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Hotel Haverkamp in Bremerhaven: Zeitreise in die Vergangenheit

Ein Stadt-Lexikon für Bremerhaven: Als ich zum ersten Mal davon höre, bin ich sofort begeistert und überzeugt davon, dass unser Hotel Haverkamp dabei sein muss. […]

Portrait
12. Dez. 2024
7 min Lesezeit
Außenansicht Hotel Haverkamp

Ein Stadt-Lexikon für Bremerhaven: Als ich zum ersten Mal davon höre, bin ich sofort begeistert und überzeugt davon, dass unser Hotel Haverkamp dabei sein muss. Eigentlich ist es höchste Zeit, dass sich jemand auf Spurensuche begibt und die Geschichte unseres Hotels zu Papier bringt. Dazu braucht es Forschergeist, langen Atmen (die eine oder andere Herausforderung wird es sicher geben) und Spaß am Schreiben. Kurz gesagt: Ich bin die richtige Frau für den Job.

Vom Suchen und Fürchten im Keller

Wo soll man eine solche Zeitreise beginnen? Ich starte in den Kellern unseres Hotels. Hier liegen so einige Schätze verborgen. In einer Ecke finde ich einen Karton, in dem sich unsere alten Zimmerschlüssel mit den goldenen Anhängern aus Messing befinden. Wusstet Ihr, dass es in Hotels kein Zimmer mit der Nummer 13 gibt? Das liegt am Aberglauben der Menschen. Ich schweife ab.

Im Karton liegen noch jede Menge Zeitungsartikel, Urkunden, Prospekte, alte Speisekarten, Fotos und deren Negative. Mir fällt eine Streichholzschachtel mit Hein Mück in die Hände – gedruckt in den siebziger Jahren. In meinem Kopfkino läuft ein Film mit Frauen in schwingenden Röcken und Männern mit Pomadenfrisuren ab, die Speisen und Getränke im Hotel Haverkamp servieren.

Als ich aufblicke, lässt mich eine mannshohe Gestalt aufschrecken. Dort lauert im Halbdunklen die alte Figur eines Kellners mit Serviertablett in den Händen. Eigentlich weiß ich, dass der Kerl hier steht, aber trotzdem jagt er mir immer wieder einen Schauer über den Rücken.

Kellner
Erschreckend freundlich: der Kellner im Hotelkeller (c) Hotel Haverkamp

Jetzt bin ich hellwach. Also weitersuchen. Besonders beeindruckt bin ich von den Architektenentwürfen, die alle noch von Hand gezeichnet sind. Ja, im Haverkamp wurde schon immer viel gebaut. Das hat bei uns auch heute noch Tradition. In seinen Anfängen hatte das Hotel 60 Zimmer. Heute sind es 99 Zimmer, Suiten und Apartments. Ich nehme einige Fundstücke mit ins Büro. Ein bisschen ist es wie Geschenke auspacken. Eine Ehrenurkunde des Fachverbandes des Gaststätten- und Hotelgewerbes e.V. belegt, dass Wilhelm Haverkamp am 1. April 1960 sein 25-jähriges Geschäftsjubiläum beging – und das Hotel Haverkamp somit im Jahre 1935 seinen Anfang nahm. Im Gästebuch finde ich noch Einträge von Showgrößen wie Bud Spencer, Andrea Berg und Reinhold Messner, die sich im Haverkamp sehr wohl gefühlt haben. Fazit nach Tag eins der Recherche: Ich bin staubig und glücklich.

Familiensache: (von links) Marlis, Emina, Laurens, Martin und Manfred Seiffert (c) Studio EM, Elisa Meyer Fotografie

Spannende Geschichte und Butterkuchen

Mein Weg führt mich zu meinen Schwiegereltern Marlis und Manfred Seiffert. Bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Butterkuchen bringt die Recherche noch mehr Spaß. Ihre Geschichten kenne ich sehr gut und hänge dennoch immer an ihren Lippen, wenn sie mir Anekdoten von früher erzählen. Mein Schwiegervater Manfred beginnt 1955 im zarten Alter von 14 Jahren seine Lehre im Hotel Haverkamp, das vom Ehepaar Lotte und Wilhelm Haverkamp geführt wird.

