„Hey everyone, Dana here!“ So begrüßt Dana Newman, bekannt als Wanted Adventure, ihre Zuschauer auf YouTube. Seit über zehn Jahren lebt die US-Amerikanerin in Deutschland. Das Deutsche Auswandererhaus konnte gemeinsam mit der Dieckell-Stiftung die erfolgreiche YouTuberin aus München als Workshop-Leiterin gewinnen. Drei Tage lang lernten Bremerhavener Schülerinnen und Schüler das YouTube-Handwerk vom echten Profi – und ich möchte Euch heute davon berichten.
Wanted Adventure?
„Hast du die Kamera? Yallah yallah, wir filmen das jetzt!“, hörte ich Abdulhamid seinen Teammitgliedern vorschlagen. Er war einer von über 20 Jugendlichen aus Bremerhaven, die an dem kostenfreien YouTube-Workshop vom 16. bis zum 18. Dezember 2019 bei uns im Deutschen Auswandererhaus teilnahmen. Gemeinsam lernten sie das YouTube-Handwerk vom Profi: Dana Newman, bekannt als Wanted Adventure, begleitete die Teilnehmer Schritt für Schritt hin zum eigenen YouTube-Video. Während der drei Workshop-Tage hörte ich mich bei den Jugendlichen um und erfuhr, dass Danas motivierende und begeisternde Art sie mitriss. „Ich mag besonders ihre Begeisterungsfähigkeit. Sie ist wirklich sehr sympathisch“, schwärmte die 17-jährige Chiara. „Dana hat echt Ahnung!“ Ich erfuhr, dass die Teilnehmer des YouTube-Workshops bereits Danas YouTube-Kanal kannten und deshalb auf den Film-Dreh gespannt waren. Doch bevor sich die Jugendlichen ans Filmen heranwagen konnten, mussten wir ein wenig Theorie mit ihnen durchnehmen. Denn das Motto des YouTube-Workshops stand ganz unter dem Zeichen von Fantasy und Migration. Die beiden Themen haben viel mehr gemein, als man zunächst annehmen könnte.
Auch Fantasy-Gestalten sind Migranten
Wenn Menschen migrieren, so verändern sie diejenigen, die sie zurücklassen, und auch die Personen, auf die sie in der Fremde treffen. Aber die Migration verändert auch die Aus- und Einwanderer selbst. Den Heldinnen und Helden im Fantasy-Genre ergeht es da nicht anders als den Migranten in der realen Welt. Die Figuren in Fantasy-Geschichten begegnen während ihrer Wanderung den unterschiedlichsten Wesen und Gestalten. Während ihrer Reise durch fantastische Welten treffen sie auf Hindernisse und Aufgaben. Diese zu überwinden und zu meistern, daran wachsen sie und reifen ihre Persönlichkeit. Und so wachsen auch Kinder und Jugendliche an realen Widerständen und Schwierigkeiten und können so ihre Persönlichkeit stärken und festigen.
Um die Fantasy-Geschichten anschaulich zu gestalten, hielt ich zunächst einen Impulsvortrag. Ich hatte extra ausführlich in der Fantasy-Literatur recherchiert und die unterschiedlichen Migrationspfade herausgearbeitet. Ich wollte die Jugendlichen über die Migrationsthematiken in diesem Literaturgenre, dessen Wurzeln in der griechischen und nordischen Mythologie und Sagenwelt liegen, aufklären. Anhand reeller Beispiele verschaffte ich so den Schülerinnen und Schülern einen Überblick über das Thema „Fantasy und Migration“.
Von Krypton auf die Erde
„Kennt ihr Superman?“, fragte ich in die Runde. Die Mehrzahl der Jugendlichen nickte zustimmend. „Wusstet ihr, dass Superman vom Planeten Krypton stammt und als sein Heimatplanet zerstört wurde, er zur Erde migrierte? Superman war, so gesehen, ein illegaler Immigrant. Er wurde von seinen US-amerikanischen Pflegeeltern in Kansas großgezogen und kämpft gegen das Böse, um die Menschen und ihren Planeten Erde zu beschützen.“ Die Jugendlichen staunten. Das wussten sie nicht. Auch nicht, dass Supermans Erfinder, Joe Shuster und Jerry Siegel, selbst Kinder von jüdischen Einwanderern in den USA waren. Doch die Jugendlichen sollten nicht nur Superhelden kennenlernen. Denn in Fantasy-Geschichten kommen noch ganz andere Gestalten und Völkergruppen vor.
Von Drachen, Magiern, Elben, Trollen und Zwergen
Eine weitere Inspirationsquelle für ihre eigenen YouTube-Themen sollte den Jugendlichen der Autor J. R. R. Tolkien sein. „Wer von euch kennt ,Der Hobbit?‘“, fragte ich die Workshop-Teilnehmer. Einige Jugendliche hoben die Hand. „,Der Hobbit‘ ist die Vorgeschichte zu ‚Herr der Ringe‘“,erklärte ich. „Die Geschichte spielt in der fantastischen Welt Mittelerde. Dort leben magische Wesen und Völker, die in unserer Realität nicht vorkommen, zum Beispiel Drachen, Magier, Elben, Trolle und Zwerge.“ Ich zeigte den Jugendlichen, wie der Held der Geschichte, Hobbit Bilbo Beutlin, mit seinen Gefährten durch Mittelerde reiste und am einsamen Berg den Drachen bekämpfte. „Bilbo zeigt Mut. Er wächst so an seinen Aufgaben und kehrt als eine gestandene und angesehene Persönlichkeit zurück in seine alte Heimat“, erklärte ich den Jugendlichen. Doch nicht nur Tolkien hatte fantastische Welten erschaffen – auch J. K. Rowling, die Erfinderin von Harry Potter. Wie allseits bekannt, zieht dieser nach Hogwarts, um Zauberer zu werden. Doch Hogwarts ist viel mehr als nur eine Schule für Zauberlehrlinge, es wird seine zweite Heimat. So wie bei vielen Migranten, die in die Fremde aufbrechen und dort eine neue Heimat finden.
