vertraut machen, das Geschichte und Meeresschutz vereint.“

[bre_box title=“Infos zur Ausstellung“ style=“soft“ box_color=“#002c4c“ title_color=“#FFFFFF“ radius=“5″]Die mobile Wanderausstellung „Toxic Legacies of War – North Sea Wrecks“ über das NSW-Projekt wird am 11. August um 13 Uhr vor dem Erweiterungsbau am DSM eröffnet und ist dort bis zum 15. August dann täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Im Anschluss tourt sie durch mehrere europäische Städte. [/bre_box]

Von: Annica Müllenberg

Der Bangert Bau des Deutschen Schifffahrtsmuseums liegt rechts im Bild. Es wird die ganze Fensterfront mit dem neuen Schriftzug "Schiffswelten Der Ozean und wir" gezeigt. Darüber ist blauer Himmel mit einigen weißen Wolken. Die Sonne blitzt im Fenster des Gebäudes.
Gastautor DSM

Das Deutsche Schifffahrtsmuseum (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte ist ein Haus im Wandel. Unsere Gastautor*innen blicken aus verschiedenen Perspektiven auf die Neuausrichtung unter dem Motto „Mensch und Meer“.
www.dsm.museum

Bremerhaven im Blick

Mehr aus und über Bremerhaven und Umzu …

A mehr
Detail: Sebastian Dannenberg, "EASY" edition in der Kunsthalle Bremerhaven (c) Cecilia Uckert

4 min Lesezeit21. März 2019

„Art from the Block“ – Dannenberg in der Kunsthalle Bremerhaven

Der Künstler: Sebastian Dannenberg. Seine Ausstellung 2019 in Bremerhaven: „EASY as far as we can see“: minimalistische, architekturbezogene Kunst.

M mehr
Ein cremefarbener Kinderwagen aus den 1930er oder 1940er Jahren in einer Ausstellungsvitrine

7 min Lesezeit20. Juni 2022

„Maikäfer flieg“

Man spürt es sofort: Im Deutschen Auswandererhaus erwartet die Besucher:innen etwas Besonderes. Die Räume des Museums sind in eine atmosphärische Dunkelheit getaucht, aber die Ausstellungsobjekte […]

M mehr
Moin in Bremerhaven

6 min Lesezeit6. Feb. 2020

„Moin“ sagt man in Bremerhaven

Moin! Ihr wollt zu uns an die Küste in den hohen Norden kommen, habt aber Sorgen wegen der Sprachbarriere, Sitten und Gebräuche? Heute bekommt Ihr einen Schnellkurs

N mehr
Titelbild Blogbeitrag "neue Normalität" im Zoo am Meer

7 min Lesezeit1. Juni 2020

„Neue Normalität“ im Zoo am Meer

Eine neue Normalität herrscht seit dem 8. Mai bei uns im Zoo. Nach über siebenwöchiger Schließung haben wir alle die Eröffnung herbeigesehnt. Ein Stück Normalität […]