Der junge Manfred beschließt nach der Ausbildung erst einmal, nach Amerika zu gehen. In New York sammelt er Erfahrungen als Kellner. Danach besucht er die Hotelfachschule in Heidelberg und kehrt mit seinem Abschluss in der Tasche nach Bremerhaven zurück. Die Eheleute Haverkamp, die selbst keine Kinder haben, finden in Manfred Seiffert einen treuen Mitarbeiter. Im Jahr 1962 wird er zum Geschäftsführer ernannt und übernimmt zusammen mit seiner Frau Marlis am 1.1.1969 das Hotel Haverkamp. Eine Bedingung lautet: Bis zum Ableben der Eheleute Haverkamp darf das Hotel nicht umbenannt werden.

In einem Zeitungsbericht lese ich: „Die Einrichtung des Hotels entsprach zu der Zeit dem damaligen Standard: Von 65 Zimmern hatten ganze sechs Toiletten und Duschen (…).“ Es folgt eine Zeit großer Veränderungen. Schritt für Schritt bauen meine Schwiegereltern das Haverkamp aus und um.

Altes Foto von der Außenfassade Hotel Haverkamp
Eines hat Tradition: Bei Haverkamp wird gebaut. (c) Hotel Haverkamp

Ich bekomme beim Abschied noch eine Mappe in die Hand gedrückt. Darin finden sich handgeschriebene Notizen über die vielen großen und kleinen Baustellen der vergangenen Jahrzehnte: der Ankauf von Grundstücken in der Prager und Schleswiger Straße sowie Meilensteine wie den Bau von neuen Veranstaltungsbereichen und des Schwimmbades im Jahr 1978, das bis heute das einzige Hotelschwimmbad in Bremerhaven ist. Im Jahr 1986 erreicht das Haverkamp eine neue Dimension: „Mit 108 Zimmern und maximal 188 Betten sind wir jetzt das größte Haus am Platz“, erzählt mein Schwiegervater stolz in einem Interview. Toll, was meine Schwiegereltern geleistet haben, denke ich mir einmal mehr.

Was Google weiß – oder auch nicht weiß

Komisch, dass ich erst jetzt darauf komme, das Internet zu befragen. Meine Söhne hätten diesen Weg sicher als Erstes gewählt. Ich möchte mehr über die Zeit erfahren, als das Hotel seinen Anfang nahm. Ich google „Lotte und Wilhelm Haverkamp“ und noch jede Menge anderer Suchbegriffe. Fehlanzeige! 1935, als das Hotel Haverkamp seinen Anfang nahm, da war das Internet noch lange nicht erfunden.

Mit ein bisschen Geduld forsche ich weiter (Stichwort langer Atem). Und siehe da: Ein Bericht des Nachrichtenportals „Nord24“ lässt mich aufhorchen. Es geht um den Fund einer Bierflasche. Mit Spannung lese ich, dass an der heutigen Adresse des Hotel Haverkamp – damals die Langestraße 36 – schon seit dem Jahr 1879 eine Gaststätte ansässig war. Ein Schankwirt namens B. Kruse hat hier sein hauseigenes „Kruse-Bier“ gebraut. Davon zeugt der Fund einer Bierflasche, auf der „Kruse-Bier Bremerhaven“ steht. Das Stadtarchiv Bremerhaven ist im Besitz eines Fotos der Gaststätte aus den 1920er Jahren. Auf der Rückseite steht: „Gasthaus und Restauration ‚Zum Nordpol‘, Inhaber Fritz Krieg“. Das ist ein neues Puzzleteil, das ich zuordnen kann: Friedrich Krieg lautet der Name von Lottes Vater. Lotte und ihr Mann Wilhelm Haverkamp haben die Gaststätte übernommen und sie zum Hotel Haverkamp gemacht.

Flyer des Hotels – aufbewahrt im Stadtarchiv. (c) Hotel Haverkamp

Gar nicht selbstverständlich: Wir sind noch da!

Ich besuche das Stadtarchiv Bremerhaven, um weitere Puzzleteile zu finden. Mein Forschergeist ist geweckt! Die Mitarbeiter:innen nehmen sich viel Zeit und suchen mir Unterlagen aus den verschiedenen Jahrzehnten zusammen. Ich wühle mich durch unsere Geschichte und wundere mich, dass das Stadtarchiv so viele Flyer und Prospekte vom Haverkamp aufbewahrt. Im Hotelverzeichnis der Stadt Bremerhaven findet sich im Jahr 1956 ein Eintrag: 74 Betten und 43 Zimmer zählt damals der Beherbergungsbetrieb. Ein Einzelzimmer kostet zwischen 5,50 und 8 Deutsche Mark. 1961 ist das Hotel bereits auf 104 Betten und 66 Zimmer gewachsen.

