Kunst ist langweilig, nicht zu verstehen und vor allem elitär. Von wegen! An einer kleinen Ecke der Goethestraße in Bremerhaven-Lehe gibt es ein Fleckchen, was genau diesen Vorurteilen entgegenwirkt: das Atelier Goethe45. Hier dürfen Kinder aus Lehe jeden Dienstag und Donnerstag von 16 bis 18 Uhr vorbeischauen und sich kreativ ausprobieren. Genau dort habe ich im August 2017 angefangen zu arbeiten, um mich schon mal auf das einzustellen, was mich ab September für ein Jahr erwarten wird. Denn dann beginnt mein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur im Kunstverein Bremerhaven.
Aller Anfang ist schwer
Zugegeben, der erste Eindruck des Projektraums hätte besser sein können. Mich empfängt ein Baugerüst, die Fenster sind mit Folien verdeckt und obwohl Sommer war, hätte es dort drin ruhig wärmer sein können. Meine Vorgängerin Eva erzählte mir, dass die Wohnungen über dem Projektraum und die Fassade erneuert werden. Das erklärte zumindest die Baustelle rund um meinen neuen Arbeitsplatz. Die zwei drei Kinder, die dann vorbeischauten, waren mehr als aufgeweckt und voller Freude darüber, dass die Sommerpause nun ein Ende hat. So langsam trafen mich nun schon meine ersten Zweifel: Werde ich es jemals schaffen mir den nötigen Respekt der Kinder zu erarbeiten? Und was soll ich mir nur ein Jahr lang für Themen und Aufgaben überlegen, um die Kinder vernünftig zu beschäftigen? Ich bin schließlich keine Pädagogin…
Teamwork – Mein Rettungsanker
Drei Monate später weiß ich nun, dass es alles gar nicht so schlimm ist, wie es anfangs auf mich wirkte. Dennoch sind Kinder bei weitem nicht so leicht zu beschäftigen, wie man vielleicht denken mag. Glücklicherweise stehe ich mit dem Projekt „Atelier Goethe45“ nicht alleine da und habe zwei wunderbare kreative Kolleginnen an meiner Seite. Sie sind mir eine große Hilfe bei der Ideenfindung und beim Leiten der Kurse. Eines unserer Ziele ist es mit den Themen und Aufgaben eine Verbindung zu den aktuellen Ausstellungen im Kunstmuseum und der Kunsthalle Bremerhaven herzustellen. Wir möchten den Kindern so die Kunst ganz ungezwungen und ohne jeglichen Druck näher bringen. Es werden keine Noten wie in der Schule vergeben, denn was einem in der Kunst gefällt ist rein subjektiver Natur. Die Kinder dürfen sich ausprobieren und merken, dass Kunst etwas sehr spannendes sein kann und es einiges zu entdecken gibt. Es gibt kein „Das kann nicht.“. Denn jeder kann – man muss es nur wollen.
Ungezwungen kreativ sein
Jetzt gerade befassen wir uns beispielsweise mit Werken aus der Jubiläumsausstellung „NORD-WEST ZEITGENÖSSISCH“ des Kunstmuseums Bremerhaven. Hier verbringe ich übrigens die restliche und meiste Zeit meines Arbeitstages. Wir versuchen den Kindern im Atelier Techniken nahezulegen, mit welchen man einen ähnlichen Effekt wie auf den Kunstwerken erzielen kann. Ein Blatt Papier, Buntstifte, einige Gegenstände als Vorlage und ein bisschen Fantasie reichen schon aus, um einem Werk des Künstlers Jan Voss einen Schritt näher zu kommen. Auf dem Kunstwerk, das fast wirkt wie ein großes Wimmelbild, lassen sich nämlich einige relativ einfach gezeichnete surrealistische Figuren entdecken. Da bekommt die Tasse mit Henkel oder das Frühstücksei im Eierbecher fix ein Gesicht und Arme und schon werden die Gegenstände zum Leben erweckt. Kunst ist hin und wieder eben simpler als man meint! Natürlich arbeiten wir nicht nur nach Aufgaben. Die kleinen Künstler können auch einfach die Ideen, die in ihren Köpfen schwirren auf Papier oder Leinwand bringen. Das Motto: Ausprobieren und selber gestalten!
