Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon eine HafenBus-Tour durch Bremerhaven bis in die Überseehäfen gemacht habe. Und jedes Mal gibt es wieder etwas Neues zu entdecken. Logisch, dass deshalb die Informationen auch nicht vom Band kommen. Ein Gästeführer erklärt bei jeder Fahrt, was auf der Strecke und in den Häfen geschieht. Und das ist täglich etwas anderes. Heute erzähle ich Euch von meiner neuesten Tour zum Auto- und Containerterminal. Dann wisst Ihr, was ich mit aktuell meine.
Von Süd nach Nord mit dem HafenBus
Gästeführer Thorsten Wettwer steht lächelnd vor dem Doppelstockbus „Der HafenBus“. Er begrüßt die Fahrtgäste und kontrolliert die Tickets. Die Teilnehmer entern den Bus. Die begehrtesten Plätze sind auf dem oberen Deck. Und schon geht sie los unsere HafenBus-Tour durch Stadt und Häfen, die hier im Fischereihafen beginnt. In der maritimen Meile, der ehemaligen Fischpackhalle reihen sich maritime Lokale, Restaurants, Räuchereien und hübschen Läden aneinander. Im Seefischkochstudio besuchen über 20.000 Gäste jährlich die unterhaltsamen Kochshow oder nehmen an einem Kochkurs teil. Wenn Ihr Zeit habt, solltet Ihr das auch tun. Es lohnt sich!
Die Havenwelten – das Herz der Seestadt
Wir überqueren die Kennedybrücke. Vor uns liegen nun die Havenwelten, das Stadtzentrum. Links und rechts die Hochschule, dahinter das markante Gebäude des Alfred-Wegener-Instituts, links der Richtfunkturm, den wir Bremerhavener liebevoll Radarturm nennen. Wir biegen rechts ab und nehmen weitere Gäste vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum auf. Im Inneren des Museums ist eine Hansekogge aus dem Jahr 1380 zu bestaunen. Weiter geht’s vorbei am Columbus Shopping Center und vorbei am Klimahaus Bremerhaven 8° Ost. Dahinter erhebt sich die Aussichtsplattform Sail City gen Himmel. Im Gebäude darunter befinden sich ein Hotel, Büroräume und eine große Zahnarztpraxis. Berühmtester Patient dort dürfte Dieter Bohlen sein. An unserer letzten Haltestelle vor dem Zoo am Meer nehmen wir weitere Gäste an Bord. Hinter dem Zoo befindet sich die Seebäderkaje. Von hier aus legt in der Saison das Schiff zu Deutschlands einziger Hochseeinsel ab.
Mit dem HafenBus gen Norden
Gegenüber weist Thorsten Wettwer uns auf ein großes Gebilde hin, das Semaphor. Mit ihm wurden früher den Schiffsbesatzungen Windstärken und -richtungen auf Borkum und Helgoland angezeigt. Am dem Deich dahinter sehen wir fünf Dalben (große Holzpfähle). An ihnen sind Plaketten mit Namen von Verstorbenen angebracht, die auf See bestattet wurden. Ein schöner Ort der Ruhe. Richtung Norden passieren wir das Deutsche Auswandererhaus.
Blaue Stunde über dem Neuen Hafen
In direkter Nachbarschaft steht das The Liberty Hotel. Im oberen Stockwerk befindet sich die New York-Bar. Von hier aus haben auch nicht-Hotel-Gäste eine tollen Ausblick über den Neuen Hafen und die Weser. Kleiner Tipp: Abends leuchten entlang des Hafens stimmungsvolle blaue Lichter. Auf der linken Seite passieren wir nun die Motorenwerke Bremerhaven (MWB). 2017 wurde hier das große Fährschiff „Peter Pan“ in der Mitte geteilt. Anschließend wurde ein 30 Meter langes Zwischenstück eingefügt. Für mich unvorstellbar, dass hinterher alles auf den Millimeter genau wieder zusammenpasst und den Gewalten des Meeres standhält.
Schokoladen für die Seeleute
Während ich noch darüber nachgrübele, macht Thorsten uns auf den großen Edeka-Markt rechts aufmerksam. Der Discounter hat sechs Tage die Woche rund um die Uhr geöffnet. Durch die Nähe zum Hafen kaufen hier auch besonders gern Seeleute und Schichtarbeiter des Hafens ein. Der Schokoladenumsatz ist enorm. Philippische Seeleute lieben Schokolade und erstehen sie hier gleich Kartonsweise.
