Die Sonne strahlt aus allen Knopflöchern – ähnlich wie die Gesichter der 13 Gäste, die einen Platz beim InstaWalk „Über die Planken“ beim „Seestadtfest – Landgang Bremerhaven“ 2018 ergattert haben. Für mich ist es der erste InstaWalk und ich bin sehr gespannt, was mich erwartet. Es ist ja nicht selbstverständlich, eine exklusive Führung zu bekommen und dann noch ungestört „hinter die Kulissen“ schauen zu dürfen.
Unter Segeln ins ewige Eis
Meine Kollegin, Mailin, geht als Erste an Bord der „Grönland„, dem ersten Schiff unseres heutigen InstaWalks. Jürgen Recht von der ehrenamtlichen Mannschaft begrüßt uns freundlich an Bord dieses geschichtsträchtigen Seglers. Er erzählt uns, dass die nordische Jagt 1868 das erste deutsche Polarforschungsschiff war. Das Schiff blieb im ewigen Eis stecken, aber dem Kapitän Carl Koldewey gelang es, die „Grönland“ wieder frei zu bekommen und alle Besatzungsmitglieder zurück nach Hause zu bringen. Ich bin sehr beeindruckt, denn bei dem heute strahlenden Sonnenschein ist der Aufenthalt an Deck ein Genuss, aber bei eisigem Nordwind, Minustemperaturen und Eis kann ich mir nicht vorstellen, mit dem Schiff eine Reise ins Ungewisse zu unternehmen. Vor allem, weil das Schiff über keinen Motor verfügte und mit einer Pinne gesteuert wird. Das bedeutet, dass der Schiffsführer ungeschützt an Deck steht und Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt ist. Unter Deck ist es da schon wesentlich gemütlicher, wenn auch ohne jeglichen Komfort. An den Seiten der Messe, so nennt sich der Raum, in dem gemeinsam gegessen wird, befinden sich die Kojen. Schlafen, Essen, Gemeinschaft findet alles hier statt. Privatsphäre gibt es nicht. Im vorderen Bereich befindet sich die „Küche“ mit einem uralter Ofen, auf dem auch heute noch gekocht wird. Auf so engem Raum eine echte Herausforderung .
Ein „Muss“ für jeden Rettungsflieger
Durchs lebhafte Treiben auf dem Seestadtfest entlang der Buden, aus denen uns herrlicher Duft von gebrannten Mandeln, Bratwurst und anderen Leckereien entgegen weht, bahnen wir uns den Weg zum nächsten Schiff, der „Wangerooge“. Sie wurde hier in Bremerhaven gebaut und lief am 25. Mai vor 50 Jahren vom Stapel. Ein krasser Gegensatz zur „Grönland“, denn bei dem 52 Meter langen Stahlschiff handelt es sich um Marineschiff mit Zivilbesatzung, auf dem Piloten für Unglücksfälle auf offener See ausgebildet werden. Die Teilnehmer lernen die Bergung aus offener See mit Hilfe der Seilwinde eines Hubschraubers, das Umdrehen gekenteter Rettungsinseln und vieles mehr. Diese Prüfung müssen deutsche Rettungsflieger regelmäßig alle fünf Jahre ablegen. Doch so hart wie die Ausbildung sicher ist, heute ist die Stimmung an Bord ausgelassen. Jan, der dritte nautische Schiffsoffizier und Peter, der Schiffsverwaltungsbeamte führen uns auf das obere Peildeck, wo es etwas ruhiger ist. Scherzhaft wird das Peildeck auch das Cabriofahrerdeck genannt, denn hoch oben über der Brücke ist der Steuerstand unter offenem Himmel. Drei der getönten Glasscheiben, die den Schiffsführer vor hochaufpeitschender Gischt schützen sollen, sind um die Hälfte gekürzt. Die Beiden erklären uns mit einem Zwinkern in den Augen, dass das einem ehemaligen Kapitän zu verdanken sei, der nicht ganz so groß gewesen sein soll.
