Folkert Potrykus – Gespenst des Kommunismus in Bremerhaven

Folkert Potrykus – Gespenst des Kommunismus in Bremerhaven

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“, so beginnt das Manifest der Kommunistischen Partei. Das Gespenst des Kommunismus geistert auch durch […]

Fassade Historisches Museum Bremerhaven
13. Feb. 2023
5 min Lesezeit
bremerhaven_historisches_museum_potrykus1

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“, so beginnt das Manifest der Kommunistischen Partei. Das Gespenst des Kommunismus geistert auch durch Bremerhaven und heißt Folkert Potrykus. Seite an Seite mit diesem Gespenst zusammen durch die Stadt zu spazieren, kann eine ziemlich spannende Idee sein.

Potrykus als Teil der Stadtgeschichte

Folkert Potrykus (1900-1971), Bremerhavener Kommunist, Gewerkschaftler und Widerstandskämpfer, gehört einer Verlorenen Generation an. Dieser Begriff, Lost Generation, wurde von der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein in einem Gespräch mit Ernest Hemingway verwendet. Anwendbar auf Menschen, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geboren wurden und daher viele historische Dramen miterlebten. Potrykus verbrachte den größten Teil seines Lebens in und um Bremerhaven. Zusammen mit der Stadt durchlebte er Ereignisse wie den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution, die NS-Herrschaft, den Zweiten Weltkrieg, den Wiederaufbau.

Folkert Potrykus ist in den Arbeiterhäusern der ehemaligen Rickmers-Werft auf Geesthelle aufgewachsen. Das soziale Milieu dieser „Geesteheller-Welt“, das durch einfache Lebensverhältnisse und Armut, aber auch politischen Kampf für die Rechte von Arbeitnehmer*innen gekennzeichnet war, bestimmte seinen Lebensweg.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus2
Familie Potrykus, Rechts steht Folkert (um 1915, Fotograf*in unbekannt)

Bereits als Jugendlicher trat Folkert Potrykus der Kommunistischen Partei bei. Er kämpfte für die Bremer Räterepublik, war Redakteur der kommunistischen „Arbeiter-Zeitung“, rief zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten auf und leistete selber Wiederstand in der NS-Zeit, überlebte die Konzentrationslager Esterwegen und Sachsenhausen und engagierte sich nach 1945 in Bremerhavener als Stadtrat und Stadtverordneter ebenso für den Wiederaufbau starker Betriebsräte und Gewerkschaften wie für die Hilfe sozial Benachteiligte*r und den Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus3
Foto links: Folkert Potrykus (um 1920, Fotograf*in unbekannt). Foto rechts: Folkert Potrykus nach seiner Rückkehr aus dem KZ Sachsenhausen (1938, Fotograf*in unbekannt)

„Gespenst des Kommunismus“ zwischen uns

Im Rahmen der Sonderausstellung „Folkert Potrykus. Ein Kommunist in Bremerhaven“, die im Historischen Museum vom 17. Januar bis zum 4. Juni 2023 gezeigt wird, wurde eine Karte mit seinen wichtigsten Dienst- und Wohnadressen in Bremerhaven erstellt. Alle auf der Karte markierten Orte wurden in ihrem aktuellen Zustand fotografiert, diese Fotos sind auch in der Ausstellung zu sehen.

Mir scheint, dass dieses Mini-Kartenprojekt das Gefühl vermittelt, dass Folkert Potrykus in derselben Stadt lebte, in der wir heute auch leben. Dass er dieselben Straßen entlangging, dieselben Treppen stieg, dieselben Türklinken berührte.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus4
Karte mit Adressen von Folkert Potrykus in Bremerhaven (Erstellt von Roman Smirnov)

Die Geschichte von Folkert Potrykus zu erfahren heißt, einen Teil der Stadtgeschichte zu erfahren. Einen Teil der Stadt selbst, die sich mit der Zeit verändert. Die Beispiele dafür müssen nicht lange gesucht werden.

Die Arbeiterhäuser der Rickmers-Werft, wo Folkert Potrykus mehr als die Hälfte seines Lebens verbrachte, existieren heute nicht mehr. An diesem Gelände, zwischen der lauten Hafenstraße und dem idyllisch ruhigen Kapitänsviertel, liegt heute die nach ihm benannte Straße. Ebenso existiert die Deichschule in Lehe, die der künftige Widerstandskämpfer besuchte, nicht mehr. Auch die Tecklenborg-Werft, auf der er als Dreher anfing, sowie die Delphin-Werft, auf der er später arbeitete, haben nicht überlebt.