Mit dem HafenBus durchs Zolltor Rotersand
Durch das Zolltor Rotersand erreichen wir nun das Überseehäfengebiet. Der Zoll spielt hier eine bedeutende Rolle. Allein 2019 spürte er 85 Millionen Plagiate auf. Würden sie nicht entdeckt werden, wäre das ein enormer, wirtschaftlicher Verlust. Beschlagnahmte Hehlerware wird sofort auf bereitstehende LKWs verladen und in der Müllverbrennungsanlage beseitigt. Wir setzen unsere Fahrt vorbei an endlosen Autostellflächen fort. Wow – wie viele mögen das wohl sein?
Ob es wohl auffiele, wenn ich mir ein Auto mitnähme?
überlege ich
Thorsten Wettwer erzählt, dass in allen Autos die Schlüssel stecken. Allerdings sind die Stellflächen von hohen Zäunen umgeben, die einen Diebstahl unmöglich machen. Die Hafenanlagen sind nach dem neuesten ISPS-Code (International Ship and Port Facility Security Code) gesichert. Der Code beinhaltet ein Paket von Maßnahmen zur Erhöhung der Gefahrenabwehr bei Schiffen. Jetzt heißt es erst einmal Stopp! Ein langer Autozug quert die Straße. Hafenverkehr hat hier prinzipiell Vorrang. So ein Autozug ist in der Regel 750 Meter lang und transportiert 250 PKWs.
Auf ein letztes Bier
Rechts vor uns taucht die „Letzte Kneipe vor New York“ (Treffpunkt Kaiserhafen) auf. Von außen unspektakulär, ist sie im Inneren martim eingerichtet. Hier lassen sich Hafenarbeiter, Kapitäne, Geschäftsführer, Einheimische und Touristen gleichermaßen die leckeren Fischgerichte und norddeutsche Spezialitäten schmecken. Das Restaurant erhielt übrigens seinen Namen von den seinerzeit in Bremerhaven stationierten Amerikanern. Die tranken in der „Letzte Kneipe vor New York“, wenn sie wieder mit dem Schiff in ihre Heimat fuhren, ihr letztes „German Beer“.
Mit dem HafenBus zu den Trockendocks aus Kaisers Zeiten
Von hier sind es nur ein paar Meter zur Lloyd Werft. Wir kurven über das Firmengelände und passieren Hallen. Rund herum werden riesige Schiffsschrauben gelagert. Wir halten und blicken in die Tiefen des Kaiserdocks II. In diesem Trockendock liegen gerade der Dampfeisbrecher „Wal“ und ein riesiges Schleusentor zur Reparatur.
Einmal waschen, schneiden, fönen!
So nennen die Werftarbeiter die Reparaturdienste an den Schiffen.
Thorsten erklärt uns, wie so ein Trockendock funktioniert. Die Docktore werden geöffnet, so dass Wasser hereinströmen kann. Das zu reparierende Schiff fährt rein, die Tore werden geschlossen. Nun wird das Wasser rausgepumpt. Dabei sinkt das Schiff langsam auf die Pallen. Das sind riesige Bohlen am Boden des Docks. So ein Dockvorgang dauert dreieinhalb Stunden. Bis zu 3.000 Handwerker arbeiten zeitgleich an einem großen Schiff. Dabei sind neben Schiffbauern auch andere Berufe, wie Maler, Elektriker, Techniker, Teppichverleger, Tischler und viele mehr vertreten.
Luxusyacht made in Bremerhaven
Im Hintergrund sehen wir ein weiteres Dock, das aber vollständig verhüllt ist. Hier wird gerade eine Privatyacht für 350 Millionen Euro gebaut. Für den Besitzer ist es schon die vierte. Zwei davon wurden hier gebaut. Thorsten erzählt uns, dass der Eigner auf einer Yacht über dem Bett eine Vorrichtung hatte, die es auf Knopfdruck schneien ließ. Verrückte Idee! Wir verlassen die Lloyd Werft und setzen unsere Fahrt mit dem HafenBus fort.
Mit dem HafenBus in die verbotene Stadt
Nach einem kurzen Stopp dürfen wir „die verbotene Stadt“ befahren. Privatpersonen ist der Zugang auf den diesen Terminals verwehrt. Aber der HafenBus hat eine Sondergenehmigung. Damit ist das Befahren des Geländes unter strengen Richtlinien erlaubt. Das macht die Tour auch für Bremerhavener so interessant. Denn Familienangehörige hatten sonst nie die Chance, den Arbeitsplatz eines hier Beschäftigten aus nächster Nähe zu sehen. Eine tolle Sache!