Ob Superheld, Anti-Held oder Computerspiel-Figur – gefragt ist die eigene Kreativität
„Es gibt noch viele andere Helden in Fantasy-Geschichten: von Anti-Helden bis zur Computerspiel-Figur. Aber ihr könnt euch natürlich auch selbst ganz eigene Fantasy-Charaktere und Geschichten ausdenken“, ermunterte ich die Jugendlichen. Denn neben den mündlich vorgestellten Figuren und Fantasy-Geschichten, erhielten die Workshop-Teilnehmer auch eine kleine Arbeitsmappe mit weiteren Kurzgeschichten und Arbeitsbögen.
Nach dem Impulsvortrag mussten die Jugendlichen die erste Hürde nehmen und eine eigene Idee für ihr YouTube-Video finden. Dana leitete die Jugendlichen durch diese schwierige Phase des Kreativ-Daseins. Sie ermutigte die Bremerhavener Schüler, ganz eigene Aspekte rund um das Oberthema „Fantasy und Migration“ zu finden, die sie bewegen. So konnten die Jugendlichen ihre eigenen Erfahrungen und Interessen mit in die Ideenfindung einfließen lassen – sowohl in ihrer Storyline als auch zum Beispiel beim Kostüm. Außerdem sollten sie eigenmächtig entscheiden, welche Stimmung das YouTube-Video haben sollte: ob lustig oder ernst, ob nachdenklich oder gruselig. Die Schülerinnen und Schüler schlossen sich in Kleingruppen zusammen und ich konnte beobachten, wie sie gemeinsam diskutierten und ihre Ideen abwogen. Es lag ein kreativer Arbeitsprozess in der Luft.
Jetzt wird’s konkret: mit Storyboard und Drehbuch
Nach der Ideenfindung standen die Jugendlichen vor einer weiteren Hürde: Sie mussten ihr eigenes Drehbuch und das Storyboard erstellen. Denn die gaben den Jugendlichen den roten Faden beim Filmdreh und später im Schnitt. Und auch beim Videodreh mussten die Jugendlichen einige Hürden meistern. Denn gefilmt wurde bei laufenden Museumsbetrieb. Inmitten detailgetreuer Rekonstruktionen originaler Orte und Schauplätze aus der Welt der Aus- und Einwanderung hatten die Jugendlichen kreative Freiheit beim Filmen. „Es ist cool in den Ausstellungsräumen zu filmen. Ich war schon einmal mit der Schule hier. Aber jetzt hat man Zeit, die Räume auf sich wirken zu lassen“, erzählte mir René vom Lloyd-Gymnasium. Und auch Dana Newman schwärmte vom Film-Dreh in unseren Ausstellungsräumen: „Die Räume sind so authentisch – einfach großartig!“
Eine kreative Reise durch Fantasy-Erzählungen und Alltagsthemen
Am letzten Workshoptag bat ich Dana, ein Fazit über den dreitägigen Workshop zu ziehen. Sie berichtete mir, dass in ihren Augen vor allem die Reise der Jugendlichen ein voller Erfolg war:
Whatever the topic, however the video comes out: the most important is the journey of doing it. Doing something that – maybe – the students thought they couldn’t do, and in the end they realized they are stronger than they thought.
Ich stimmte Dana zu. Denn die Jugendlichen haben während ihrer filmischen Reise kreativste Fantasy-Erzählungen geschaffen. Und auch wenn die Fantasy-Geschichten den Jugendlichen zu Beginn des YouTube-Workshops wie aus einer fremden Welt erschienen, konnten sie dennoch aus ihnen Rückschlüsse auf ihren eigenen Alltag ziehen. Denn märchenhafte Fantasy-Storys verzaubern ihre Zuschauer und Leser gleichermaßen – und sagen viel über die Gesellschaft aus in der wir leben. Und so flossen in den Video-Ergebnissen der Jugendlichen ganz reale Probleme und Konflikte ein: Mobbing, die Klimakrise und Nachhaltigkeit. Doch auch der Spaß kam nicht zu kurz. Und so ist sich René sicher: „Die Abschlussveranstaltung wird lustig!“
Von Antje Buchholz, Museumspädagogin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Auswandererhaus
P.S.: Hier könnt Ihr Euch eines derjenigen Videos anschauen, die im Juli 2019 während des erstens Workshops „Märchen goes YouTube“ – den wir auch damals schon Dank der Dieckell-Stiftung kostenfrei anbieten konnten – entstanden, „Der Spiegel der Wahrheit“ von Luca Schmidt:
Die ebenso humorvollen wie nachdenklichen Video-Beiträge der Workshop-Teilnehmer werden bei der Abschlussveranstaltung am Freitag, 10. Januar 2020, um 18.30 Uhr im Roxy-Kino des Deutschen Auswandererhauses vor öffentlichem Publikum uraufgeführt. Eine externe Experten-Jury und das Publikum entscheiden, welche Workshop-Teilnehmer Preise im Gesamtwert von 250 Euro mit nach Hause nehmen.
Die Teilnahme ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist empfehlenswert.
Deutsches Auswandererhaus, Columbusstraße 65, 27568 Bremerhaven, E-Mail: info@dah-bremerhaven.de, Tel.: 0471 / 90 22 0-0, www.dah-bremerhaven.de
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