Verhütung ist ein großes Thema – nicht nur bei uns Menschen, sondern auch in der Tierwelt
In meinem ersten Blog-Beitrag habe ich über das Training mit unseren Eisbären berichtet. In diesem Beitrag möchte ich das Thema gerne noch einmal aufgreifen, in Verbindung mit dem Thema Verhütung.
Im Gespräch mit unserem Tierarzt Bastian erfahre ich, dass unser Seelöwen-Bulle Sailor ein neues Implantat erhält. Das Implantat wird für die Verhütung eingesetzt. In meinen Gedanken entsteht sofort ein Bild von einem eckigen Microchip, der operativ unter die Haut gesetzt wird. Bastian unterbricht mein Gedanken-Spiel, denn diese Form hat das Implantat nicht. Es hat eher eine längliche, schmale Form – etwa in der Größe eines Reiskorns- welches mittels einer Spritze appliziert wird.
Bastian erklärt, dass diese Spritze fertig mit dem Implantat geliefert wird
Ich habe im Vorfeld leider keine Chance, einen Blick darauf zu werfen. Die Spritze wird eingeschweißt geliefert und erst bei der Verwendung geöffnet. Das Einsetzen des Implantats kann ich mir jedoch anschauen. Dank unseres hervorragenden Tiertrainings kann Bastian das Implantat setzen, ohne das Tier in Narkose legen zu müssen. Damit ist eines der Hauptziele des Tiertrainings erfüllt – die stressfreie tierärztliche Behandlung.
Mit dabei sind unsere „Seelöwen-Bändigerinnen“ Pam, Carmen sowie Natalie, die am Tag zuvor mit mir über den Eingriff sprechen. Pam macht sich Gedanken darüber, ob der Leser des Artikel stutzig werden könnte. Warum? Ganz einfach, denn zum einen wird das Implantat einem männlichen Vertreter seiner Art gesetzt und zum anderen wird dadurch verhindert, dass es Nachwuchs gibt. Nachwuchs, Arterhaltung liegt doch eigentlich im Interesse eines Zoos – oder etwa nicht?
Eine Aufgabe von Zoos ist es, Verantwortung für die nachgezogenen Tiere zu tragen
Unsere Gruppe der Seelöwen besteht aus sieben Tieren. Damit ist die Anlage vom Platz her optimal genutzt. Bei weiterem Nachwuchs müssen wir schauen, ob die Möglichkeit besteht, Nachwuchs an einen anderen Zoo abzugegeben. Die Unterbringungsmöglichkeiten von Seelöwen sind begrenzt, so dass eine Nachzucht zurzeit nicht sinnvoll ist.
Der Bulle erhält das Implantat, da es schlichtweg einfacher ist, ihm das Implantat zu setzen, als unseren sechs weiblichen Tieren. Der Grund ist also rein pragmatischer Natur. Warum man bei dem männlichen Geschlecht unserer Art wohl kein Implantat einsetzen kann? Ich „google“ kurz, das Thema ist bereits ausreichend diskutiert worden, aber noch gibt es keine Lösung. Im Tierreich ist man zu dem Thema schon einen Schritt voraus.
Vorbereitung ist alles! Der Doc arbeitet mit „Samthandschuhen“
Bastian zeigt mir im Tierarztraum eine Spritze, die ein Implantat enthält. Diese ist bereits in der Vergangenheit genutzt worden. Die Spritze für heute ist natürlich noch steril verpackt. Dazu packt er in sein „Köfferchen“ Handschuhe und Betäubungsmittel. Im ersten Schritt erhält Sailor dort, wo das Implantat gesetzt wird, eine Betäubung, vergleichbar mit einer Betäubung beim Zahnarzt.
Auf der Anlage der Seelöwen wird „mal eben“ ein Implantat gesetzt.
