Manche sind gut versteckt. Mitten im Wohngebiet am Rande der Stadt. Im Hinterhof eines Hauses oder hoch oben im Dachgeschoss. Wovon die Rede ist? Von Bremerhavens zahlreiche kleine Galerien und Werkstätten. Die öffnen am „Tag des offenen Ateliers“, jeweils im September. Im letzten Jahr war ich dabei, am 1. September 2019 mache ich mich wieder auf den Weg. Die Künstler öffnen dafür ihre Galerien und Werkstätten und stehen im zwanglosen Plausch Rede und Antwort. Interessierten erklären die gern den Schaffensprozess und ihre Kunst. Alles ganz ungezwungen und fast persönlich. Lest hier, wie es mir im letzten September ergangen ist.
Malerei, Bildhauerei, Druck, Radierungen – für jeden ist etwas dabei
Obwohl ich schon einige der Werkstätten und Galerien gesehen habe, war mir die Vielfalt der Bremerhavener Szene gar nicht bewusst. Los geht’s im „Art Impressions“ in der „Alte Bürger“ 135. In der Galeriegemeinschaft arbeiten derzeit Fernando Valero, Tanja Glawatty, Alix Cabaret und Robert Worden. Alle mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Hier haben sie einen Ort gefunden, in dem sie gleichzeitig arbeiten und auch ausstellen können. Allein hier finden Besucher Foliencollagen, Fotographie, Texte, Malerei, Video, Skulptur und Licht vor. Fernando Valero, Techniker beim Alfred-Wegener-Institut (AWI), hat Bilder von Eiskernen geschaffen und Folien-Collagen. Außerdem veröffentlicht er gemeinsam mit seiner Frau die Kinderbücher „Paul und Napoleon„, in denen Kindern auf unterhaltsame Weise Wissenswertes über den Klimawandel vermittelt wird. Velero liefert die Karikaturen mit zahlreichen Bremerhaven-Motiven für die Bücher. Die Galerie hat freitags von 17 bis 20 Uhr geöffnet.
Jetzt wird’s kuschelig
Mein nächster Weg führt mich in den Süden Bremerhavens, in den Stadtteil Wulsdorf. Bei strahlendem Sonnenschein schlendere ich zu „Filzblau„. Maike Leja-Breitlauch fertigt hier in ihrem Filzatelier die zauberhaftesten Dinge. Angefangen von kleinen Untersetzern, über Kissen, Taschen, Körbe bis hin zu Tuniken und Läufern. Ein Objekt schöner als das andere. Aber damit nicht genug. Wer Lust hat, selbst etwas zu filzen, hat hier in einem der zahlreichen Kurse für Kinder und Erwachsene, Gelegenheit dazu. Es gibt Taschen-Workshops, bunte Filzabende, saisonale Angebote, Schal-Workshops und vieles mehr. All das in einem gemütlichen, lichtdurchfluteten Atelier. Das Atelier hat montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr oder nach Vereinbarung geöffnet.
Die Schwarzarbeit, die keine ist
Nur wenige hundert Meter weiter begrüßt mich ein geteilter Papiermensch am Eingang zum Atelier Schwarzarbeit von Sandra Jakobs. In der Werkstatt dahinter verbirgt sich noch mehr Überraschendes. Bleisatz (Hochdruck) und Radierung (Tiefdruck) treffen auf Papierskulpturen. Auf dem alten Schreibtisch stehen Äpfel aus dem eigenen Garten zum Vernaschen bereit. An den Wänden hängen kleinere und größere Radierungen. Auf den Tischen und Regalen liegen gefundene kleinere Tierschädel, die für Papierdrucktechniken verwendet werden. Spannend! Überall gibt es etwas zu entdecken. Und wer länger bleiben möchte, kann eine kleine, liebevoll eingerichtete Ferienwohnung über der Werkstatt mieten oder einen ihrer Kurse besuchen. Die Künstlerin öffnet ihre Werkstatt gern nach Absprache interessierten Gästen und Besuchern.
Vielfältigkeit auf kleinem Raum
Im offenen Atelier Galerie 78 präsentiert der Innenarchitekt und Designer Vladimiro Miszak neben eigenen Arbeiten auch verschiedenste Künstler. Heute kann ich hier neben großformatigen Bleistiftzeichnungen auch Acrylmalerei und Skulpturen bewundern. Im November startet er außerdem sein großes Projekt der Schillermeile. Dazu öffnen Cafés, Restaurants und Einrichtungen in und rund um die Schillerstraße ihre Schaufenster und kleinere Räumlichkeiten, in denen 20 Künstler für drei Wochen ihre Kunst präsentieren und ausstellen.
Fotografie in Nachbarschaft zur Druckgrafik
Gleich um die Ecke beeindrucken die großformatigen, gestochen scharfen Fotographien von Ehepaar Weinhold-Wackernah im Atelier An der Mühle. Vertraute Bremerhaven-Motive auf Fischauge-Perspektive wirken auf einmal ganz anders. Aufs skurilste verzerrte Motive fesseln das Auge des Betrachters. Mich sprechen besonders die Fotos auf Leinwandgröße mit einem Fisch an, der kopfüber in einem Glas steckt und von einem kleinen Menschen fotografiert wird. Faszinierend auch der Tintenfisch, der von Menschen „erklommen“ wird. Neugierig? Dann seht selbst. Die Galerie hat montags, donnerstags, freitags von 14 bis 17 Uhr und mittwochs und samstags von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Vorbei am Wasserturm erreiche ich nach wenigen Schritten die „Abdrift“ – Werkstatt für Druckgrafik. Immer mittwochs kann hier von 10 bis 15 Uhr gestöbert und mit dem Künstler Godehard Pollakowski geplaudert werden. Er erklärt Interessierten gern seine verschiedenen Druck- und Siebdruckmaschinen.
Kunst will erarbeitet werden
… diesen Eindruck bekomme ich bei meinem nächsten Galerie-Stopp. Die Ateliergemeinschaft „unterm Dach“ heißt nicht umsonst so und ist über 80 Stufen erreichbar. Aber der Aufstieg lohnt sich! Oben werde ich herzlich begrüßt und genieße erst einmal den Ausblick aus dem Fenster über die Dächer Geestemündes. Frieder Walz arbeitet hier zusammen mit Rainer Gerken. Frieder Walz hat sich auf Aktzeichnungen und politische Karikaturen spezialisiert. Von Rainer Gerken sind Landschaftsbilder und Portraits in unterschiedlichen Formaten und Techniken zu sehen.
Die Welt ist bunt!
Der Tag des offenen Ateliers macht deutlich, wie vielschichtig und breit gefächert Kunst ist. Künstlerinnen und Künstler nutzen unterschiedlichste Materialien, um sich auszudrücken. Mal abstrakt, mal ganz klar, gegenständlich, verspielt, diffus, krass… Die Zeit beim Tag des offenen Ateliers 2018 reichte nicht, um alle Galerien zu besuchen. So hoffe ich, dass 2019 die Maskenkunst Artevale, die Ateliers von Ingeborg Steinhage, Atelier Dr. Jürgen Preissler, Kornelia Kirschner-Liss und Heide Duwe sowie die Künstlergruppe Atelier im Hof wieder mit dabei sind werden. Ich bin schon jetzt neugierig, was es dort alles zu entdecken gibt.
2019 findet der Tag des offenen Ateliers am Sonntag, 1. September statt. Und keine Scheu! Die Künstlerinnen und Künstler freuen sich über Gäste und Besucher – und das das ganze Jahr über.