Die neue Spielzeit am Stadttheater Bremerhaven wurde vorgestellt. Die Pressekonferenz für die Saison 2023 / 2024 ist gerade vorbei. 2023 / 2024 – wartet, ich muss einmal kurz nachzählen – diese wird meine fünfte hier am Stadttheater Bremerhaven als Leiterin der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit. Und plötzlich merke ich wieder, wie schnell die Zeit vergeht.
Und dann kam alles anders…
Dass das Leben für viele Überraschungen sorgt, dafür ist Bremerhaven für mich das beste Beispiel. Im Sommer 2018 fing ich hier als Leiterin der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit an, doch beworben hatte ich mich eigentlich als Dramaturgin für Schauspiel. Ich erinnere mich noch gut an das Vorstellungsgespräch mit dem damaligen Intendanten. Ich lief vom Theater aus über den Deich zum Deutschen Auswandererhaus. Im Café mit Blick auf den Neuen Hafen sprachen wir bei einer Tasse Kaffee über meine Vorstellungen vom Spielplan und die für mich wichtige inhaltliche Ausrichtung des Theaters.
2015 hatte ich mich schon einmal hier beworben. Ich kam gerade vom Theater Kiel, war dort Schauspieldramaturgin und wollte nach dem Ende der Elternzeitvertretung, für die ich engagiert worden war, gerne im Norden bleiben. Aber das sollte nicht sein und ich ging ans Theater Heilbronn. (Naja, nördlich von Freiburg war das ja zumindest noch.) Nach drei Jahren in den Weinbergen Süddeutschlands zog es mich zurück ans Meer.
Also: Versuch Nr. 2, der nach dem gerade erwähnten Gespräch im Auswanderhaus leider nicht weiter führte. Aber Aufgeben gehört nicht zu meinen Stärken. Irgendein kluger Mensch sagte einmal etwas über Zitronen und das Leben. Ich bekomme es nicht mehr genau zusammen, aber die Lösung war Limonade. Und im Limonademachen – zumindest im übertragenem Sinne – war ich schon immer gut.
Bewerbung die Dritte
Die Marketingleitung war frei. Ich schickte also die nunmehr dritte Bewerbung nach Bremerhaven. Alle guten Dinge sind ja bekanntlich drei – et voilà – hier bin ich. Limonade zahlt sich also doch aus. Dabei ist der Schritt von Dramaturgie zu Marketing für mich gar nicht so weit hergeholt. Ich fühle mich dem Theater als auch den Medien schon immer verbunden, habe beides studiert, erst an der Universität Bayreuth, dann an der FAU Erlangen-Nürnberg. So richtig entscheiden zwischen beiden konnte ich mich jedoch nie.
Irgendwas mit Medien
Mit dem Theater kam ich in meiner Schulzeit erstmals in Berührung. Das hielt sich über Regieassistenzen und erste Dramaturgien während des Studiums in der freien Szene und an Privattheatern fast bis zum Berufseinstieg. Das Studium wiederum war im Bereich der Medienwissenschaften sehr praxisorientiert. In Bayreuth machte ich meinen Kameraschein, sammelte zudem Erfahrungen im Bereich Redaktion und Schnitt, erst an der Uni, dann in professionellen Produktionsfirmen.
Von Bayreuth aus ging es in die Welt, erst nach Erlangen und schließlich nach Berlin. Die spannendsten Erfahrungen sammelte ich dort in der Kulturredaktion des ZDF Hauptstadtstudios: Ich war bei der Eröffnung des Tränenpalastes durch Angela Merkel dabei, beim Jetski-Stunt von Rowan Atkinson zur Filmpräsentation von „Johnny English – Jetzt erst recht“. Ich war mit Sarah Jessica Parker im Interview für ihren Film „Working Mum“, sprach auf Filmpremieren mit Anke Engelke und Senta Berger, rannte auf einer After-Show-Party mit meinem Kamerateam Hugh Grant hinterher, der plötztlich unangemeldet in Clärchens Ballhaus auftauchte. Ich begleitete den Dreh von Beiträgen über Ausstellungen und Konzerte, war für das ZDF bei Pressekonferenzen und stand einige Male sogar selbst vor der Kamera, wie bei einer Dokumentation über die Museumsinsel.
Theater ließ mich nicht los
Und doch ließ mich das Theater nie los. Fernsehen hieß viel Handwerk. Das hatte ich verstanden. Die Produktion muss schnell gehen, wenn aktuell berichtet werden soll. Nach dem Dreh sitzt man nachts noch im Schnitt, damit der Beitrag in der Sendung am nächsten Morgen ausgestrahlt werden kann. Oder es heißt nach der Redaktionssitzung 10 Uhr: Thema schnappen, Beitrag konzipieren, Interviews organisieren, Vox-Pops einholen, drehen, schneiden, um 12 Uhr muss der Beitrag raus. Gutes Organisationsgeschick ist da alles. Als Dramaturgin am Theater hatte ich die Möglichkeit, mich stärker in Themen zu vertiefen, und wurde bezahlt für das, was ich quasi am Liebsten tat – für’s Lesen.