Arbeit (fast) rund um die Uhr
Der Hafen gibt etwa 5.000 Menschen Arbeit. Sie arbeiten hier 360 Tage pro Jahr rund um die Uhr. Zuerst passieren wir den High- und Heavybereich. Hier warten riesige Fahrzeuge, wie Mähdrescher, Bagger und mehr auf ihre Verladung. Dafür stehen im Hafen 160 speziell ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung. Die können solche außergewöhnlichen Fahrzeuge sicher führen. Weiter geht es entlang der Kaje vorbei an den bombastischen Car Carriern. Ich staune jedes Mal auf Neue, dass diese unförmigen, himmelhohen Schiffe schwimmen können. Sie sehen kastig und plump aus. Die Riesen erinnern eher an gigantische Produktionshallen als an Schiffe. Durch die Schleuse und im Hafen können sie sich dann auch nur mit Schlepperhilfe bewegen.
HafenBus: Autos, Autos, Autos…
Wer dieses Spektakel einmal sehen möchte, dem empfehle ich, sich an die Kaiserschleuse oder Nordschleuse zu stellen, wenn solch ein Schiff geschleust wird. Beeindruckende Fotos sind schon jetzt garantiert! Im Inneren dieser Riesen befinden sich bis zu 14 Decks. Sie sind höhenverstellbar und ermöglichen so die perfekte Auslastung der Laderäume. 1.000 Fahrzeuge pro Schicht werden hier be- oder entladen.
Blitzsauber und geschützt
Der Tellyman (Ladungsverantwortlicher) sitzt in einem der nummerierten Holzhäuschen an der Kaje und scannt jedes Fahrzeug. Bevor es für die Autos nach Australien, Neuseeland oder in die USA geht, müssen diese gewaschen und konserviert werden. Diese Vorschriften sollen verhindern, dass ungewünschte Pflanzensamen eingeführt werden. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass natürlich auch darauf zu achten ist.
Blechkisten soweit das Auge reicht
Wir lassen die Fahrzeuge hinter uns und fahren weiter in den Containerbereich. Auch hier ist der Zoll tätig. Stichprobenartig scannt und röntgt er dazu einzelne Container. Die Daten kommen zur Auswertung an das Risikomanagements des Zolls. Das geschieht alles scheinbar nebenbei und schnell. Neben unserem Bus taucht ein langbeiniger Van-Carrier auf. Hoch oben in der Kanzel sitzt der Fahrer. Er fährt kreuz und quer über das Terminal und nimmt einen Container auf und bringt ihn zum Schiff. Die Information zu seinem nächsten „move“ (Einsatzfahrt) erhält er über ein Datenterminal. Per GPS wird überprüft, ob die Container tatsächlich genau dort stehen wo sie hingehören. Klar, einen falsch abgestellter Container müsste man unter tausenden wie eine Nadel im Heuhaufen suchen.
Mensch gegen Geisterfahrzeug
Wie überall hält auch hier der Fortschritt Einzug. So gibt es Testfelder für selbstfahrende Fahrzeuge. Es bleibt abzuwarten, ob diese die Van Carrier-Fahrer in den nächsten Jahren ablösen werden. Wir fahren bis an die Stromkaje mit den hoch aufragenden Verladebrücken. Die Van Carrier stellen die Container unter den Brücken ab. Der Fahrer in der gläsernen Kanzel nimmt ihn auf, befördert ihn über den Ausleger über den Schiffsbauch und lässt ihn nach unten in den vorbestimmten Stellplatz ab.
Die Fahrer müssen absolut schwindelfrei sein. Erstens müssen sie die Fahrerkanzel in 42 Metern Höhe über Außenleitern erklimmen. Zweitens arbeiten sie stets nach vor gebeugt und blicken durch den gläsernen Fußboden in die Tiefe. Das sind 42 Meter Kanzelhöhe plus bis zu 20 Metern Laderaumtiefe des Schiffs. Diese Arbeit verlangt höchste Konzentration und ist extrem anstrengend. Daher werden die Fahrer auch nach dreieinhalb Stunden abgelöst. Puh, für mich und meine Höhenangst wäre das nichts!
Groß, größer, gigantisch
Die größten Containerschiffe der Welt mit einer Länge über 400 Metern und Breite von der Welt können 23.500 Container befördern. Für die Beladung eines solchen Containerschiffs sind defizile Staupläne von Nöten, erklärt und Thorsten. Der zuerst auszuladende Container darf natürlich nicht ganz unten im Schiff stehen. Die schwersten Container können nicht hoch oben verlascht (befestigt) werden. Sonst wäre die Stabilität des Schiffs gefährdet. Backbord und Steuerbord (links und rechts) müssen gleich schwer beladen sein. Container mit brennbarem Inhalt dürfen nur an speziell dafür vorgesehenen Plätze stehen. Kühlcontainer benötigen die Nähe zur Stromversorgung. Das klingt wirklich nach einer Herausforderung!
