Homeoffice ist mir nicht neu. Schon öfter habe ich, wenn ein Projekt fertig werden musste oder ich Ruhe für einen Text brauchte, von zu Hause gearbeitet. Mal einen Tag, in Ausnahmefällen auch zwei. Nun bin ich erst einmal auf unbestimmte Zeit hier in meinen eigenen vier Wänden. Während ich normalerweise Ansprechpartner im Büro habe und mal eben was nachschauen lassen kann, sitzen jetzt alle in ihren eigenen Räumlichkeiten. Herausforderungen, auf die man sich erst einmal einstellen muss. Wie funktioniert Museum digital? Und wie kann man über die Entfernung mit dem Team am besten kommunizieren? Ich gebe euch einen Einblick.
Es ist kurz nach sieben und mein Wecker klingelt. Schon nach wenigen Tagen habe ich gemerkt, dass es im Homeoffice besonders wichtig ist, sich zu strukturieren und den Tag so zu starten, als würde man wirklich ins Büro gehen. Ich koche mir also einen Kaffee, gehe duschen und ziehe mir etwas Vernünftiges an. Zugegeben: zu einem schicken Oberteil kombiniere ich auch gerne mal eine bequeme Yoga-Hose, die man in Videokonferenzen nicht sieht. Mit dem Kaffee geht es an den Schreibtisch. Hier habe ich mich eingerichtet: der Laptop ist mit dem Strom verbunden und ein zweiter Bildschirm macht mir die Arbeit etwas einfacher. Ein Block und ein Stift liegen bereit und die Wasserflasche ist gefüllt.
Der Start in den Homeoffice-Arbeitstag
Nachdem ich meine Mails gecheckt habe, gehe ich alle Social Media Kanäle durch. Ich beantworte Kommentare, verteile Likes und bereite Beiträge für die kommenden Tage vor. Die Arbeit mit dem Redaktionsplan wird aktuell zur Herausforderung. Wo vor wenigen Wochen noch die Ankündigungen zu Veranstaltungen geplant waren, muss jetzt umgedacht werden. In meinen bisher zehn Monaten am Deutschen Schifffahrtsmuseum habe ich jedoch gelernt, dass es im Museum nie langweilig wird und es genügend Themen gibt, über die man reden kann. Wir haben diverse Forschungsprojekte, vergangene Veranstaltungen brachten atemberaubende Fotoaufnahmen und aktuell ist es besonders spannend, wie die Kolleginnen und Kollegen mit der Corona-Krise umgehen. Nach einer kurzen Rundmail bekomme ich etliche Fotos aus den verschiedenen provisorischen Büros. Der eine arbeitet am Küchentisch, eine andere im Wohnzimmer, bei vielen laufen Kinder durch die Gegend. Jeder hat die Herausforderung angenommen und sich, so gut es eben geht, zu Hause eingerichtet.
Es ist kurz vor zehn. Normalerweise würde ich mir jetzt mit meiner Kollegin Frühstück machen. Nun koche ich mir alleine Porridge und gieße mir einen zweiten Kaffee ein. Auf das gemeinsame Essen möchte ich jedoch nicht verzichten. Wir haben uns etwas überlegt. Während ich weiter meine Mails checke und sortiere, flackert auf dem zweiten Bildschirm ein Live-Video. Gemeinsam mit meiner Kollegin frühstücke ich heute Morgen im Homeoffice – jede für sich, aber verbunden über Videochat. So können wir auch noch unkompliziert und ohne etliche Mails anstehende Aufgaben besprechen. Man fühlt sich ein bisschen weniger alleine.
Forschungsarbeit geht weiter
Auf meiner ToDo-Liste für den heutigen Tag stehen noch einige Dinge. Ich sortiere Bilder, redigiere einen Text und setze mich mit den aktuellen Forschungsthemen bei uns am Haus auseinander. Während der reguläre Museumsbetrieb bis auf Weiteres eingestellt ist, geht die Forschung weiter. Dr. Kathrin Kleibl, Provenienzforscherin am Deutschen Schifffahrtsmuseum, untersucht zum Beispiel die Museumsbestände auf während der NS-Zeit unrechtmäßig entzogenes Kulturgut. Vor kurzem erst wurden die rechtmäßigen Besitzer eines Motors ausfindig gemacht, der als Ausstellungsstück in unserem Haus steht. Die Erben, die mittlerweile über die USA verteilt sind, konnten durch akribische Detektivarbeit ausfindig gemacht werden und haben uns das Exponat als Dauerleihgabe überlassen. An der Bedingung, das Ausstellungsstück mit Hinweisen zu seiner Geschichte zu versehen, wird aktuell gearbeitet.
