
Mit einem leisen Quietschen öffnet sich die Kellertür. Surrend flackern die Leuchtstoffröhren an der Decke auf.
Wer diesen Raum zum ersten Mal betritt, taucht ein in ein Meer aus Stoffen, Farben und Formen: Vom Boden bis zur Decke reiht sich Stange an Stange, jede dicht behängt mit einer Vielfalt an Kostümen und Accessoires: wilde Tiermuster neben zarter Spitze, prunkvolle Roben neben schlichten Hemden. Wer hier auf der Suche nach dem Besonderen ist, wird garantiert fündig.
Ein barockes Kleid? Da hinten, auf der letzten Stange.
Ein überdimensionaler Hut? Der hängt an der Wand.
Ein Drachenkostüm mit leuchtenden Augen? Hinten links, direkt neben dem Hummerkostüm.
Wir stehen mitten im Fundus des Stadttheaters Bremerhaven – genauer gesagt, irgendwo unter dem Columbus-Center.

Stoff und Geschichte
„Das älteste Kostüm ist schon seit den 30ern im Einsatz. Wir haben hier echt besonderes Material – Sachen, die man heute kaum noch findet, zum Beispiel bestimmte Federn und Epauletten“, sagt Katharina und schiebt ein paar Kleiderbügel beiseite. Als Assistentin der Kostümchefin ist sie fast täglich in den fünf verschiedenen Fundus unterwegs – immer auf der Suche nach den passenden Outfits für die nächste Produktion. Schon lange vor der ersten Probe, beginnt sie gemeinsam mit den Kostümbildner:innen die Auswahl. Theaterkostüme, erklärt sie, folgen dabei ganz eigenen Regeln: „Sie müssen einiges aushalten – schnelle Umzüge, intensive Bewegungen, besondere Effekte und manchmal sogar Fluggeschirr.“ Jedes Kostüm bringt seine eigene Geschichte mit auf die Bühne.

Während sie durch die schmalen Gänge geht, fügt sie hinzu: „Unser Fundus ist grob nach Herren-, Damen-, Kinder- und Ballettkostümen unterteilt – Letzteres wegen seiner ganz eigenen Anforderungen.“

Mit den Kostümentwürfen (Figurinen) der Kostümbildner:innen macht sie sich auf die Suche nach passenden Kostümen. Die Kostüme sind nach Epoche und Art sortiert, anschließend nach Größe und Farbe geordnet. Ausgestattet mit mehreren Kleiderstangen geht es zur Anprobe: Passt die Größe? Fügt sich das Kostüm ins Gesamtkonzept ein?
„Langlebigkeit ist uns besonders wichtig“, sagt Katharina. „Deshalb versuchen wir, vorhandene Kostüme immer wieder neu zu interpretieren – sie mit individuellen Details zu ergänzen und so jedem Stück seinen eigenen Charakter zu geben. Nach der Dernière wandern die Kostüme zurück in den Fundus und warten dort auf den nächsten Einsatz.“
Details mit Wirkung
Doch ein Kostüm hört nicht bei der Kleidung auf. Katharina öffnet eine große Kiste, randvoll mit Fliegen in allen Farben und Formen. „Ein Kostüm ist erst vollständig, wenn auch die Accessoires stimmen“, sagt sie. Und davon gibt es reichlich: Taschen, Hüte, Schuhe, Schmuck – jedes Detail will bedacht sein. „Allein bei «Catch Me If You Can» hatten wir rund 135 verschiedene Kostüme.“ Eingekleidet wird jede einzelne Person, die auf der Bühne steht – aber auch Halloween-Specials, Theaterlabore und andere Projekte greifen regelmäßig auf den Fundus zurück

„Um den Überblick zu behalten sind Ordnung und Erfahrung nötig“, erklärt die Assistentin der Kostümleitung „Da kommt unsere Fundusverwalterin ins Spiel, die sich hier am besten auskennt.“ So bleibt der Fundus weit mehr als nur eine riesige Sammlung – er ist ein lebendiges, sorgfältig organisiertes Archiv und ein unverzichtbarer Schatz des Theaters Bremerhaven.

Dieser Beitrag stammt von Juana Rillke aus dem Stadttheater Bremerhaven.