Sie sichert unsere Küsten
Unsere nächste InstaWalk-Station befindet sich gleich nebenan. Steffen Meier begrüßt uns in Uniform der Bundespolizei an Bord der „Bad Bramstedt“. Zu den Aufgaben dieses 55 Meter langen Schiffes gehören neben dem Grenzschutz auch die Kontrolle von Umweltverstößen und unterstützende Tätigkeiten im Fischereischutz und vieles mehr. An Deck befinden sich auch zwei Anker, von denen jeder 600 Kilo wiegt. Oben auf der Brücke sind alle Instrumente doppelt vorhanden. So ist gesichert, dass das Schiff immer noch fahrtüchtig ist, auch wenn ein System mal ausfallen sollte. Die Teilnehmer fotografieren hier und dort. Jeder stets mit wachem Auge für ein neues Detail oder einen besonderen Blickwinkel. Von ganz oben begeben wir uns nun tief in den Bauch des Schiffes. Vor der dicken Stahltür ist jedoch erst einmal Halt, denn keiner von uns und der Besatzung darf den Maschinenraum ohne Hörschutz betreten. Da gibt es keine Ausnahmen. Im Maschinenraum ist es dann trotz Gehörschutz tatsächlich so laut, dass der Mitarbeiter nur auf verschiedene Motoren und Bereiche deutet. Die dazugehörigen Erklärungen werden erst nachdem wir den nächsten Raum, die Werkstatt, erreichen, erläutert. Der riesige 16-Zylinder-Motor ist aber auch wirklich beeindruckend und penibel gepflegt. Klar, das muss so sein, aber ich merke trotzdem, dass hier Mitarbeiter mit viel Liebe für ihren Beruf am Werk sind.
Die „grüne Lady“ fährt von Bremerhaven in die ganze Welt
Die InstaWalk-Gruppe kommt aus dem Knipsen und Posten gar nicht mehr raus. So viele Eindrücke stürmen auf uns ein. Aber schon geht es weiter. Mailin immer vorne weg und ich bilde das Schlusslicht, damit wir uns alle im Getümmel des Seestadtfest-Treibens nicht verlieren und pünktlich am nächsten Schiff eintreffen. Und das tun wir auch. Wir erklimmen die Gangway zur grünen Lady, der „Alexander von Humboldt II“. Kaum einer, der das Schiff mit den markanten grünen Segeln nicht kennt. Doch Vorsicht, wer einmal auf diesem Schiff segelt, fängt sich einen „gefährlichen und nicht heilbaren Virus ein“. Die Trainees, so werden die Mitsegler genannt, sind in der Regel so begeistert von den Törns mit ihren Eindrücken, der gelebten Seemannschaft und der Gemeinschaft an Bord, dass sie dem Schiff jahrelange treu bleiben und an Bord feste Freundschaften schließen. Wer einmal mitfährt, kommt sicher wieder. Aber dazu später mehr. Zuerst einmal begrüßt uns Jürgen Hinrichs an Deck der Bark. Gleich nachdem er uns mitteilt, dass hier kein Unterschied zwischen Frau und Mann, Jung und Alt, Renigungskraft und Professor gemacht wird, duzen wir uns schon. Wir lernen auch gleich, dass es richtig heißt „Bark“ und nicht „3-Mast-Bark“, denn eine Bark ist immer dreimastig. Die erste Lektion sitzt also schon mal. 25 Crewmitglieder und 54 Mitsegler (Trainees) befinden sich während der acht- bis zehntätigen Törns an Bord. Dabei sind keinerlei Vorkenntnisse erforderlich. Hier wird keiner ausgelacht oder dumm angeschaut, wenn er nicht ins Rigg klettern mag, denn alle wissen, nur als Gemeinschaft kann dieses Schiff mit seinen 24 Segeln und einer Segelfläche von 1.360 Quadratmetern auf Kurs gebracht und gehalten werden. Da zählt jede Hand, egal ob in der Kombüse oder beim Segelhissen. Jeder hat hier seine eigene Wache. So heißen die Dienstzeiten. Eine Wache ist jeweils vier Stunden lang und geht von 0 bis 24 Uhr. Geschlafen wird in Kammern mit jeweils vier Kojen (Betten), Klimaanlage, Fußbodenheizung und Dusche/WC. Wen die See gar nicht mehr los lässt, kann sich an Bord der „Alex II“, wie sie kurz und liebevoll genannt wird, auch zum Leichtmatrosen bis hin zum Steuermann ausbilden lassen. Nähere Informationen zum Schiff und den Törnangeboten finden Interessierte auf der Homepage.
Luxus an Bord? Fehlanzeige!