Ohne Pam und Carmen geht es natürlich nicht. Sie koordinieren an diesem Morgen mit Bastian den Ablauf. Er setzt die Spritze, Pam, Carmen und Natalie platzieren Sailor und die restlichen Mädels. Vor der Anlage sind die Vorbereitungen bereits scheinbar abgeschlossen, der benötigte Fisch steht bereit.
Die Lieblingsspeise der Seelöwen: Fisch. Ein paar Minuten später erscheint ein ganzer „Trupp“ an Tierpflegern. Es sind nicht nur die Tierpflegerinnen, die für das Robbenrevier zuständig sind, sondern auch unsere Azubis. Was sich am Anfang vielleicht nach alltäglichem Geschäft anhört, ist nichts destotrotz immer wieder spannend zu beobachten. Und natürlich gibt es eine Menge zu lernen. Den Ablauf haben sie schnell „drauf“, das Gespür für seine Tiere zu haben, erfordert allerdings mehr als reinen Lernwillen. Sensibilität und Respekt, sich immer wieder bewusst werden, dass es sich um gefährliche Wildtiere handelt, ist das A und O. Zudem: Bei jedem Tier handelt es sich um ein Individuum – wie du und ich.
Auf los, geht’s los, das Implantat kann gesetzt werden!
Pam betritt als erste das Gehege, streckt den Arm in die Luft und ruft die Bande zu sich. Schon stürmen sieben Seelöwen die Treppe hoch, wo sie von Pam und Natalie „sortiert“ werden. Auf der Anlage befinden sich Steine, auf denen sich die Seelöwen wie von selbst positionieren. Sailor hat natürlich auch seinen Stammplatz, auf dem er bereits Platz genommen hat. Carmen spricht mit ihm und schafft es mit Hilfe des Targets (= der verlängerte Arm des Tierpflegers) spielend, ihn völlig ruhig an seinem Platz zu halten. Zwischendurch gibt es ein Häppchen Fisch, während Bastian die Betäubung setzt.
Die Mannschaft (Tierpflegerinnen und Tierarzt) verlassen die Anlage und lassen Sailor Zeit, damit die Betäubung wirken kann
Nach ca. 10 Minuten wird der Vorgang auf der Anlage (die Seelöwinnen werden mit Fisch beschäftigt, Sailor mit dem Target und Fisch) wiederholt und mittels Spritze das Implantat gesetzt. Der einzige sichtbare Unterschied: Man sieht Bastian die Anstrengung beim Setzen des Implantates im Vergleich zu der Betäubung deutlich an. Denn deren Kanüle ist natürlich nicht so fein, wie die der Betäubungsspritze. Dank der trainierten Ruhe unseres Seelöwen-Bullen wird jedoch auch diese Herausforderung gemeistert. Die kleine Wunde wird noch schnell versiegelt, bevor die Gruppe wieder alleine auf der Anlage ist.
Sailor entspannt in der Sonne
Von außen beobachte ich Sailor noch für einen Moment. Wir Menschen würden das, was ich jetzt sehe, als „chillen in der Sonne“ bezeichnen. Während ich den Ablauf Revue passieren lasse, habe ich das Gefühl, dass der ganze Ablauf mindestens eine Stunde gedauert hat. In Wirklichkeit sind vom ersten Betreten der Anlage bis hin zum Implanat setzen nicht mehr als 30 Minuten vergangen. Wobei wir 10-15 Minuten mit Warten auf das Wirken der Betäubung verbracht haben. Unkompliziert und scheinbar völlig stressfrei für die Tiere ist es uns gelungen, einen medizinischen Eingriff vorzunehmen. Mir fällt kein passendes Wort ein, was dieses Erlebnis und die Anerkennung für die Arbeit, die unsere Tierpfleger/-innen mit den Tieren leisten, umschreibt?! Doch, ich hab’s, bemerkenswert oder besser, eindrucksvoll!
Fotos: Nicole Tönjes / Marc Tetzlaff
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