Ein weiteres Forschungsprojekt, an dem PD Dr. Gisela Parak gerade forscht, zeigt, dass die faszinierenden Geschichten nicht immer in den größten Exponaten liegen müssen. Verschiedene alte Reise- und Erinnerungsalben mit Fotografien geben einen Einblick in das koloniale Welt- und Selbstverständnis im 19. Jahrhundert. Die Sammlungen halten fest, wie das Fernweh die damalige Gesellschaft in fremde Länder führte und welch starke Faszination von fremden Kulturen ausging – aber auch, welche Vorurteile herrschten.
Ich finde es faszinierend, wie man nur mit einer Sammlung an Fotos ganze Geschichten erzählen kann. Zu erfahren, was hinter den Bildern steckt, welchen Zusammenhang sie zum damaligen Leben hatten und wie die verschiedenen Kulturen miteinander agierten, finde ich besonders spannend. Noch viel spannender finde ich jedoch, mit den Personen in Kontakt zu kommen, die sich mit den verschiedenen Forschungsthemen auseinandersetzen. Was fasziniert meine Kollegen und Kolleginnen an ihrem Job? Diese Frage notiere ich mir für einen späteren Zeitpunkt. Vielleicht ist das ja sogar etwas für eine kleine Reihe auf Instagram …
Pausen sind auch im Homeoffice wichtig
Es ist mittlerweile kurz nach eins und mein Kopf ist voll mit neuem Wissen und Informationen. Auch mit meinem Chef habe ich mittlerweile telefoniert und erstes Feedback zu Abgaben erhalten. Wir sind gemeinsam die anstehenden Aufgaben durchgegangen und haben uns auf den aktuellsten Stand gebracht. Es ist Zeit für eine Pause. Auch das ist wichtig. Ich öffne alle Fenster und lasse die frische Luft rein. Es riecht herrlich nach Frühling und die ersten Vögel zwitschern schon wieder. Der Vorteil am Homeoffice ist definitiv, dass ich sämtliches Equipment für eine ausgewogene und gesunde Ernährung habe. Ich schneide mir das frisch gebackene Bärlauch-Ciabatta auf, teile einen Apfel und mache mir dazu ein Rührei.
Gemeinsam einsam, gemeinsam produktiv
Frisch gestärkt geht es in die nächste Runde. Ich arbeite die Mails ab, die in der Pause gekommen sind und erkundige mich bei den anderen aus dem Kommunikationsteam im neu eingerichteten Telegram-Chat, wie es ihnen geht. Alle sind bester Laune. Clara, Praktikantin am Schifffahrtsmuseum, hat ihren Arbeitsplatz kurzer Hand auf den Balkon verlegt. Anni kuschelt parallel mit ihrer Katze. Mir geht ein wenig das Herz auf, denn ich merke, wie stark der Zusammenhalt und das Teamgefühl auch über die Entfernung ist. Wir arbeiten alle zusammen und das bereitet mir die meiste Freude.
Das Telefon klingelt. Ein Videoanruf. Ich gehe ran und schaue nicht nur in das Gesicht meines Kollegen, sondern auch in die runden Kulleraugen seines kleinen Sohns. Man hat das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen, um die physische Abwesenheit digital auszugleichen. Ich bekomme auf dem direktesten Wege Antworten auf meine zuvor geschriebene Mail und erfreue mich zeitgleich an der guten Laune des Kleinsten. Mit guter Laune mache ich weiter, streiche einige ToDos und gehe pünktlich in den Feierabend. Ich bin noch verabredet … zum Skypen und gleichzeitigen Wein trinken mit einer Freundin.
Zusammenhalt über Entfernung
Nur gemeinsam ist es möglich, auch in schwierigen Zeiten weiter zu machen. Es erfordert Mut, neue Wege zu finden und zu gehen, aber es stimmt mich hoffnungsvoll, dass alle bereit sind, sich darauf einzulassen. Das Deutsche Schifffahrtsmuseum ist ein Präsenzhaus. Wir zeigen vielfältige Themen in unseren Räumlichkeiten, aber wir können auch digital Präsenz zeigen. Die Vermittlung von Wissen ist auf diesem Wege vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber auch das bekommen wir hin. Forschung ist, wo es passiert. Meine und unsere Aufgabe ist es nun, diese über die verschiedensten Kanäle kreativ zu streuen und euch auf dem Laufenden zu halten. Wir machen weiter. Gemeinsam und in Jogginghose.
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