Nun haben wir wieder einen etwas längeren Weg durch das Menschengewimmel auf dem Festgelände vor uns. Wir gehen vom Neuer Hafen Westseite zur Ostseite. Gar nicht so einfach, alle InstaWalker zusammen zu halten, denn immer wieder schert die eine oder der andere aus, um ein tolles Motiv einzufangen. Aber wir erreichen die „Kieler Hansekogge“ trotzdem vollständig und pünktlich und werden an Deck von Jan Vietmeier und Axel Mohr begrüßt. Sie erzählen uns, dass es sich bei diesem alt aussehenden Schiff um den Nachbau der „Bremer Kogge“ aus dem Jahr 1380 handelt, die im Deutschen Schiffahrtsmuseum zu bestaunen ist. Die Wrackteile wurden 1962 in der Weser gefunden, geborgen und über Jahrzehnte mühsam konserviert, um diesen Schatz für die Nachwelt erhalten zu können. An Bord der „Kieler Hansekogge“, die 1987 bis 1991 in Kiel gebaut wurde, können wir nun genau unter die Lupe nehmen, wie solch ein Handelsschiff aussah. Der Schiffsrumpf ist aus massivem Eichenholz. Der Baum, aus dem der Mast für das einzige Segel gefertigt wurde, stammt aus Dänemark, berichtet Kapitän Hilmar Knops. Das schwere Segel misst nur 140 Quadratmeter, kann aber durch drei Bonnets, anknüpfbare Segel, auf 200 Quadratmeter erweitert werden. Die Besatzung kündigt uns die „exklusive Toilette“ an, die gemäß dem historischen Fund nachgebaut wurde. Neugierig klettern wir aufs Oberdeck, um dann einer nach dem anderen in Lachen auszubrechen. Die Toilette befindet sich am Heck des Schiffes unter freiem Himmel und besteht lediglich aus einem Holzkasten mit Loch drin, durch das alles direkt in die Tiefe ins Wasser fällt. Zwar herrscht auf diesem stillen Örtchen wohl nie ein übler Geruch, denn es ist ja unter freiem Himmel, aber von Luxus kann hier sicher nicht gesprochen werden. Wir klettern die steile Leiter wieder runter und kommen in den Schiffsbauch. Hier ist tief bücken angesagt, denn es gibt zwei Trennwände, die fast bis zum Boden runter reichen. Und unter dem Boden, auf dem wir stehen, befinden sich schwere Steinbrocken, die als Ballast dienen, um das Schiff ruhig zu halten. Die hier gewonnenen Eindrücke wirken noch nach, und ich überlege, welche Strapazen die Besatzung früher auf sich nehmen mussten, als wir „tschüss“ sagen und von Bord gehen.
Einer der Stars beim Seestadtfest
Als ich die Gangway zur „El Galéon“ erklimme, habe ich das Gefühl, ein Piratenschiff zu betreten, denn aus dem Schiffsrumpf ragen seitlich Kanonen heraus. Doch der Schein trügt, wie ich gleich erfahren soll. Ángel begrüßt uns an Deck des Schiffes. Dieser Nachbau einer spanischen Galeone aus dem 17. Jahrhundert ist ein stolzer Anblick. Kein Wunder, dass sie alle Blicke auf sich zieht. Wir bekommen eine exklusive Führung, während die Gäste an der Kaje uns neidisch hinterher blicken. Nach 18 Monaten Bauzeit lief sie 2009 vom Stapel. Der erste Törn führte von Sevilla nach Shanghai und seitdem kreuzt das Schiff über alle Weltmeere. Ángel erzählt uns, dass die meisten Gäste das Gefühl haben, auf einem Piratenschiff zu sein. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die „El Galéon“ ist ein Handelsschiff. Diese Schiffe wurden früher häufig überfallen, da die Waren, die sie transportierten, Piraten und Gesindel anlockten. Die Kanonen, die sich an Bord befinden, dienten also der Verteidigung und nicht dem Angriff. Zum Glück ist das heute nicht mehr notwendig, so dass Besatzung und mitfahrende Gäste die Törns genießen können.
Die „El Galéon“ bildet den Abschluss unseres InstaWalks „Über die Planken“ beim Seestadtfest 2018. Ich blicke an der Kaje stehend noch einmal die Bordwand hoch und lasse den Blick dann nach links und rechts schweifen. Überall Schiffe, blauer Himmel, Sonnenschein, strahlende Gesichter, Buden und Musik. Was für ein tolles Fest mit Menschen aus vielen Nationen, die sich hier treffen, austauschen, feiern, genießen und genau wie ich, mit vielen neuen Eindrücken nach Hause gehen. Die InstaWalker zeigen sich jedenfalls genauso begeistert als wir uns jetzt verabschieden und jeder seine eigene Wegrichtung einschlägt.
Wer noch mehr Fotos sehen möchte, findet sie auf unserem Instagram-Kanal (@seestadtfest_bremerhaven) oder unter #instawalkbrhv.
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