Das Historische Museum Bremerhaven lockt mit einer neuen GalerieAusstellung. Unter dem Motto „Motiv Bremerhaven: 100 Jahre – 20 Maler/innen“ zeigen wir die besten Werke von 20 Künstler/innen aus einem Zeitraum von 100 Jahren aus unserer eigenen Sammlung. Unter ihnen befinden sich Einheimische wie Sophie Wencke, Erich Viehweger, Paul Kunze und Paul Ernst Wilke. Aber auch viele auswärtige Maler/innen waren fasziniert von der Lage der Hafenstadt an zwei Flüssen, von Schiffen, Werften und Häfen und hielten sich für eine Zeitlang hier auf, um zu malen. Zu ihnen zählen Lucidus Diefenbach, Ronald Franke, Willi Ohler und andere. Stilistisch decken die Gemälde eine breite Bandbreite vom Naturalismus über Impressionismus und Expressionismus bis hin zum Magischen Realismus ab.
Eine Vorstellung aller ausgestellten Gemälde würde hier den Rahmen sprengen, daher habe ich eine kleine, subjektive Auswahl getroffen. Am besten kommt Ihr aber selbst ins Museum, um alle Werke zu sehen und auf Euch wirken zu lassen.
Sophie Wencke
Der Rundgang über die Galerie beginnt mit einem Highlight: Das einzig bekannte Schiffbaumotiv einer Malerin im 19. Jahrhundert stammt von einer Bremerhavenerin und zeigt eine Bremerhavener Werft. Sophie Wencke (1874-1963) war eine ungewöhnliche Künstlerin, die Privatunterricht bei Malern in Bremen, Dresden und Berlin erhielt, weil Frauen zu dieser Zeit der Zugang zu Kunstakademien noch verwehrt blieb. Später ließ sie sich ein Atelier in Worpswede bauen. Ihr gelang es, von ihrer Kunst nicht nur ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten, sondern auch ihre Eltern nach dem Konkurs der Wencke-Werft finanziell zu unterstützen. Kurz bevor sie nach Worpswede zog, nahm sie am Stapellauf des Fracht- und Passagierdampfers „ASSYRIA“ teil und fotografierte das Ereignis. Die Fotografie diente Sophie Wencke anschließend als Vorlage für ein beeindruckendes Stimmungsbild, das ihre Nähe zum Impressionismus spiegelt.
Lucidus Diefenbach
Auch auswärtige Maler waren fasziniert von Bremerhaven. Einer von ihnen war der in Bayern geborene Lucidus Diefenbach (1886-1958), der vor allem in München lebte. In den 1930er Jahren hielt er sich immer wieder in Wesermünde auf, um hier zu malen. Für seinen Blick auf die Geestemündung stieg Diefenbach auf den Gasometer in Geestemünde und erhielt so einen weiten Blick über die Geeste hin zur Weser und die beiden Ufer. Gedämpfte Farben vermitteln eine ruhige Abendstimmung. Die von den letzten Strahlen der Abendsonne beschienenen Flächen leuchten intensiv rot auf.
Paul Ernst Wilke
Bei einer Ausstellung mit Bremerhavener Motiven darf Paul Ernst Wilke natürlich nicht fehlen. Aus unserer großen Wilke-Sammlung haben wir vier Werke ausgewählt. Paul Ernst Wilke (1894-1971) kehrte nach seinem Studium in Bielefeld, Bremen, Düsseldorf und Berlin 1921 in seine Heimatstadt zurück. Unmittelbar nach seiner Rückkehr malte er mehrfach den Alten Hafen. Eine dieser Ansichten ist in der GalerieAusstellung zu sehen. Wie auch Diefenbach wählte Wilke eine Abendstimmung aus. Doch seine Umsetzung ist völlig anders. Die intensive Leuchtkraft der Farben zeigt Wilkes kurze Auseinandersetzung mit dem Expressionismus, bevor er sich für eine impressionistische Malweise entschied, der er sein Leben lang treu blieb.
