Manchmal fühle ich mich wie ein aufgeschrecktes Huhn, manchmal wie eine langsame Schildkröte. Aber ich kenne auch den wütenden Gorilla in mir. Falls ihr jetzt meint, ich sei ins Spinnen gekommen – weit gefehlt. Diese Tiere beschreiben nur meinen Gemütszustand angesichts der Klimakrise. Und das ist gut so, denn wie wichtig es ist, seine eigenen Gefühle angesichts der großen Herausforderung Klimawandel zu kennen, macht unsere aktuelle Sonderausstellung KLIMA_X deutlich, die wir noch bis zum 2. November zeigen. Kommt mit und lernt die Ausstellung kennen.

KLIMA_X geht der Grundfrage aller Fragen nach: Warum tun wir eigentlich nicht das, von dem wir wissen, dass es notwendig ist? Wir wissen, dass wir weniger Fleisch essen und mehr Fahrradfahren sollten und unsere Wohnungen anders beheizen müssten. Doch es ist so schwer, Veränderungen in den Weg zu leiten. Warum eigentlich?
KLIMA_X gibt euch erstmal die wichtigsten Klimafakten
Macht euch zunächst nochmal mit den Klimafakten des menschgemachten Klimawandels vertraut. Schaubilder, Objekte, ein interaktives Spiel und „Poetry“ nehmen euch mit in den Status quo. Besonders beeindruckend: der „Flutwein“, ein makabrer Jahrgang, der 2021 im Ahrtal zustande kam. Das Extremwetterereignis Regen – es fiel doppelt viel wie üblicherweise im Juli – brachten damals die Flüsse Ahr und Erft zum Überfluten. In den Sturzbächen und dem Hochwasser starben 182 Menschen. Ja, die Klimakrise ist nicht irgendwo, sondern auch hier in Deutschland.

„Was sind schon 1,5 Grad“ oder „Kann das Klima kippen?“ und „Welche Folgen hat der Klimawandel“ sind weitere Themen des ersten Bereichs von KLIMA_X. So eingestimmt, ist man sehr empfänglich für die sogenannten „Klimatiere“, von denen ich eingangs schrieb. Diese sind ein Kniff der Kuratorin Katja Weber, die im Auftrag des Frankfurter Museums für Kommunikation KLIMA_X entworfen hat. Sie sind Angebote, seine eigenen Gefühle angesichts der Klimafakten zu identifizieren und ihnen eine Gestalt zu geben. Unsere Besucherinnen gehen gern darauf ein und nehmen auch fleißig zur Erinnerung die entsprechenden Karten mit. Rat ihr, welcher Stapel mittlerweile der niedrigste ist?

KLIMA_X fragt dich: Bist du Biene, Schildkröte oder Erdmännchen?
Den Emotionen wird in der Sonderausstellung sehr viel Raum gegeben, denn „Veränderung geschieht nur mit emotionaler Beteiligung“ wie es ein großes Zitat sagt. Ob Emotionsdetektor, das Thema Kognitive Dissonanz oder Ausredenglücksrad – alle interaktiven Exponate nehmen euch mit zur Beantwortung der Frage, warum wir noch nicht tun, was wir wissen. Darauf hat die Psychologin Verena Kantrowitsch auch gute Antworten, die sie gerade in einem Vortrag im Rahmen von KLIMA_X unter dem Titel „Fünf gute Nachrichten aus der Sozial- und Umweltpsychologie“ präsentierte. Verena Kantrowitsch ist Psychologin mit Schwerpunkten in Arbeits-, Kommunikations- und Sozialpsychologie und bei den „Psychologists4future“ auch mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigt.

Ihre erste gute Nachricht: die meisten Menschen wollen nachhaltig leben. Doch das ist gar nicht so einfach, denn die soziale Norm ist derzeit (noch), dass wir uns eher nicht nachhaltig verhalten. Als soziale Menschen, das machte Verena Kantrowitsch deutlich, orientieren wir uns gern an unseren Nachbarn, Freunden, Familien, kurz: an unserer Bubble. Und wenn diese große SUVs, Kreuzfahrten und Wochenendausflüge per Flugzeug gut findet, dann tun wir uns schwer, anders zu denken.
Leichter würde es uns fallen – und das ist die zweite gute Nachricht – wenn die Strukturen um uns herum nachhaltiges Verhalten unterstützen würden. Beispiel Kopenhagen: Konsequent zur Fahrradstadt entwickelt, nehmen die Menschen dort eher das Rad als das Auto, um von A nach B zu kommen. Oder Beispiel Rauchen: Wer hätte gedacht, dass selbst Raucher:innen es heute als angenehm empfinden, in einer rauchfreien Kneipe zu sitzen? Möglich geworden ist dies durch das Bundesnichtraucherschutzgesetz, das 2007 in Kraft getreten ist.

