Diese süßen Plüschtiere gehören auf keinen Fall in Kinderhände, so verdreckt sind sie. Das Bett, auf dem sie liegen, ist defekt und keine sichere Schlafstätte mehr. Was ein kleines Idyll sein könnte, erinnert tatsächlich an schlimmste Wetterkatastrophen der jüngsten Geschichte – und ist zugleich emotionales Mahnmal für eine hoffentlich bessere Zukunft. Denn mit der sogenannten „Flutwohnung“ kooperiert das Klimahaus Bremerhaven mit Greenpeace, um noch bis Ende August 2024 auf extremes Hochwasser aufmerksam zu machen.
Erinnerung an das Ahrtal
Ihr erinnert euch sicher noch an die aufwühlenden Bilder aus dem Ahrtal, die wir alle im Juli 2021 per TV ins heimische Wohnzimmer bekamen. Wer es nochmal nachlesen möchte, findet auf dieser WDR-Website die Chronologie der Hochwasserkatastrophe. Multimedial und ziemlich ergreifend werden die Ereignisse geschildert.
Schlamm, Schlamm und noch mehr Schlamm
Die „Flutwohnung“, die wir gerade zeigen, geht noch einen Schritt weiter: Neben Texttafeln, auf denen die ehemaligen Besitzer*innen der Möbel ihre Erfahrungen mit der Flutkatastrophe schildern, sind es vor allem die verdreckten und beschädigten Möbel und Einrichtungsgegenstände selbst, die eine eindeutige Sprache sprechen.
Und so schauen mich die aufgequollenen Tasten des Klaviers – vor der Flut ein echtes Schmuckstück – ebenso traurig an wie die Schlammkruste auf der Rührschüssel oder der völlig verdreckte Kinderschuh. Von dem gibt es übrigens nur das Exemplar für den rechten Fuß, was mich nochmal stocken lässt. Alles schreit „Warum“?
Das neue „normal“?
Bislang galt ein Hochwasser, das auf extreme Unwetter, Starkregen und Dauerregen zurückzuführen ist, als „Jahrhundertereignis“. Der Duden beschreibt mit dem Begriff ein seltenes, außergewöhnliches Ereignis, Wikipedia bringt die Statistik – kommen im statistischen Durchschnitt nur einmal im Jahrhundert vor – ins Spiel. Doch eben noch ungewöhnlich, erklärt sogar unsere Bundesumweltministerin das Phänomen Starkregen und Hochwasser zur „neuen Realität“ auch in unserem Land.
Und plötzlich sind da Zeitzeug*innen
Tatsächlich sind unter den vielen Passant*innen, die während der Eröffnung am Mittwoch stehenbleiben und schauen, auch zwei mit Erfahrungswissen. Winfried Jeandrée ist einer davon. Er schaut interessiert und gibt sich dann einem Kamerateam als Betroffener zu erkennen. Der Redakteur nutzt die Chance und geht mit dem grauhaarigen Mann in sportlich-grüner Wetterjacke ins Gespräch. Der weiß unter anderem davon zu berichten, dass ganze Häuser weggeschwemmt wurden – auch sein Elternhaus. Ich schlucke beim Zuhören.
Ganz anders die Reaktion einer Frau, die ebenfalls an den Journalisten und mir vorbeigeht. Sie hält ihren Begleiter dazu an, er möge nur schnell weitergehen, nicht stehenbleiben. „Wir kommen aus Euskirchen und hatten im Juli 2021 auch das Hochwasser, daran will ich nicht erinnert werden“, ruft sie mir auf meinen verwunderten Blick zu.
Die Flutwohnung – Schlafzimmer, Küche, Wohnzimmer und Klavierzimmer – besticht mit ihren authentischen Gegenständen, die die Folgen von Flutkatastrophen deutlich machen. Nina Noelle, Projektleiterin für die Installation bei Greenpeace, hat diese mit einem Team gesammelt. Dafür war sie nicht nur im Ahrtal, sondern auch in der Emilia-Romagna, wo es im Mai 2023 zu einer verheerenden Flutkatastrophe wegen Starkregens gekommen war. Und das gerade zurückliegende Hochwasser in Bayern hat sie ebenfalls aufgesucht, um mit den Betroffenen zu sprechen. Einige übergaben ihr dann die Gegenstände, die seit Sommer 2023 durch die Republik touren, um Politik wie Gesellschaft auf die verheerenden Folgen dieser Wetterextreme aufmerksam zu machen. Verbunden damit ist der Appell, dass nun wirklich und endlich aktiv dem Klimawandel entgegenzusteuern sei.
Wetterextreme, wie die Klimakrise sie häufiger werden lässt, zerstören die Lebensgrundlagen vieler Menschen. Hinter jedem dieser Möbelstücke stecken individuelle Geschichten, Erinnerungen und Erlebnisse, die durch die Klimakrise verloren gehen. Klimaschutz und Klimaanpassung kosten Geld, aber Nichtstun kommt uns ein Vielfaches teurer zu stehen. Deshalb brauchen wir endlich konsequenten Klimaschutz und eine Regierung, die auch die Kommunen im Kampf gegen die Klimakrise unterstützt.
Nina Noelle, Projektleiterin von Greenpeace
Von der Flutwohnung zu den WETTEREXTREMEN
Ist die „Flutwohnung“ gegen Ende September abgebaut, geht es wenige Wochen danach im Klimahaus mit dem Thema weiter: Ab Ende Oktober zeigen wir den neuen Ausstellungsbereich WETTEREXTREME. Dieser wird das Erlebnis „Flutwohnung“ für Besucher*innen einerseits noch greifbarer machen und andererseits auch die anderen Extreme Hitze und Wind erlebbar machen. Das wird richtig spannend!
Flutwohnung – eine Installation als Kooperation von Greenpeace und Klimahaus Bremerhaven
Noch bis zum 22. September 2024 kostenfrei zwischen 7 und 22 Uhr auf der Havenplaza vor dem Klimahaus Bremerhaven anzuschauen.
Ab Ende Oktober 2024: Neue Ausstellung „WETTEREXTREME“ im Klimahaus Bremerhaven
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