JUB! JUB! Hurra! Das Junge Theater Bremerhaven feiert dieses Jahr seinen 10. Geburtstag. „Jetzt bist du groß!“, pflegen Großeltern zu sagen. Denn die erste Null ist etwas ganz Besonderes. Genauso wie das JUB!. Denn ein Theater mit einem derart starken und etablierten Jungen Theater sucht seinesgleichen. Off the records gilt das JUB! inzwischen als vierte Sparte des Stadttheaters. Rückblick auf eine erfolgreiche Entwicklungsgeschichte.
Junges Theater in der Vergangenheit
Ich habe als zehnjährige Schülerin zum Glück eine theateraffine Klassenlehrerin. Wir gehen ein Schuljahr lang regelmäßig – schön schick gemacht – in Abendvorstellungen des Stadttheaters. Ein JUB! mit eigens für unser Alter konzipierten Vorstellungen, die vormittags während der Schulzeit laufen, gibt es zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Die Geburtsstunde des JUB!
Die Geburtsstunde des heutigen JUB! liegt in der Spielzeit 2010/2011. Der damals frischgebackene Intendanten Ulrich Mokrusch hat viele gute Ideen im Gepäck. Unter anderem die Vision einer eigenen Jugendsparte, um auch das junge Publikum beständig für das Theater zu interessieren. Die Vorstellung einer selbständigen Kinder- und Jugendtheatersparte stößt absolut auf offenes Gehör. Allerdings nicht auf offene Geldbeutel.
Die Geburtshelfer des JUB!
Ulrich Mokrusch ist beharrlich. Er kalkuliert durch, was ein eigenes Junges Theater in den ersten Jahren wohl kosten wird. Die Summe unter dem Strich zeigt er der Stadt. Diese sagt zu, ein Viertel dieser Summe dazu zu geben. Wenn Ulrich Mokrusch die verbleibenden drei Viertel von anderer Stelle beschafft. Der Intendant findet schnell weitere Unterstützer*innen im Theaterförderverein, in Sponsor*innen und privaten Spender*innen. Ganz fix hat er seine drei Viertel der kalkulierten Summe zusammen.
Der Geburtsort des JUB!
Liebes Publikum, achten Sie doch bei Ihrem nächsten Theaterbesuch einmal darauf: Wenn Sie in der Pause im Oberen Foyer an der Bar Ihr Getränk bestellt haben, dann drehen Sie sich mit Sektflöte in der Hand einmal langsam um 180 Grad. Richten Sie Ihren Blick gen Teppichboden. Sie werden ein halbrundes Podest aus Holz erblicken. Das ist die allererste Spielstätte des Jungen Theaters! Hier findet in der Spielzeit 2010/2011 die erste Produktion unter Dramaturgin, Theaterpädagogin und Leiterin Alexandra Luise Gesch statt: Der dickste Pinguin vom Pol. Ein Stück über einen Pinguin in der Seinsfindung mit Sebastian Zumpe in der (einzigen) Hauptrolle.
Tausche Holzpodest gegen Pferdestall
Ein Jahr lang nutzt das Junge Theater das kleine Podest im Oberen Foyer als Bühne. Dann macht der Verein Kunst und Nutzen Atelier e.V., der seit 1992 Kunst in Bremerhaven fördert, dem Theater ein ganz und gar moralisches Angebot: Das Junge Theater kann den Pferdestall als Spielstätte nutzen. Kostenlos. Das JUP – Junges Theater im Pferdestall – ist geboren.
Junges Theater im Pferdestall
Die erste Produktion des JUP ist Herr Fuchs mag Bücher, die in Kooperation mit der Stadtbibliothek Bremerhaven entsteht. Es ist auch das erste Stück für Ramona Suresh, die frisch von der Schauspielschule ihr erstes Engagement am Stadttheater bekommt. Inzwischen ist Ramona Suresh freischaffende Schauspielerin und Theaterpädagogin, bundesweit und international unterwegs. Ich rufe sie an und verpasse ihr mit meinen Fragen einen schönen JUP-Flashback: „Wir waren ein kleines, sehr homogenes Team. Wir haben uns so gut verstanden, dass wir in unserer Freizeit Liederabende gestaltet oder neue Stücke entworfen haben. Die damalige Theaterpädagogin Lisa Weiß ist bis heute eine meiner besten Freundinnen“. Produktionstechnisch geht es im Pferdestall zu wie im Taubenschlag. Pro Spielzeit gibt es drei Neuinszenierungen und zwei bis drei Wiederaufnahmen zu sehen. Theaterpädagogin Alexandra Gesch und das gesamte JUP Team geben Vollgas. Und so wird die Junge Sparte in Bremerhaven Stück für Stück erfolgreicher, etablierter und größer.