KLIMA_X und Psychologin sind überzeugt: Gesellschaftlicher Wandel ist möglich
Dieses Rauchverbot dient KLIMA_X übrigens als eines von mehreren guten Vorbildern für gelungenen gesellschaftlichen Wandel. Wenn es uns allen zusammen und mit Unterstützung des Gesetzgebers gelungen ist, dem Rauchen in der Öffentlichkeit das Normale zu nehmen, dann könnten wir es doch auch schaffen, nachhaltiges Verhalten als normal zu etablieren – oder??? Verena Kantrowitsch schlägt vor, in jede private oder öffentliche Debatte die Frage aufzunehmen, was wir eigentlich brauchen, um unser Handeln zu ändern, also den Spieß umzudrehen. Ich freue mich schon auf viele konstruktive Ideen, wie wir die Systeme verändern könnten, ums ins Handeln zu kommen.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt
Die dritte gute Nachricht knüpft daran an: Als soziale Wesen fühlen wir uns immer dann verantwortlich und werden tatkräftig, wenn wir emotional verbunden sind. Das beweist auch KLIMA_X: Mit sympathischen Klimapionieren werden beispielsweise Menschen vorgestellt, die bereits aktiv gegen die Klimakrise zu Werke gehen, jede:r auf seine/ihre Weise. Sie dienen als Vorbilder, die inspirieren. So angeregt, bieten sich gleich an der „Machbar“ lokale Initiativen aus der Region Bremerhaven an, in denen ihr aktiv werden könnt. Denn, so Katja Weber, „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt“.

Ob Rauchverbot oder – ein anderes Beispiel – die Klimaklage: Die vierte gute Nachricht ist, dass wir durch Bündnisse gesellschaftliche Transformationen erreichen. Zusammen sind wir stark! Wie wäre es also, fragt KLIMA_X, wenn wir Gesetze einfordern würden, die umweltfreundliches Handeln nicht teuer und umständlich machen, sondern einfach, preiswert und bequem? Wie wäre es, wenn wir den Grundsatz „Weniger ist mehr“ zum gesellschaftlichen Konsens werden lassen?
„Wir reden viel darüber, mehr zu geben. Wir reden nicht darüber, weniger zu nehmen. Wir reden viel darüber, wovon wir mehr tun sollten. Wir reden nicht darüber, wovon wir weniger tun sollten.“ Anand Giridharadas, Journalist und Autor in der Ausstellung KLIMA_X.
KLIMA_X schlägt vor: Gemeinsames Reden und Zuhören
So wichtig und richtig es ist, dass jeder Mensch sich Gedanken über einen nachhaltigeren Lebensstil macht und ins Handeln kommt, so wichtig ist es aber auch, dass die Lobby der fossilen Energieträger an Einfluss verliert. Das wird deutlich, wenn ihr euch mit den Exponaten beschäftigt, die Katja Weber für KLIMA_X unter dem Thema Klimakommunikation aufgenommen hat. Mein Stichwort dazu in Kürze: wütender Gorilla.

Apropos Reden: Lasst uns mehr als bisher ins Gespräch gehen. Sagt KLIMA_X. Das ist auch die fünfte gute Nachricht von Verena Kantrowitsch: Gespräche sind eine gute Idee! Denn jeder Austausch beeinflusst drei bis vier weitere Gespräche und trägt damit dazu bei, gute Ideen oder Inspirationen in die Welt zu bringen. Beispielsweise auch an der „Machbar“, die im Rahmen von KLIMA_X dazu anregt, lokale Initiativen kennenzulernen und in Kontakt zu treten.

Rahmenprogramm von KLIMA_X
Oder bei einer Veranstaltung, die wir im Rahmenprogramm zu KLIMA_X anbieten. Hier einige ausgewählte:
Samstag, 5. April: Der automobile Mensch. Von Irrwegen & Auswegen in der Mobilitätswende. Kino im Klimahaus inklusive Filmgespräch
Mittwoch, 16. April: Forschungsreise. Experten beantworten in der „Reise“ jede Frage
Donnerstag, 22. Mai: Vortrag / Workshop zu Klimagrafiken
Mittwoch, 9. und Donnerstag, 10. Juli: Pop-up-Workshop für Kinder
Kommt vorbei, macht mit! Weitere Infos unter http://www.klimahaus-bremerhaven.de