Paul Kunze
Der bedeutendste Expressionist Bremerhavens war Paul Kunze (1892-1977), der nach seinem Kunststudium in München und Berlin als Kunsterzieher in Bremerhaven arbeitete. Er ist mit drei Werken in der GalerieAusstellung vertreten. Besonders gut gefallen mir seine „Segelboote im Hafen“. Kunze hat die Segelboote in geometrische Formen und Flächen umgesetzt. Flatternde Segel und Wimpel sorgen außerdem für heitere Bewegung.
Ronald Franke
Das größte Gemälde in der Ausstellung stammt von Ronald Franke (1960-2015), der sich Ende der 1980er Jahre mehrfach in Bremerhaven aufhielt. Es zeigt das Gelände der Lloyd Werft von der Brückenstraße aus. Franke verzichtete auf die Darstellung von Menschen, beschränkte sich auf wenige Farben und setzte bewusst eine klare Lichtführung ein. Von der Betriebsamkeit des Werftalltags ist daher nichts zu spüren.
Barthel Gilles
Ein Gemälde sticht besonders hervor. Es stammt von Barthel Gilles (1891-1977), der von 1957 bis 1962 in Bremerhaven lebte. Er experimentierte mit verschiedenen Malstilen und Maltechniken. Sein „Ikarus (über Columbuskaje Bremerhaven) mit MS ‚United States'“ ist dem Magischen Realismus zuzuordnen. Es verbindet die griechische Mythologie mit einer detaillierten Darstellung der Columbuskaje in Bremerhaven. Ikarus, der der Sage nach mit seinen Flügeln zu nah an die Sonne kam, so dass das Wachs darin schmolz und er abstürzte, ist bei Gilles noch hoch in der Luft. Vielleicht symbolisiert Ikarus hier den Aufstieg des Passagierflugverkehrs, der das Ende der legendären Ozeanriesen, wie der eleganten „UNITED STATES“ einläutete. Auf jeden Fall regt das Gemälde zum Nachdenken an.
Maria Dehn-Misselhorn
Der Rundgang endet schließlich auch mit einer Malerin, die fast 60 Jahre später ebenfalls ein Schiffbaumotiv wählte. Maria Dehn-Misselhorn (1908-1980) stellte mit kräftigen Farben und dynamischem Pinselstrich eine Ansicht der Rickmers Werft dar. Ebenso wie bei Sophie Wencke war das auch für sie ein eher ungewöhnliches Motiv, da sie sonst Stilleben, Landschaften und Porträts anfertigte.
… und noch viel mehr
Die GalerieAusstellung vermittelt einen eindrucksvollen Blick auf Bremerhaven. Besonders reizvoll ist zum einen, dass die Maler/innen an völlig unterschiedlichen Orten der Stadt ihre Motive gefunden haben. Zum anderen zeigt die Umsetzung des Gesehenen in künstlerische Werke auch eine große stilistische Bandbreite. So unterschiedlich die Werke auch sind: Sie alle vereint jedoch die Faszination, die Bremerhaven seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf Künstler/innen ausübt.
Wer also Lust auf mehr bekommen hat, ist herzlich eingeladen, sich alle Gemälde vor Ort anzusehen!
Historisches Museum Bremerhaven, An der Geeste, 27570 Bremerhaven
17.11.2018-05.10.2019, Di-So 10-17 Uhr
Der Eintritt ist frei.
Termine für regelmäßig stattfindende öffentliche ExtraTouren findet Ihr in unserem Veranstaltungskalender
Fotos: Historisches Museum Bremerhaven
Rolf Reichl
Sehr geehrte Damen und Herren .
Ich habe bei einem Einzug in Bremerhaven ein Bild auf dem Dachboden entdeckt…signiert mit : FRIDA KLEIN oder KLEINE oder ähnlich . Ich denke , das es aus den 50-iger Jahren stammt ?
Können Sie mir etwas zu der Künstlerin sagen ?
Kerstin Ras-Dürschner
Lieber Herr Reichl,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Es handelt sich wahrscheinlich um ein Bild von Frido Kleine (1902-1990), der als freier Maler und von 1952 bis 1967 auch als Bühnenmaler am Stadttheater Bremerhaven tätig war.
Herzliche Grüße! Kerstin Ras-Dürschner