Beim Lesen historischer Zeitungsartikel fällt mir auf, dass meine Schwiegereltern oft vor den gleichen Herausforderungen standen wie wir heute. Mitarbeiter-Mangel, der Bau neuer Hotels, ausbleibende Gäste durch Firmenpleiten oder eine schwierige Wirtschaftslage. Aber eines wird mir auch bewusst: Viele Hotels von damals – besonders die familiengeführten Häuser – gibt es heute nicht mehr. Wir sind noch da! Vielleicht liegt es daran, dass wir unseren Werten immer treu geblieben sind. Marlis und Manfred Seiffert lag immer am Herzen, für ihre Gäste eine Wohlfühl-Atmosphäre zu schaffen. „Ganz besonders stolz ist das Ehepaar Seiffert aber auf den Ausstattungsstil: Die Einrichtung der Zimmer wirkt zwar modern, aber nicht kühl und nüchtern, sondern im Gegenteil warm und gemütlich“ heißt es dazu im Bericht der Nordsee-Zeitung vom 29. Dezember 1972.

Diese Werte lebte auch meine liebe Schwägerin Andrea, gelernte Hotelfachfrau, die ihre Eltern von 1987 bis 2000 im Hotel unterstützte. Ich klappe die Ordner zu, bedanke mich bei den Mitarbeiter:innen des Stadtarchivs und schwinge mich auf mein Fahrrad. Ein Gedanke hängt mir immer noch nach, als ich in die Prager Straße einbiege: Die Zeiten ändern sich, echte Werte bleiben.

Herzblut verbindet

Ich habe meinen Mann 1995 kennengelernt, als er gerade seine Kochausbildung in einem 5-Sterne-Hotel begann. Von seinen Kochkünsten profitiere ich noch heute. Zusammen sind wir durch die Studienzeit gegangen – er in Bremen im Bereich Wirtschaftswissenschaften, ich in Münster beim Germanistikstudium. Nach dem erfolgreichen Abschluss ist Martin in die Fußstapfen seiner Eltern getreten. Am 1. Januar 2005 übergaben sie das Hotel an ihren Sohn. Ich kann mich noch gut an die folgenden Jahre erinnern, als er so viele seiner Ideen umsetzte und unermüdlich arbeitete – genau wie ich damals in einer Werbeagentur in Bremen.

Von der Erneuerung der Fassade und des Wellnessbereichs über den Umbau des Restaurants sowie der Rezeption veränderte das Hotel komplett sein Gesicht, aber nie seinen Charakter. Als unser erster Sohn Laurens zur Welt kam, fragte mich mein Mann, ob ich meine Kreativität nicht im Hotel einbringen wollte. Seit 2011 bin ich Teil der Haverkamp-Familie und wie jede und jeder von uns mit Herzblut bei der Sache. Gerne denke ich an unsere gemeinsamen Erfolge, wie im Jahr 2016, als uns der DEHOGA-Fachverband als erstem Hotel in der Geschichte der Seestadt die Auszeichnung Vier-Sterne-Superior verliehen hat.

Ein Meilenstein war auch die Eröffnung unserer ersten Suite und 2017 unseres Apartmenthauses Haverkamp Suites mit 9 weiteren Suiten. Im Jahr 2014 freuten wir uns über den Servicepreis und 2022 über die Auszeichnung „Gastgeber des Jahres“ in Bremerhaven zu sein. Wir haben noch viele Pläne und mindestens eine „Baustelle“ (meistens mehr), in die wir unsere Kreativität und unser Herzblut fließen lassen. Manche Dinge ändern sich eben nie.

Bremerhavens Gastgeber des Jahres: Emina und Martin Seiffert halten den Tourismuspreis in Händen. (c) Sarah Mehler

Geschichte(n) schreiben

Der Artikel für das Stadtlexikon Bremerhaven ist fertig und eingereicht. Es war für mich eine große Herausforderung, mit nur 3.600 Zeichen für 90 Jahre Hotelgeschichte auszukommen. Die ganzen tollen Anekdoten musste ich für mich behalten. Vielleicht erzähle ich sie euch irgendwann an anderer Stelle. Denn es gibt noch viel Spannendes zu berichten, über die Menschen, die im Haverkamp zu Gast waren und die Menschen, die hier aus Leidenschaft herzliche Gastgeber:innen sind.

Portrait
Emina Seiffert

Emina Seiffert, Unternehmenskommunikation & Qualitätsmanagement, Hotel Haverkamp, Bremerhaven

Ich liebe es, spannende Geschichten über die herzlichen Gastgeberinnen und Gastgeber im Hotel Haverkamp zu erzählen und zu zeigen, was hinter den Kulissen passiert.

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