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Ein Spätsommernachtstraum im Speckenbütteler Park

Eigentlich betrübt es mich ein wenig, dass die Tage wieder kürzer werden und die Dunkelheit so gewissenhaft ist, den uralten Reigen zu tanzen und sich […]

Die Autorin trägt Kopfhörer- im Hintergrund ist Equipment zu sehen
4. Okt. 2018
6 min Lesezeit

Eigentlich betrübt es mich ein wenig, dass die Tage wieder kürzer werden und die Dunkelheit so gewissenhaft ist, den uralten Reigen zu tanzen und sich immer früher in den Tag zu schleichen. Doch heute bin ich aufgeregt und freue mich darauf, dass es dunkel wird: Mit dem Bus geht’s rauf in den Speckenbüttler Park zum 16. Theatralen Lichterspektakel.

Wann wird´s endlich dunkel?

Der Rat, das Auto zuhause zu lassen, erweist sich als gut, als ich über den pickepacke vollen Parkplatz am Parktor laufe.

Noch ist es hell; ein Spätsommerabend verneigt sich am Himmel und die letzten Sonnenstrahlen des Tages scheinen durch den Wald. Ich bezahle 2 Euro Eintritt und bekomme dafür ein kleines orangenes Knicklicht. Jetzt bin ich drin. Die Vorfreude wächst, als ich an den ersten leuchtenden Installationen vorbei komme. Ich bin gespannt, was sich das Kulturbüro Bremerhaven, die das Lichterspektakel mit unzähligen Ehrenamtlichen und in Kooperation mit dem Gartenbauamt Bremerhaven und dem Weidenschloss e.V. jedes Jahr Ende September organisieren, dieses Mal wohl ausgedacht haben. Hoffentlich dämmert es bald.

Überall im Park finden sich immer neue leuchtende Überraschungen – (c) Annika Jaeger

Lichtermenschen beim Lichterspektakel

Aber zunächst lassen wir uns treiben mit dem immer dichter werdenden Strom aus Menschen. Viele sind mit Lichtern geschmückt: Knicklichter, Blinkende Herzen, Taschenlampen, Lampions, Laternen, Lichterketten – ob an den Jackenreißverschluss geknotet oder rund um den Kinderwagen geschlungen. Hier ein Familienausflug mit Mann und Maus und Oma, dort romantisches Flanieren zu zweit, singende Mädchengruppen oder betont lässige und unbeeindruckte Teenies, – fast 10.000 Besucher*innen sind heute hier.

Wir lassen uns treiben durch den großen Speckenbüttler Park und hinein in die Dämmerung. Die Flügel der alten Bockwindmühle drehen sich und Fähnchen flattern. Es riecht nach gebrannten Mandeln, Zuckerwatte und Pommes, nach Lampenöl, Feuer und Herbst.

Eine wunderliche Welt

Hinter jeder Ecke finden sich neue leuchtende, glänzende, schimmernde Attraktionen: ein Schwarzlichttheater inszeniert sich in Neonfarben, grazile Akrobatinnen turnen meterhoch am blauen Vertikalseil, jugendfrei drehen sich Turnerinnen kreiselartig an der Pole Dance -Stange, leuchtende kleine Ballettelfen tummeln sich im Rosengarten, dicke, blau leuchtende Eiswürfel liegen auf einer Wiese und zottelige Lichtpferde traben über den Weg.

Über allem leuchten die Bäume des Speckenbüttler Parks in allen Farben. Mit dem Kopf im Nacken schaue ich in den Farbenwechsel: Rot beleuchtet, sehen die Baumkronen blutig gruselig aus, in grün wie eine überzeichnete Realitätsdarstellung, in Blau wirken sie kalt und eisig, in Gelb grell und krank – am besten gefällt mir wohl das lila-pinke Licht. Es sitzt in den Baumwipfeln wie sichtbare Fröhlichkeit – und das passt, denn hier wird ein Lichterfest gefeiert. Ja, mehr noch: es ist in der Tat ein Lichterspektakel. Es wird getanzt, gesprungen, gezündelt, getrommelt, gegessen, gequatscht, gesungen, getobt, gerannt, gezaubert – spektakulär.

Der Speckenbüttler Park ist in allen Farben beleuchtet (c) Mirja Meyer
Die Wipfel der Bäume leuchten in allen Farben beim Theatralen Lichterspektakel. (c) Mirja Meyer

Vom Feuer und von entrüsteten Kindern

Seit zweieinhalb Stunden laufe ich durch den Park und entdecke immer noch Dinge, die ich vorher nicht gesehen habe:

Pure Kinderentrüstung: „Mama, der Mann hat Feuer gegessen!“ Ja, Tom The Dragon isst Feuer. Auch wenn das schon abenteuerlich genug ist, schluckt Tom nicht nur Feuer, nein! Er macht seinem Drachennamen alle Ehre und spuckt auch ganze Feuersalven, Feuerfanfaren, Feuersbrünste. 15, 16, 17 – das Publikum zählt laut mit. 17 Feuerstöße schafft Tom The Dragon mit nur einem Mund voll Feuerwasser.