Hier in diesem Haus in der Wülbernstraße 27 versteckte sich Folkert Potrykus 1933 vor der Gestapo.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus5
Reste des Wohnhauses in der Wülbernstraße 27. Hier, in der Wohnung von Karl Schmidt, versteckte sich Folkert Potrykus vor der Gestapo im Frühling bzw. Sommer 1933 (2022, Foto: Roman Smirnov)

Und in diesem Haus in der Frenssenstraße 6 lebte er 1950 mit seiner ersten Frau.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus6
Reste des Wohnhauses in der Frenssenstraße 6. In dem Wohnhaus lebte Folkert Potrykus im Jahr 1950 mit seiner ersten Frau Margarete Rövenstahl und ihrem gemeinsamen Sohn Folkert (Foto: Roman Smirnov)

Potrykus‘ Orte in Bremerhaven und Bremen

Nicht alle für Folkert Potrykus bedeutsamen Orte sind verschwunden oder bis zur Unkenntlichkeit verändert. In der Theodor-Storm-Schule, heute besser bekannt als Die Theo, beteiligte sich er als Fraktionsvorsitzender der KPD an der Arbeit der Stadtverordnetenversammlung in der Nachkriegszeit. Und im Gerichtsgefängnis Lehe, einem kleinen Backsteingebäude in der Nähe des repräsentativen Amtsgerichts Lehe, verbrachte er mehrere Monate in Haft in der NS-Zeit.

Neben Straßen in Bremerhaven erinnern auch Straßen in Bremen an die Geschichte von Folkert Potrykus. Ein wichtiger Meilenstein im Leben des Kommunisten war seine Tätigkeit in den 1920er und 1930er Jahren in der kommunistischen Arbeiter-Zeitung. Zunächst als Zeitungsbote, dann als Redakteur und Herausgeber. Die Zentrale der Arbeiter-Zeitung befand sich bis 1933 im berühmten „Roten Haus“ in der Bremer Neustadt. Folkert Potrykus selbst lebte von 1930 bis 1933 in Bremen und mietete eine Wohnung in der Rolandstraße 33, nahe dem Neuen Markt.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus7
Foto links: „Rotes Haus“ in Bremen, Buntentorsteinweg 95 (um 1930, Fotograf*in unbekannt). Foto rechts: „Rotes Haus“ in Bremen, Buntentorsteinweg 95 (um 2022, Foto: Roman Smirnov)

Verehrung des Bremerhavener Kommunisten

Die wichtigste Informationsquelle über das Leben von Folkert Potrykus und seine Adressen in Bremerhaven ist das kürzlich erschienene Buch von Herrn Dr. Manfred Ernst “Folkert Potrykus: Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht“.

Die anlässlich der Neuerscheinung des Buches organisierte Ausstellung des Historischen Museums beleuchtet anhand von Texten, Fotografien und Original-Dokumenten den gesamten Lebensweg des Bremerhavener Kommunisten.

bremerhaven_historisches_museum_potrykus8
Manfred Ernst „Folkert Potrykus: Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht“ (2023, Foto: Roman Smirnov)

Sonderausstellung „Folkert Potrykus – Ein Kommunist in Bremerhaven“ – Laufzeit 17.01. bis zum 04.06.2023 – Historisches Museum Bremerhaven – An der Geeste, 27570 Bremerhaven – Öffnungszeiten: Di-So 10-17 Uhr – Der Eintritt ist frei

Zur Ausstellung findet ein Begleitprogramm statt. Die Termine werden auf der Website des Museums angekündigt.

Text: Roman Smirnov

Fassade Historisches Museum Bremerhaven
Gastautor Historisches Museum Bremerhaven

Berichte rund um die Stadtgeschichte, das Historische Museum Bremerhaven und das Museumsschiff FMS „GERA“

Bremerhaven im Blick

Mehr aus und über Bremerhaven und Umzu …

A mehr
Detail: Sebastian Dannenberg, "EASY" edition in der Kunsthalle Bremerhaven (c) Cecilia Uckert

4 min Lesezeit21. März 2019

„Art from the Block“ – Dannenberg in der Kunsthalle Bremerhaven

Der Künstler: Sebastian Dannenberg. Seine Ausstellung 2019 in Bremerhaven: „EASY as far as we can see“: minimalistische, architekturbezogene Kunst.

M mehr
Ein cremefarbener Kinderwagen aus den 1930er oder 1940er Jahren in einer Ausstellungsvitrine

7 min Lesezeit20. Juni 2022

„Maikäfer flieg“

Man spürt es sofort: Im Deutschen Auswandererhaus erwartet die Besucher:innen etwas Besonderes. Die Räume des Museums sind in eine atmosphärische Dunkelheit getaucht, aber die Ausstellungsobjekte […]

M mehr
Moin in Bremerhaven

6 min Lesezeit6. Feb. 2020

„Moin“ sagt man in Bremerhaven

Moin! Ihr wollt zu uns an die Küste in den hohen Norden kommen, habt aber Sorgen wegen der Sprachbarriere, Sitten und Gebräuche? Heute bekommt Ihr einen Schnellkurs

N mehr
Titelbild Blogbeitrag "neue Normalität" im Zoo am Meer

7 min Lesezeit1. Juni 2020

„Neue Normalität“ im Zoo am Meer

Eine neue Normalität herrscht seit dem 8. Mai bei uns im Zoo. Nach über siebenwöchiger Schließung haben wir alle die Eröffnung herbeigesehnt. Ein Stück Normalität […]