„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Kommunismus“, so beginnt das Manifest der Kommunistischen Partei. Das Gespenst des Kommunismus geistert auch durch Bremerhaven und heißt Folkert Potrykus. Seite an Seite mit diesem Gespenst zusammen durch die Stadt zu spazieren, kann eine ziemlich spannende Idee sein.
Potrykus als Teil der Stadtgeschichte
Folkert Potrykus (1900-1971), Bremerhavener Kommunist, Gewerkschaftler und Widerstandskämpfer, gehört einer Verlorenen Generation an. Dieser Begriff, Lost Generation, wurde von der amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein in einem Gespräch mit Ernest Hemingway verwendet. Anwendbar auf Menschen, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geboren wurden und daher viele historische Dramen miterlebten. Potrykus verbrachte den größten Teil seines Lebens in und um Bremerhaven. Zusammen mit der Stadt durchlebte er Ereignisse wie den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution, die NS-Herrschaft, den Zweiten Weltkrieg, den Wiederaufbau.
Folkert Potrykus ist in den Arbeiterhäusern der ehemaligen Rickmers-Werft auf Geesthelle aufgewachsen. Das soziale Milieu dieser „Geesteheller-Welt“, das durch einfache Lebensverhältnisse und Armut, aber auch politischen Kampf für die Rechte von Arbeitnehmer*innen gekennzeichnet war, bestimmte seinen Lebensweg.

Bereits als Jugendlicher trat Folkert Potrykus der Kommunistischen Partei bei. Er kämpfte für die Bremer Räterepublik, war Redakteur der kommunistischen „Arbeiter-Zeitung“, rief zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten auf und leistete selber Wiederstand in der NS-Zeit, überlebte die Konzentrationslager Esterwegen und Sachsenhausen und engagierte sich nach 1945 in Bremerhavener als Stadtrat und Stadtverordneter ebenso für den Wiederaufbau starker Betriebsräte und Gewerkschaften wie für die Hilfe sozial Benachteiligte*r und den Ausbau des Bildungs- und Gesundheitswesens.

„Gespenst des Kommunismus“ zwischen uns
Im Rahmen der Sonderausstellung „Folkert Potrykus. Ein Kommunist in Bremerhaven“, die im Historischen Museum vom 17. Januar bis zum 4. Juni 2023 gezeigt wird, wurde eine Karte mit seinen wichtigsten Dienst- und Wohnadressen in Bremerhaven erstellt. Alle auf der Karte markierten Orte wurden in ihrem aktuellen Zustand fotografiert, diese Fotos sind auch in der Ausstellung zu sehen.
Mir scheint, dass dieses Mini-Kartenprojekt das Gefühl vermittelt, dass Folkert Potrykus in derselben Stadt lebte, in der wir heute auch leben. Dass er dieselben Straßen entlangging, dieselben Treppen stieg, dieselben Türklinken berührte.

Die Geschichte von Folkert Potrykus zu erfahren heißt, einen Teil der Stadtgeschichte zu erfahren. Einen Teil der Stadt selbst, die sich mit der Zeit verändert. Die Beispiele dafür müssen nicht lange gesucht werden.
Die Arbeiterhäuser der Rickmers-Werft, wo Folkert Potrykus mehr als die Hälfte seines Lebens verbrachte, existieren heute nicht mehr. An diesem Gelände, zwischen der lauten Hafenstraße und dem idyllisch ruhigen Kapitänsviertel, liegt heute die nach ihm benannte Straße. Ebenso existiert die Deichschule in Lehe, die der künftige Widerstandskämpfer besuchte, nicht mehr. Auch die Tecklenborg-Werft, auf der er als Dreher anfing, sowie die Delphin-Werft, auf der er später arbeitete, haben nicht überlebt.
Hier in diesem Haus in der Wülbernstraße 27 versteckte sich Folkert Potrykus 1933 vor der Gestapo.

Und in diesem Haus in der Frenssenstraße 6 lebte er 1950 mit seiner ersten Frau.

Potrykus‘ Orte in Bremerhaven und Bremen
Nicht alle für Folkert Potrykus bedeutsamen Orte sind verschwunden oder bis zur Unkenntlichkeit verändert. In der Theodor-Storm-Schule, heute besser bekannt als Die Theo, beteiligte sich er als Fraktionsvorsitzender der KPD an der Arbeit der Stadtverordnetenversammlung in der Nachkriegszeit. Und im Gerichtsgefängnis Lehe, einem kleinen Backsteingebäude in der Nähe des repräsentativen Amtsgerichts Lehe, verbrachte er mehrere Monate in Haft in der NS-Zeit.
Neben Straßen in Bremerhaven erinnern auch Straßen in Bremen an die Geschichte von Folkert Potrykus. Ein wichtiger Meilenstein im Leben des Kommunisten war seine Tätigkeit in den 1920er und 1930er Jahren in der kommunistischen Arbeiter-Zeitung. Zunächst als Zeitungsbote, dann als Redakteur und Herausgeber. Die Zentrale der Arbeiter-Zeitung befand sich bis 1933 im berühmten „Roten Haus“ in der Bremer Neustadt. Folkert Potrykus selbst lebte von 1930 bis 1933 in Bremen und mietete eine Wohnung in der Rolandstraße 33, nahe dem Neuen Markt.

Verehrung des Bremerhavener Kommunisten
Die wichtigste Informationsquelle über das Leben von Folkert Potrykus und seine Adressen in Bremerhaven ist das kürzlich erschienene Buch von Herrn Dr. Manfred Ernst “Folkert Potrykus: Nie kämpft es sich schlecht für Freiheit und Recht“.
Die anlässlich der Neuerscheinung des Buches organisierte Ausstellung des Historischen Museums beleuchtet anhand von Texten, Fotografien und Original-Dokumenten den gesamten Lebensweg des Bremerhavener Kommunisten.

Sonderausstellung „Folkert Potrykus – Ein Kommunist in Bremerhaven“ – Laufzeit 17.01. bis zum 04.06.2023 – Historisches Museum Bremerhaven – An der Geeste, 27570 Bremerhaven – Öffnungszeiten: Di-So 10-17 Uhr – Der Eintritt ist frei
Zur Ausstellung findet ein Begleitprogramm statt. Die Termine werden auf der Website des Museums angekündigt.
Text: Roman Smirnov