Die Feuerbande „Freies Feuer“ begeistert mit viel Rabatz und ihrer rasanten Show. Die Künstler*innen ziehen sich Feuerpois  – Bänder mit brennenden Kugeln an den Enden – über die bloße Haut. Neben mir fragt entgeistert ein Kind: „ Wieso bekommen die keine Brandblasen?“ Der Vater, etwas in der Bredouille, versucht mit „Die haben da so Gel auf den Armen“ eine sinnvolle Erklärung zu liefern, aber ein bisschen unbeantwortet bleibt die Frage – und so bleibt auch der Zauber und das Staunen während die Feuerkugeln und -stäbe, und -räder von „ Freies Feuer“  nur so durch die Luft wirbeln.

Über die Sehnsucht einer Plastikflasche

Ein kleines Häuschen mit bunten Fenstern und ein Leuchtturm (c) Annika Jaeger
Ein hell erleuchtetes Häuschen und ein Leuchtturm aus recyceltem Material (c) Annika Jaeger

Überall rund um den See finden sich immer wieder erleuchtete Enklaven. Auf einer Leinwand in einem Waldstück laufen Filme – Fische schwimmen, ein Lagerfeuer lodert. Lichtobjekte aus recyceltem Plastik leuchten so schön, als hätten die Plastikflaschen nun endlich zu ihrer wahren Bestimmung gefunden. Ein kleines beleuchtetes Dorf und ein Leuchtturm haben es sich am Teichufer gemütlich gemacht und ihre Idylle mutet fast schon weihnachtlich an. Überall sind leuchtende Installationen zwischen die Bäume gespannt, in die Wiese gesetzt oder baumeln herab von den Ästen der Bäume.

Das Lichterlabyrinth ist ein großer Spaß für kleine Leute. Gar nicht so leicht ist der Weg zum Mittelpunkt zu finden und die Begrenzung aus Holzklötzen nicht einfach zu übertreten, ist ja Ehrensache.

Es ist dunkel!

Mittlerweile ist es übrigens stockdunkel geworden und ich ärgere mich ein wenig, nicht auch irgendeine Licht mitgenommen zu haben. Spätestens jetzt weiß ich, warum so viele Eltern ihre Kinder beleuchtet haben… Im Abstand von einem Meter reiht sich ein Marmeladenglas mit Teelicht ans nächste, aber wegstückweise ist es zappenduster.

Leuchtmitteltechnisch bin ich wirklich schlecht ausgestattet, aber immerhin habe ich beim Verlassen der Wohnung noch schnell nach der Mütze gegriffen. Nach dem langen heißen Sommer wird nun wohl wirklich Herbst.

Träumen im Stehen beim Lichterspektakel

Die leuchtenden Stelzenläuferinnen tragen einen wunderbaren Zauber durch den Park. Ihr Gang ist stöckelig-stelzig und macht ihr Erscheinen realitätsfern und träumerisch. Von musizierendem Fußvolk begleitet, wiegen die großen, leuchtenden Röcke der Kostüme die Lichtwesen in der Luft. Kaum nur, so scheint es, berühren sie den Boden. Da! Ist nicht eine gerade tatsächlich ein wenig geschwebt? Doch schon ziehen sie vorbei und ich bleibe stehen mit einem Verstand, der mir das Prinzip von Stelzenlaufen erklärt und einem Lächeln im Mundwinkel.

Bunte Farben mischen sich zu immer neuen Bilder auf einer Stoff „wolke“ (c) Mirja Meyer

Zwischen den Bäumen hängt eine Wolke. Ich weiß nicht, woraus sie gemacht ist, aber die Einfachheit der Technik und der dargebotene Effekt begeistern mich. Mit einem Beamer werden Farben auf die „Wolke“ projiziert. Die Wolke schwingt, die Farben verlaufen sich und mein Blick bleibt hängen und hängen und hängen. Als würde sich das Universum vor meinen Augen zusammenbrauen und wieder auflösen, nur um sich kurz darauf neu zu erfinden.

Feuer, ein Knall und bunte Sterne

Am Ende leuchtet über dem Lichterspektakel ein buntes Feuerwerk. (c) Mirja Meyer

Plötzlich nimmt die Spannung zu, es knistert regelrecht. Das Lichterspektakel erreicht seinen Höhepunkt. Tausend Blicke heften sich erwartungsvoll an den Himmel: Ein Feuerwerk ist versprochen, Punkt halb zehn geht es los. An mehreren Stellen scheint der Bootsteich zu brennen; wie ein Vulkankrater spuckt er Feuer in den Abendhimmel. Jetzt surrt die erste Rakete durch die Nacht. Es glitzert, es knallt, es funkelt und tausend bunte Sterne strahlen über Bremerhaven, verpuffen dann im Wind, während oben am Himmel immer neue Sternenblumen erblühen – bunt und hell und zauberschön.

Dann wird es still, ein magischer Spätsommernachtstraum ist ausgeträumt, das Spektakel ist zu Ende, es wird kalt!

Adieu Speckenbüttel, zuhause gibt’s noch Kürbissuppe. Adieu, du Lichterspektakel, bis zum nächsten Jahr!

Die Autorin trägt Kopfhörer- im Hintergrund ist Equipment zu sehen
Annika Jaeger

Kulturamt Bremerhaven Ursprünglich dem Ruhrgebiet entwachsen, bin ich schon einige Zeit unter dem weiten, norddeutschen Himmel zuhause – aber nun ganz frisch: Bremerhaven! Begleitet mich auf neuen Wegen – immer im Gepäck: Neugier, Spaß und die Sehnsucht nach frischem Wind!

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