Der Stall wird zu eng
Als mein Kind vier Jahre alt ist, habe ich das Gefühl, ich kann den Füßchen stündlich beim Wachsen zusehen. Verflixt, ich habe doch erst vergangene Woche nagelneue, fußbettgerechte, stolzpreisige Schuhe gekauft! Es ist zum Auswachsen. Genauso geht es dem Jungen Theater nach vier Jahren im Pferdestall. „Das Bühnenbild musste immer um Säulen herum gebaut werden“, erinnert sich Schauspieler Marc Vinzing. Er beginnt in der Spielzeit 2014/2015 sein Engagement am Stadttheater in der Jungen Sparte. „Garderobe und Maske waren ein einziger Raum. In einer Wohnung über dem Pferdestall. Es war alles eng, sowohl räumlich als auch planungstechnisch gesehen. Allein die Proben mussten immer um andere Veranstaltungen im Pferdestall herum organisiert werden.“ Glasklar: Die Stall-Schuhe sind nach vier Jahren zu klein. Ein größerer, eigener Ort muss her.
Aus P wird B
Am Elbinger Platz im Haus des Handwerks bekommt die Junge Sparte 2015 ihre eigene Spielstätte. „Wir haben geprobt, während noch umgebaut wurde. Aber hey, der Raum war grandios! Wir hatten eine eigene Probebühne. Es war unser eigener Ort“, erinnert sich Marc Vinzing. Das JUB! – Junges Theater Bremerhaven – ist geboren. Die erste Produktion des JUB! ist Die Geschichte vom Löwen, der nicht schreiben konnte. Marc Vinzing spielt den legasthenischen Löwen. Inzwischen ist Marc Vinzing in den Abendspielplan des Stadttheaters gewechselt. Die Crew des JUB! besteht heute aus Leiterin Tanja Spinger, den Schauspieler*innen Severine Schabon und Luca Hämmerle, einer Regieassistentin, einem Techniker und – last but not least – zwei Theaterpädagoginnen.
Das JUB!-Erfolgsgeheimnis Nr. 1 – am Puls des Jungen Publikums
Ai caramba, als Mutter weiß ich aus eigener Erfahrung: Jugendliche bei der Stange zu halten, ist die wahre Kunst. Die das JUB! absolut beherrscht. „In keiner einzigen Vorstellung hatte ich das Gefühl, dass das Publikum jetzt denkt: „Boah, was für eine verschwendete Lebenszeit!“, erinnert sich Marc Vinzing. Das JUB! passt immer Inhalt und Form der Produktionen an die jeweilige Entwicklungsstufe an. Pro Spielzeit drei Neuinszenierungen für die Altersgruppe ab vier, ab neun und ab dreizehn Jahren. Die Themen gehen von Freundschaft, über das Leben und den Tod bis hin zu Abnabelung und Sexualität. Dabei behält das JUB! immer den gesellschaftlichen Wandel im Auge und knöpft sich auch aktuelle Themen wie Klimawandel, Einwanderungspolitik oder Mobbing in den sozialen Medien vor. „Laaaaangweilig“ bekommt das JUB!-Team nie zu hören.
Das JUB!-Erfolgsgeheimnis Nr. 2 – am Puls der Lehrer*innen
Ich stamme aus einem fast lupenreinen Lehrer*innen-Elternhaus: Eltern, Opa, Tante, Onkel… Daher weiß ich: Wer es schafft, Kids zu begeistern, ist Lehrer*innen-Liebling. Das JUB! ruht sich darauf allein nicht aus. Sondern holt die Lehrkräfte mit einem theaterpädagogischen Begleitprogramm mit ins Boot. Feste Kontaktlehrer*innen werden zu Vermittler*innen zwischen JUB! und Schule. Die JUB!-Theaterpädagog*innen kommen vor jeder Produktion ins Klassenzimmer, um vorbereitende Workshops zu geben. Und ausnahmslos nach jeder Vorstellung gibt es Nachgespräche. Kritisch, einfühlsam, auf Augenhöhe. Das sind pro Spielzeit locker an die 100 Vorstellungen.