Mich immer wieder mit neuen Stoffen auseinanderzusetzen, mir neue Themenfelder zu erschließen, von denen ich vorher keine Ahnung hatte, weil sie im Theaterstück, das ich betreute, verhandelt wurden – das machte mir Freude. Hier war ich intensiv im Austausch mit dem Regieteam, lange vor der eigentlichen Probenphase. Ich hatte mehr das Gefühl Teil eines großen Ganzen zu sein. Ich mochte es, Sonderformate zu entwickeln, Programme zu entwerfen, zu überlegen, welche Themen besonders relevant sind und welche Stücke wir auf den Spielplan setzen sollten. Alles im Austausch und Diskurs mit den Kolleg*innen. Das war Jahre lang meine Welt. Und doch fehlte etwas. Also begann ich neben der dramaturgischen Arbeit, auch Probenreportagen zu drehen und der Marketingabteilung in Heilbronn bei den Korrekturrunden der Saisonbroschüre mit InDesign unter die Arme zu greifen.
Die optimale Verbindung
Die Leitung der Abteilung Marketing und Öffentlichkeitsarbeit am Theater ist für mich nun die optimale Verbindung zwischen beiden Welten. Als Pressechefin des Theaters erlebe ich die Medien nun von der anderen Seite aus, organisiere Pressekonferenzen und -gespräche, koordiniere Interviewtermine und Drehanfragen. Ich schreibe Pressemitteilungen und bin verantwortlich für die Betreuung von Journalist*innen und Fernsehteams. Als Marketingchefin verantworte ich zudem die gesamte Außendarstellung des Mehrspartenhauses. Vier Sparten, ein Philharmonisches Orchester, über 20 Premieren und über 20 Konzerte heißt auch enorme Vielfalt.
Neben der Einhaltung der neuen Corporate Identity, die ich nach dem Intendanzwechsel mitentwickelt habe, muss ich für die unterschiedlichen Sparten und Zielgruppen, auch verschiedene Kommunikationsstrategien entwickeln. Analog und verstärkt auch digital. Und das zusätzlich zum Tagesgeschäft. Zeit, sich so stark in Themen zu vertiefen wie in meiner Dramaturginnen-Zeit, bleibt bei der Menge an Aufgaben nicht mehr. Dafür sind diese unglaublich vielfältig: Von der Planung und Gestaltung von Drucksachen, der Überwachung von Fristen und Einhaltung des Etats, der Absprache mit Druckereien, der Buchung von Fotograf*innen, und der Führung einer Abteilung mit vier großartigen Mitarbeiter*innen, steht auch die Entwicklung von Bildkonzepten und neuer Formate an, die wir im Team entwickeln.
Die normale Abo-Kampagne, die früher jährlich anstand, reicht heute nicht mehr aus. Theater brauchen Image. Wie können wir die Menschen halten, die uns über die Pandemie hinweg treu geblieben sind und die zurückgewinnen, die wir verloren haben? Wie kommen wir an neue Publikumsschichten? Und wie schaffen wir das im Hinblick auf die steigenden Kosten und die nicht steigenden Etats? Mein Kreativherz pochte schon, als ich 2018 hier anfing. Mit Engagement kann man manch Dinge ermöglichen, für die kein Geld da ist. Also habe ich überlegt, wie ich meine Fähigkeiten am besten einbringen kann, um Kosten zu sparen. Ich habe mich an die Grafik gewagt, die mir zwischen den ganzen organisatorischen und strukturellen Alltagsaufgaben einen künstlerischen Ausgleich bietet.
Viele meiner Fotos landen zudem in Vorberichten in der Nordsee-Zeitung und ich drehe selbst Material zur Werbung sowie Trailer, wie für die Crowdfunding-Aktion des Philharmonischen Orchesters oder zur Studioproduktion der Emilie Mayer-CD im Sendesaal Bremen.
Der Blick über den Tellerrand
Die Pandemie war wie ein Brandbeschleuniger. Und das Theater generell wird sich verändern müssen, weil es großen Herausforderungen und einem gesellschaftlichen Wandel gegenübersteht. Auch in den Medien vollzieht sich ein Wandel: Bedürfnisse von Zielgruppen ändern sich, Kulturredaktionen werden an vielen Orten abgebaut. Kultur ist aber ein gesellschaftlicher Grundpfeiler, der erhaltens- und berichtenswert ist und bleibt. Deswegen engagiere ich mich auch über den Tellerrand des Stadttheaters hinaus kulturpolitisch im Landesmusikrat Bremen. Als dessen Vertreterin wurde ich 2022 in den Rundfunkrat von Radio Bremen entsandt.
Seit kurzem bin ich stellvertretende Vorsitzende des nichtständigen Ausschusses für Qualitätsrichtlinien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und versuche natürlich dafür zu sorgen, dass die Kultur ihren Platz im Programm behält.
Bremerhaven in der ARD Mediathek
Egal, ob es dabei um Themen für Kinder- und Jugendliche geht, wie zuletzt über das Junge Theater oder um den Beitrag über die Zukunftspläne des Philharmonischen Orchesters, der es auch in die ARD Mediathek geschafft hat. (In letzterem sind sogar meine Aufnahmen aus einem Workshop mit Kindern zu sehen!) Wenn ich durch meine Arbeit dazu beitragen kann, dass Kultur Menschen erreicht, macht mich das sehr glücklich.
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