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Koffer, Kinder und Migration

Wann beginnt eigentlich eine Reise? Wenn ich in den Urlaub fahre, merke ich immer wieder, dass er schon lange vor dem eigentlichen Aufbruch anfängt: wenn […]

Eine Frau steht vor einer Wand mit einem leuchtenden Schriftzug, mit den Fragen who were they? why did they leave?
4. Apr. 2019
4 min Lesezeit
Frau blickt auf einen Pappkoffer.

Wann beginnt eigentlich eine Reise? Wenn ich in den Urlaub fahre, merke ich immer wieder, dass er schon lange vor dem eigentlichen Aufbruch anfängt: wenn ich Badesachen, Sonnencreme und Sonnenbrille in den Koffer lege und inmitten des Bremerhavener Schietwetters schon vom warmen Sand unter meinen Füßen träume. Mein Reisegepäck erzählt von meinen Hoffnungen und Erwartungen, es ist das Verbindungsstück zwischen Alltag und Auszeit.

Wenn aber keine Auszeit, sondern eine Auswanderung ansteht, wird das mit dem Kofferpacken schon komplizierter. Dann geht es für viele darum, ein Stück Heimat mit in die Fremde zu nehmen – und gleichzeitig für die praktischen Herausforderungen des Alltags gewappnet zu sein. Was dabei im eigenen Reisegepäck landet, davon erzählt die neue Sonderausstellung „Ich packe meinen Koffer“ im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven. In Kooperation mit dem Magazin GEOlino lud das Erlebnismuseum Kinder ein, kreativ zu werden und ihre eigenen Auswandererkoffer zu gestalten. Die besten Ergebnisse werden mit Erinnerungsobjekten ausgewanderter Kinder aus der Museumssammlung präsentiert. Mit dabei: Kerze und Handy, Sonnencreme und Regenschirm, Jacke und Unterhose. Und sogar ein goldener Zauberknopf – aber dazu später mehr.

Gewinner des Wettbewerbs "Ich packe meinen Koffer" mit Vertretern des Deutschen Auswandererhauses und GEOlino
Ihre Ideen stecken in der neuen Ausstellung „Ich packe meinen Koffer“ im Deutschen Auswandererhaus: Die Gewinner des Wettbewerbs von GEOlino und dem Deutschen Auswandererhaus mit Dr. Simone Eick, Direktorin des Deutschen Auswandererhauses, Martin Verg, Chefredakteur von GEOlino, und Johanna Knoop, wissenschaftliche Volontärin am Deutschen Auswandererhaus. © Deutsches Auswandererhaus / Foto: Ilka Seer

Keine Reise ohne Teddy

Erst einmal fallen mir die vielen Kuscheltiere auf, die ich in der Ausstellung sehe. Für den Wettbewerb packt Nele Schallmaier aus Leutkirch im Allgäu ihr „LKT“, ihr „Lieblingskuscheltier“, in ihren Koffer, Ida Mariele Hinder aus Bad Endbach „Warmelinchen“, eine kleine Robbe, und Annemarie Bullinger aus Malsch-Völkersbach und Lina Keller aus Bad Herrenalb nehmen ein Kuscheltier als Glücksbringer mit. Ob auch der Teddy von Sabine Schastok ein Glücksbringer war? Gut möglich, denn immerhin begleitete er seine Besitzerin fast ein ganzes Leben lang, bis sie ihn dem Deutschen Auswandererhaus für seine Sammlung übergab. Die sechsjährige Sabine nahm ihn mit, als sie mit ihrer Familie nach dem Zweiten Weltkrieg von Oberschlesien nach Westdeutschland flüchtete. Jahre später, als sie sich entschied, in den USA als Köchin zu arbeiten, war er auch wieder dabei.

Ein Teddy aus der Sammlung des Deutschen Auswandererhauses und ein kreativer Auswandererkoffer. Beide sind in der neuen Sonderausstellung "Ich packe meinen Koffer" im Deutschen Auswandererhaus zu sehen.
Ein Kuscheltier darf im Reisegepäck nur selten fehlen: Ein Teddy begleitete Sabine Schastok von Oberschlesien nach Westdeutschland und später in die USA. Und auch Annemarie Bullinger und Lina Keller packen ein Kuscheltier in ihren kreativen Auswandererkoffer. © Sammlung Deutsches Auswandererhaus (links) / © GEOlino (rechts)

Von der Ausstellung zum Magazin

Sabine Schastok lebt bis heute in den USA. Ihre Auswanderungsgeschichte hat dort ein Ende genommen, doch zahlreiche Geschichten über Kinder und Migration müssen erst noch erzählt werden: Aktuell gibt es etwa 258 Millionen Migrantinnen und Migranten weltweit, davon sind 35,8 Millionen unter 18 Jahre alt. Eine große Zahl, hinter der sich so manches verbirgt: gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die Menschen dazu bewegen, ihre Heimat zu verlassen. Herausforderungen, Konflikte, aber auch Erfolge, wenn Menschen sich in einem für sie fremden Land zurechtfinden müssen. Und natürlich unzählige Lebens- und Familiengeschichten, die von Migration geprägt sind. Migration ist ein großes und komplexes Thema, vor allem für Kinder. An sie richtet sich daher das neue Magazin „Kinder und Migration“, das das Deutsche Auswandererhaus anlässlich der Sonderausstellung herausgibt. Hier erfahren sie, was Worte wie „Asyl“ oder „Flüchtlinge“ bedeuten, werfen einen Blick hinter die Kulissen des Erlebnismuseums und erforschen die Migrationsgeschichten ihrer eigenen Familien.

Auswandern mit dem Zauberknopf

Ein Exponat der Ausstellung "Ich packe meinen Koffer" im Deutschen Auswandererhaus
Maëlle Stärker aus Zürich richtete ihren Auswandererkoffer aus wie ein kleines Haus, in das sie per Druck auf einen Zauberknopf selbst hineingehen kann. © GEOlino

Oft verblasst nämlich die Erinnerung an die vielen kleinen Geschichten von Aufbruch und Ankunft, die es wohl in fast jeder Familie gibt, schneller als man denkt. Vielleicht, so vermute ich, liegt das ja auch daran, dass man Heimat eben doch nur schwer in einem Koffer transportieren kann. So vergessen viele Auswanderer selbst schon einiges über ihr altes Zuhause, bevor sie überhaupt Kindern und Enkeln davon erzählen können. Wie gut, dass Maëlle Stärker aus Zürich hier ein Gegenmittel gefunden hat: Ihr Auswandererkoffer ist eingerichtet wie ein kleines Haus und enthält einen goldenen Zauberknopf, der seinen Besitzer zusammenschrumpfen lässt. So lässt sich ohne Probleme das eigene Haus in Miniaturformat mitnehmen und er wird doch noch wahr, der Traum von der Heimat in der Fremde.

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Die Ausstellung „Ich packe meinen Koffer“ ist bis zum 30. August 2019 im Foyer des Deutschen Auswandererhauses zu sehen. Der Eintritt ist frei. Ausstellung und Magazin werden gefördert durch die Wirtschaftsförderung Bremen. [/bre_box]

 

Eine Frau steht vor einer Wand mit einem leuchtenden Schriftzug, mit den Fragen who were they? why did they leave?
Iria Sorge-Röder

Pressemitarbeiterin im Deutschen Auswandererhaus.

Am Bodensee habe ich Geschichte studiert, in Bremerhaven erzähle ich nun Auswanderergeschichten – von großen Träumen und mutigen Aufbrüchen, aber auch steinigen Hindernissen.

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