Auch die Erwachsenen sind gefragt!
Neben den Malkursen für Kinder findet jeden Mittwoch, auch von 16 bis 18 Uhr, ein integrativer Malkurs für Bewohner aus Bremerhaven-Lehe mit und ohne Fluchterfahrung statt. Dieser wird von der Bremerhavener Künstlerin Lissi Jacobsen geleitet. Allerdings zieht dieses Angebot nicht nur Bremerhavener an. Hin und wieder finden auch Touristen oder kunstaffine Bewohner aus der Umgebung ihren Weg zu uns. Meine Aufgabe während der zwei Stunden liegt darin, Lissi ein bisschen zur Hand zu gehen. Ich helfe beim Aufbau und übersetze beispielsweise an der einen oder anderen Stelle auf Englisch, denn auch die Verständigung mit Händen und Füßen hilft manchmal nicht mehr weiter. Auch hier wird in Anlehnung an die Ausstellungen im Kunstmuseum oder der Kunsthalle gearbeitet. Um sich nicht nur Fotos anschauen zu müssen, wird hin und wieder das Museum sowohl mit den Erwachsenen als auch mit den Kindern besucht. Das hilft nicht nur die Technik des Künstlers besser zu verstehen, sondern regt außerdem die eigene Kreativität an!
Miteinander anstatt gegeneinander

Was ich an diesem Kurs besonders mag und vor allem auch wertschätze, ist die ungezwungene Atmosphäre. Im Museum habe ich eher das Gefühl still sein zu müssen. Während des Kurses aber, wird sich trotz sprachlicher Barrieren viel unterhalten und reichlich gespaßt. Was besonders auffällt: Es steht überhaupt nicht im Fokus, ob die Teilnehmer aus Syrien, Deutschland, Frankreich oder Libyen kommen, welchem Glauben oder welcher Kultur sie sich zugehörig fühlen. Die Teilnehmer unterstützen sich gegenseitig, geben sich Tipps und Ratschläge und vertrauen einander. Alle haben einfach nur Spaß daran gemeinsam kreativ zu sein und ich bin sehr froh Teil dieses Projekts sein zu dürfen. Denn es macht mir eines mehr als deutlich: Kunst verbindet!
Einladung ins Atelier Goethe45
Wer von euch als Tourist zu uns nach Bremerhaven kommt, ist natürlich auch herzlich eingeladen, uns einen Besuch abzustatten und selber aktiv zu werden. Vielleicht haben auch eure Kinder Lust sich kreativ auszutoben und den Pinsel zu schwingen? Kein Problem! Sowohl die Kinderkurse als auch der Erwachsenenkurs finden kostenlos und ohne Anmeldung statt. Kinder dürfen sich zweimal die Woche am Dienstag und Donnerstag kreativ bei uns austoben. Die Erwachsenen sind dann mittwochs dran. Beide Kurse finden immer von 16 bis 18 Uhr statt. Wenn euch das typische Bremerhavener Schietwedder mal wieder einen Strich durch die Rechnung machen sollte, freuen wir uns, wenn ihr bei uns im Atelier Goethe45 vorbeischaut. Wer Lust auf Kunst und Kultur hat, ist herzlich willkommen und soll auch die Chance bekommen, sich damit zu befassen, wenn er möchte!
[bre_note note_color=“#0e78ad“ text_color=“#ffffff“]KUNST-TIPP: Aktuell habt ihr außerdem noch die Chance, euch die Ausstellung „FLUCHT-MOMENTE-DANACH“ bei uns im Atelier anzusehen. Die Werke sind im Zuge des integrativen Erwachsenenkurses entstanden. Viele der Werke haben ihre eigenen Geschichten, die auch bei mir schon für Gänsehaut gesorgt haben. Schaut einfach während der Kurszeiten vorbei (Dienstag-Donnerstag, 16 bis 18 Uhr). Wir freuen uns![/bre_note]