Das JUB!-Erfolgsgeheimnis Nr. 3 – Partnerschulprogramm
Seit der Gründung pflegt das JUB! eine enge Zusammenarbeit mit Kindertagesstätten und allen Schulformen in Bremerhaven und Umgebung. In der Spielzeit 2013/2014, mit dem Kommen von JUB!-Leiterin Tanja Spinger, wird diese bestehende Allianz durch ein weiteres Band noch enger geknüpft. Oberschulen, Grundschulen und Schulen aus dem Umland gehen einen Vertrag mit dem Stadttheater ein. Darin verpflichten sich die Schulen, mindestens ein bis zweimal jährlich ins JUB! oder das Stadttheater zu gehen. Im Gegenzug bekommen sie kostenlos Workshops, Materialmappen und theaterpädagogische Fortbildungen. Unterstützt wird das Partnerschulprogramm vom Magistrat der Stadt, vertreten durch den Stadtrat für Jugend, Kultur, Schule und Familie. „Kulturdezernent Michael Frost legt sehr großen Wert auf eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Kultur. Er unterstützt, wo er kann. Das ist in anderen Bundesländern nicht unbedingt der Fall“, weiß Tanja Spinger, die im Sommer ans Theater nach Osnabrück wechselt.
Das JUB!-Erfolgsgeheimnis Nr. 4 – Theaterlabore
Ich durfte kürzlich Janne (10) und Luise (13) kennenlernen, die zur Zeit am Theaterlabor I teilnehmen. Ich bin hin und weg von den zweien. Sie sind bezaubernd – und so selbstbewusst! „Theater wird oft noch als reine Literaturvermittlung gesehen. Dabei kann Theater sooo viel mehr. Durch Theater erforschst du Körper und Geist; du lernst dich kennen, wirst mutiger und selbstsicherer. In jedem Alter“, wird Tanja Spinger nicht müde zu betonen. Kein Wunder, dass mit ihr 2013 die Theaterlabore I, II und III entstehen. Alle Menschen ab fünf Jahren können sich unter Leitung der Theaterpädagog*innen durch das Entwickeln und Spielen von Theaterstücken selbst erforschen. Am Ende der Spielzeit wird das Stück im Kleinen Haus oder im JUB! aufgeführt. Die Pandemie tut den Theaterlaboren übrigens keinen Abbruch. „Ich kann auch online vor dem Computerbildschirm rezitieren. Vor allem bewege ich mich, das tut so gut“, schwärmt Jana.
JUB! – Theater und Schule – eine sichere Standleitung
Beim Stichwort Pandemie frage ich mich, ob diese jahrelang stetig aufgebaute Verbindung zwischen Theater und Schule gelitten hat. „Im ersten Lockdown herrschte ziemliche Funkstille“, erinnert sich Tanja Spinger. „Aber es gab immer wieder emotionale Rückmeldungen. Im zweiten Lockdown haben wir Mittel und Wege gefunden, weiterhin vernetzt zu bleiben. Wir haben angefangen, digitale theaterpädagogische Angebote zu realisieren.“ Der Switch vom analogen zum digitalen direkten Draht funktioniert gut: Schauspieler*innen lesen Texte für den Deutschunterricht ein. Das Familienstück zur Weihnachtszeit Robin Hood wird aufgezeichnet und im Dezember 2020 online gestellt.
Happy Birthday, JUB! – auf weitere erfolgreiche 10 Jahre
Das JUB! ist in den vergangenen zehn Jahren definitiv zur 4. Sparte des Stadttheaters herangereift. Nicht mehr nur „off the records“. Beliebt bei klein, jung und alt! „Du bist doch der Löwe! Hallo Löwe!“ hörte ich noch jahrelang auf der Straße“, erinnert sich Marc Vinzing. Lachend erzählt Tanja Spinger: „Wir haben vor ein paar Jahren nach den JUB!-Vorstellungen eine Autogrammkartensignierstunde eingeführt. Was Popstars können, kann das JUB! schon lange!“ Natürlich sollte es eine krachende Party zum 10. Geburtstag geben. Sie muss aufgrund der Pandemie nun verschoben werden. Aber, aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und feiern kann sich das JUB! allemal! JUB! JUB! Hurra! Happy birthday!
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