Rückblick: Im Jahr 1965 fassten die Containerschiffe 99 Container. Heute befördern die größten von ihnen 23.500.
Gästeführer Thorsten Wettwer
Die Stromkaje, an der wir uns nun befinden, ist die größte Europas. Darunter befinden sich die Wellenkammern, weiß Thorsten zu berichten. Die sind notwendig, damit der Seegang auf der Weser möglichst gering gehalten wird, um die Schiffe zu beladen. Anrollende Wellen laufen dabei in die Kammern unter der Kaje und werden am Ende um 180 Grad gedreht. Beim Zusammentreffen mit der nachfolgenden Welle, neutralisieren sich diese.
Ein starkes Team
Thorsten erklärt weiter, dass Bremerhaven der viertgrößte Containerumschlagsplatz Europas ist. Die ersten Plätze belegen Rotterdam, gefolgt von Antwerpen und Hamburg. Alle vier Häfen zusammen, verladen 33,5 Millionen Container pro Jahr. Eine beeindruckende Zahl, denkt Ihr? Schon, aber die Asiaten sind uns voraus. Shanghai allein verlädt 38,5 Millionen pro Jahr.
Der weiße Stern auf blauem Grund
Auf den endlos scheinenden Flächen stehen Container der unterschiedlichsten Firmen. Die meisten sind von Maersk. Maersk ist die größte Containerreederei der Welt und hat ihren Sitz in Dänemark. Der Inhaber ist ein Kunstmäzen. Er hat seiner Heimatstadt Kopenhagen eine Oper geschenkt. Beeindruckend! Das Logo der Reederei Maersk – weißer Stern auf blauem Grund – bedeutet: blau = Wasser, sieben Zacken des Sterns = die sieben Weltmeere.
Stern mit sieben Zacken = Sieben Tage Arbeit
So deuten die Hafenarbeiter das Maersk-Logo
Die Container sind weltweit genormt. Ein 40 Fuß-Container misst etwa 12 Meter Länge und ein 20 Fuß-Container etwa sechs Meter. Jeder Container ist mit einer Nummer versehen. Sie gibt Aufschluss über das Was, Woher, Wohin und Gewicht. Auf unserem Weg zurück aus der „verbotenen Stadt“ fährt der HafenBus entlang hoch aufgestapelter Container. Die Türme mit vier übereinandergestapelten Containern sind welche mit Inhalt. Die bis zu sechs hoch gestapelten sind leer. Die leeren Container werden mit einem so genannten Reachstacker aufeinandergetürmt und stehen Wand an Wand. Die gefüllten werden mittels Van Carrier bewegt und haben einen Abstand zwischen den einzelnen Reihen, damit die Fahrzeuge darüberfahren und sie aufnehmen können. Und so füttert uns Thorsten mit immer wieder neuen Informationen. Wirklich spannend!
Der King war hier
Auf der Rückfahrt Richtung Havenwelten und Schaufenster Fischereihafen weist er noch auf Prototypen der Windkraftanlagen hin, die auf dem Gelände der Carl Schurz-Kaserne stehen, in der früher die Amerikaner stationiert waren. Heute ist dort ein Logistikpark angesiedelt. In der Ferne können wir auch noch einen Blick auf das Columbus Cruise Terminal erhaschen. Hier setzte 1958 Elvis Presley seinen Fuß auf deutschen Boden. Heute nehmen hier über 120 Schiffe im Jahr Gäste zu ihrer Traumkreuzfahrt an Bord. Mit vielen spannenden Eindrücken endet unsere HafenBus-Tour nach zwei Stunden.
Neugierig geworden?
Wer nun Lust bekommen hat, auch einmal an solch einer Fahrt teilzunehmen, findet hier weitere Informationen und Tickets. Auf Grund der derzeitig geltenden Hygieneregeln Covid 19 betreffend, findet die Tour mit dem HafenBus derzeit leicht abgeändert statt. Der Ein- und Ausstieg erfolgt an der Haltestelle vor dem Deutschen Schifffahrtsmuseum. Während der 1,5-stündigen Fahrt besteht Maskenpflicht. Die Platzzuweisung erfolgt vor Ort am Bus. Der Bus fährt nicht mit voller Auslastung.
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